LdN 347 Wortwahl "Totgeburt"

In der Lage 347 im Fazit des Interviews mit Prof. Südekum zum Thema Scholz’ Rede schließt einer der Moderatoren ab mit der Aussage, so werde aus dem Deutschlandpakt wohl eine „Totgeburt“ (1:21:00). Das hat bei mir wider Erwarten (ich bin hart im Nehmen) so große Irritation ausgelöst, dass ich im Anschluss kaum noch zuhören konnte weil ich damit beschäftigt war mich gegen aufkommende Bilder von toten Babys zu wehren. Und das obwohl ich „nur“ Mutter eines gesunden Kindes bin. Ich kann nur erahnen, was dieses Wort in Schwangeren oder Betroffenen einer stillen Geburt auslösen kann. Da die Lage meist sehr auf angemessene Sprache bedacht und sich der Auswirkungen einzelner Worte bewusst ist, möchte ich das hier zurück melden. Es gibt in unserer vielfältigen Sprache genug andere Metaphern, die das genauso treffend beschreiben können, ohne zu triggern oder traumatische Erfahrungen zu verharmlosen.

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Bei allem Verständnis (und das ist kein Lippenbekenntnis!): Ein solcher Podcast ist eine nicht vorformulierte Unterhaltung, an die man nicht den Anspruch wie an einen geschrieben Text stellen darf. Da rutscht, dem einen mehr, dem anderen weniger, mal eine (ja gar nicht so unübliche) Formulierung durch, die man rückblickend lieber nicht getätigt hätte.

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So wie ich den Ausgangspost verstanden habe, war der Hinweis auch nicht als „Vorwurf“ gemeint, sondern als freundlicher Hinweis zur Sensibilisierung - nicht nur der Hosts sondern auch der hier Lesenden.

Danke dafür, ICH werde mich bemühen, diese (ja, aktuell nicht unübliche Formulierung) in Zukunft zu vermeiden!

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Stimmt, war sicher nicht als Vorwurf gemeint.

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Ich lese das auch nicht als Vorwurf, aber ich frage mich, wo die Sensibilität uns noch hinführen soll … ein Podcast lebt nun einmal auch von einer bildhaften Sprache, und „Totgeburt“ ist der gängige Begriff für ein von vornherein gescheitertes Projekt, das man übrigens im Englischen als „dead on arrival“ bezeichnen würde. Ich mag daher lieber nicht versprechen, dass wir das Wort nicht noch einmal verwenden.

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Ist der Begriff denn wirklich so gängig? Ich habe ihn so noch nie verwendet und kaum jemals gehört, obwohl ich glaube einen sehr breiten Wortschatz zu haben. Mein Alternativvorschlag wäre der gute alte „Rohrkrepierer“.

Versprechungen einzuholen war nicht meine Absicht, Aufmerksamkeit auf die Wirkung unserer Sprache zu lenken, aber schon.

Wenn auch rethorisch, möchte ich die Frage dennoch beantworten: Die Sensibilität soll uns zu gegenseitiger Rücksichtnahme führen. Die Gefahr einer Verarmung unserer und eurer lebhaften Bildsprache sehe ich da wirklich nicht. Du schon?

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Ich selbst habe auch Bezeichnungen/Ausdrücke verwendet, die ich von klein auf kannte/kenne und bei denen mir nie bewusst war, welche (zweite) teilweise schreckliche Bedeutung dahinterstand. Seitdem mir das klar ist, versuche ich, mit der Sprache aufmerksamer zu sein, aber das ist gar nicht so einfach, da man die Ausdrücke so sehr verinnerlicht hat. Vielleicht auch eine Altersfrage.

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So geht das, wenn man spricht wie einem in den Sinn kommt. Beim Rohrkrepierer explodiert das Kanonenrohr und zerfetzt die Menschen in seiner Nähe.
Beides wird aber doch nicht bildlich verwendet, sondern nur sinngemäß.

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Ad hoc kam mir der Hinweis etwas „übersensibel“ vor, da ich den Begriff durchaus auch im täglichen Leben verwendet hätte.

Es ist aber schon richtig, dass der Begriff zwar im umgangssprachlichen Gebrauch so verwendet wird, wie er in der Lage zur Anwendung kam, aber wenn man im Duden oder Wikipedia nachschlägt eindeutig mit der Totgeburt eines Kindes (oder Tieres) verbunden ist. Zumal im Duden dann als Synonyme „Abgang“ und „Abort“ genannt werden. Alles nicht schön.

Ob der vorgeschlagene Rohrkrepierer besser ist… heute vielleicht weniger oft vorkommend, früher in Militärtechnik aber ein durchaus relevantes Problem und für Menschen im Nahbereich des im Rohr explodierenden Geschosses oft tötlich.

Für manche also ein harmloser Begriff, für Andere ein tödliches Erlebnis.

Und wieder was gelernt! Ich dachte bisher, der Rohrkrepierer explodiert gar nicht, anstatt - folgenschwer - verfrüht im Lauf zu explodieren. Daran sieht man vielleicht, dass ich keinerlei Wissen über militärisches habe. Umso wichtiger, dass man mich darauf hinweist und ich informiert entscheiden kann, ob ich den Begriff trotzdem verwenden möchte (meine persönliche Antwort ist Nein). Point proven irgendwie.

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Schlimmstenfalls führt es zu mehr gegenseitiger Rücksichtnahme. Ist ja alles freiwillig. Dank jageeigneter Hinweise haben wir heutzutage stets die Chance uns in der Verwendung von Sprachbildern weiter zu entwickeln. Und mir scheint in vielen Bereichen gelingt Euch das gut.

Ich hatte im ersten Moment an Rohrkrepierer als geeignete Alternative gedacht.

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Hmmm, mir erschließt sich nicht ganz, inwiefern sich deine Argumentation von jener abgrenzt, die auch Gegner des Genderns und Verfechter von Z-Schnitzeln gerne ins Feld führen.

Nun wissen wir aber, dass du dich davon weit distanzierst. Wo ist hier der Unterschied?
Ich verstehe deine (rhetorische) Frage im Grundsatz und sehe den „Zielkonflikt“, Sensibilität für alles anzustreben. Ich würde mich dennoch wirklich dafür interessieren, worin hier der Unterschied besteht. Denn aus meiner Sicht kann das so (verkürzt?) nicht gelten.

PS: wie wäre „fabrikneuer Schrott“?

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Ein Unterschied könnte sein, dass beim misgendern und rassistischen Fremdbezeichnungen die Betroffenengruppen weithin bekannt Diskriminierung in verschiedensten Gesellschaftsbereichen erfahren, während es sich in diesem Fall um eine sehr spezifische fast schon individuelle Rücksichtnahme handelt.

Ungeachtet dessen erscheint es mir einen erstrebenswerte Praxis zu sein, eine Sensibilität und Bereitschaft zum Wandel in der Haltung gegenüber vulnerablen Personen und Gruppen zu pflegen. Wenn man aus dieser Praxis heraus quasi als Beifang mal „zu viel“ Rücksicht nimmt, kann doch kaum ein Schaden entstehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne das Buch: „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna Oelker empfehlen:

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Guter Punkt, @Friedolino.

Danke für die Differenzierung und den auch sonst versöhnlichen Beitrag.

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