Ich bin mit schuld daran, dass das BIP gerade ausnahmsweise ein Quartal keinen neuen Rekord feiert. Auch wenn Ihr und DER SPIEGEL euch Sorgen wegen 40% Rückgang bei den Autoverkäufen macht, möchte ich lieber den ÖPNV nutzen und bei Bedarf ein Auto nur mieten, anstatt es fast immer auf einem Parkplatz stehen zu lassen. Außerdem bevorzuge ich langlebige und reparaturfähige Produkte und weniger Sachen, die nur im Kleiderschrank hängen. Ich wünsche mir, dass strenger gegen Pestizide und E-Coli im Salat vorgesorgt wird, damit ich nicht auf Krankenhausbetreiber oder Pharmaunternehmen angewiesen bin. Wenn überhaupt tierische Produkte, dann so „artgerecht“ wie möglich, egal ob die Gewinnspanne bei konventionellen Nahrungsmitteln größer ist. Die 4-Tage-Woche würde mir vielleicht auch gut tun. Kinderarbeit ist heute so verbreitet wie nie und sogar Fairtrade-Schokolade sichert den Kakaobauern kein angemessenes Einkommen — deswegen finde ich es richtig, dass Unternehmen sich seit diesem Jahr mit Menschenrechten befassen müssen (Lieferkettengesetz). Und sie werden irgendwann auch stärker an der Wiederherstellung von Ökosystemen beteiligt werden müssen, gerade wenn sie von ihrer Schädigung profitiert haben. Die planetaren Ressourcen sind nicht unendlich.
Der Wohlstand (auch nachfolgender Generationen) wird sich wohl kaum ohne komplexe Regeln sichern lassen, die die Unternehmen manchmal auch nur durch Entwicklung komplexer Lösungen umsetzen können. Dazu dürfen wir das Wirtschaftswachstum und den Bürokratieabbau nicht länger als Endziele betrachten, neben denen es nichts anderes Erwähnenswertes gibt.
Ich verweise auf die ganz ähnliche Fragestellung hier.
Da der Diskussionfaden dort leider in Details und Nebenthemen abgleitet und das Grundsätzliche der sehr interessanten Fragestellung verlässt und weil es Dir, glaube ich, auch um die wirtschaftliche Fragestellung an sich (Framing?) im Podcast ging, habe Deinen Beitrag lieber nicht verschoben.
Man kann sogar fragen, ob das BIP jemals zeitgemäß war. Klar, als sehr grober Messwert für wirtschaftliche Aktivität sagt das schon was aus in dem Sinne, dass die Wirtschaft der USA halt größer ist als die von Belgien. Aber es lässt auch sehr viel außer acht.
Das Problem, dass ein verkaufter Joghurt oder eine Taxifahrt in Norwegen das BIP um wesentliche mehr erhöht als in Bangladesh, kann man noch durch Kaufkraftbereinigung korrigieren, aber es gibt ja noch ganz andere Fragen.
Ehrenamt, freiwillige und unbezahlte Carearbeit tragen real auch zur Wirtschaft bei, werden aber nicht gemessen. Der Umfang, den das ausmacht, kann je nach Land sehr unterschiedlich sein.
Lebensmittel und Energie schlagen ebenso zu Buche wie Videospiele und Lottotickets, aber sind sie auch gleich wichtig? Bei vielen „Produkten“ und „Dienstleistungen“ im Finanzsektor kann man sich das gleiche fragen.
Und selbst bei echten Industrieprodukten: Was würde sich denn wirklich ändern, wenn alle nur halb so häufig ein neues Smartphone kaufen - außer das gemessene BIP?
Das US-Gesundheitssystem ist gemessen an Kosten/Nutzen nahezu das schlechteste der Welt. Für das BIP ist es das beste.
In VWL schon gelernt das BIP Null Aussagekraft darüber hat wie gut es einem Land geht. Jede Katastrophe (Flut/Erdbeben) z.b. erhöht das BIP weil zerstörtes wieder aufgebaut werden muss.