zu allererst muss ich ein großes Kompliment aussprechen für die Wahl der Themen und nicht zuletzt auch der Gäste, die zu Wort bei Euch kommen.
Der letzte allerdings hat mir abgerungen, seinen Beitrag mehrfach nachzuhören.
So viel wurde in der Zeit der hitzigen Debatte um Immigration und Ausländerzuwanderung ausgetauscht und diskutiert. Selten bis nie zuvor habe ich eine so klare und kluge Analyse gefunden wie hier von Stephan A. Da fragt man sich doch wirklich, was anderen fehlt, um nicht auf so offensichtliche Erklärungen zu kommen. Oftmals sind es eigene Ängste, um nicht der Wahrheit ins Auge schauen zu müssen.
Die nächste Frage ist, was wir mit dieser Erkenntnis denn anfangen…wird sich an den politischen Botschaften etwas ändern? Unwahrscheinlich. Wir sich an den Ressentiments etwas ändern? Wenn es den Bürgerinnen dabei nicht besser geht, dann wird man bei dem Narativ bleiben, dass die Ausländerinnen Schuld sind. In der Gesellschaft tief verwurzelte Ängste wird man nicht über noch so klar formulierte Erkenntnisse ausräumen können. Wie sagt man auf Englisch so schön lapidar: „the proof lies in the pudding“…?! Es muss sich beweisen. Nur das wird in einer rationalen Gesellschaft - was wir Deutschen sind (zumindest im Vergleich zu vielen unserer Nachbarinnen) - zum Umdenken führen. Die deutsche Kultur und Gesellschaft ist zu großen Teil strukturiert, gut organisert und rational- Vorzeigeeigenschaften in Deutschland. Wie schon Stephan angedeutet hatte - wir sind eine zutiefst angstbeladene Gesellschaft. Angst zu versagen und nicht abzuliefern. Angst, den Kürzeren zu ziehen - Neid. Angst vor fremdartigen Dingen und Wesen. Selbstverständlich gibt es solche Ängste nicht nur in Deutschland, aber verhältnismäßig ausgeprägter als in anderen Staaten.
Es tat auf jeden Fall mal gut, jemanden so deutlich und ungeschminkt sagen zu hören, wo unsere Probleme mit Ausländer*innen herkommen.
Und wenn unsere Wettbewerbsfähigkeit im Kampf um Fachkräfte auf dem internationalen Markt darunter leidet, dann würde ich mir wünschen, dass Firmen aus der Reserve kommen und sich einmal menschlich und gesellschaftlich gewinnbringend lobyistisch engagieren. Mit anderen Worten, ihre Einflüsse in die Politik geltend machen. Sponsoring von Kampagnen. Was eine ZF, Audi, Daimler oder so manch ein „Hidden Champion“ zu sagen hat, bekommt in Deutschland Gehör; mit Sicherheit auch in den ganz hohen Etagen der Politik.
Manchmal muss auch mal ein Diskurs angestoßen werden, um in die richtige Richtung zu lenken.
Interessant, dass sich doch diese Woche wieder hier einige Threads zu diesem Thema genau in die andere Richtung bewegen und wieder eher Abschottung oder auch Grundgesetzänderung zugunsten einfacherer Abschiebungen besprochen wird.
p.s. Ja: Super Interview Partner. Ich fand es inhaltlich auch Balsam für die Seele.
Ich glaub, das war anders geschrieben als gemeint.
Es ist leider Teil der Gründungsgeschichte des Deutschen Staates Angst, Nationalismus und Chauvinismus mit ins Konstrukt zu verweben. Der deutsche Adel hat sich da historisch immer wieder eingebracht. Wenn ich 10 Jahre Deutsche Geschichte des 18 Jahrhunderts auf dem Abort richtig in Erinnerung habe: Der Deutsche Staat hat sehr viel mit der franz. Revolution zu kämpfen gehabt. Bzw. mit der Riesenangst, dass sich das hier auch ausbreitet, die Guillotine ausgepackt wird und die Bevölkerung mit einem Aufstand nach mehr Rechten verlangt.
Zusammen mit den Koalitionskriegen Napoleons hier mal ein Zitat aus einer Abitur Webseite:
Bereits im Jahr 1792 kam es – bedingt durch die Französische Revolution – zu den sogenannten Koalitionskriegen. Dabei stand sich Frankreich einer wechselnden Koalition aus europäischen Mächten, wie beispielsweise Preußen, Österreich, Russland gegenüber. Sie wollten der Abschaffung der “alte Ordnung” – Absolutismus und Ständegesellschaft – entgegentreten. Nachdem General Napoleon Bonaparte 1799 die Macht in Frankreich ergriffen hatte, exportierte er die revolutionären Ideen schließlich nach Europa. Dies gelang ihm, da er mit der “Grande Armee” schnelle Siege verbuchte und die unterworfenen Staaten im Rheinbund zu militärischer Unterstützung zwang. Die militärischen Erfolge hatten auch geografische und politische Ursachen: Der Nachbar Deutschland bestand zu dieser Zeit noch nicht als einheitlicher Nationalstaat, sondern war in unzähligen Klein- und Mittelstaaten zersplittert. Während Napoleons Besatzungszeit zwischen 1806 und 1813 konnten sich somit die Ideen von Menschenrechten, Freiheit und Nation auch auf deutschem Boden ausbreiten. Dies sollte in langfristiger Hinsicht weitreichende Konsequenzen haben. In den Befreiungskriegen wandelte sich der Hass auf die französische Besatzer in deutsches Nationalbewusstsein um und mündete 1871 in der Gründung des deutschen Kaiserreichs.
Ich glaube, wir haben einen stark verkürzten Blick auf unsere Geschichte (ich will damit nicht sagen, dass wir zu viel Fokus auf das Dritte Reich legen), der leider auch von den Medien nur zu gerne nicht erweitert wird (siehe Dokus auf Welt TV zu ‚Hitler‘ vs. andere Themen). Dass die ideologischen Grundlagen des späteren Nationalsozialismus schon viel früher gelegt wurden, das wird sehr selten thematisiert. genauso wenig, wie das Kontinuum aus den von dir angesprochenen Ressentiments, welches eben immer noch existiert und u.a. dazu führt, dass Adelsfamilien die schon zu Kaiserzeiten ‚Rechts Agitierten‘ heute dann in Rechtskonservativen Parteien federführend sind und deren Anhänger mit der Fahne des Kaiserreiches den Bundestag stürmen wollten.
Wovor hatte man im zu Ende gehenden Kaiserreich Angst?
The origins of the modern anarchist movement lie in the events of the French Revolution,[2] which the historian Thomas Carlyle characterized as the „open violent Rebellion, and Victory, of disimprisoned Anarchy against corrupt worn-out Authority“.[3] Immediately following the storming of the Bastille, the communes of France began to organize themselves into systems of local self-government, maintaining their independence from the State and organizing unity between communes through federalist principles. Direct democracy was implemented in the local districts of each commune, with citizens coming together in general assemblies to decide on matters without any need for representation. When the National Constituent Assembly attempted to pass a law concerning the governance of the communes, the districts instantly rejected it as it had been constituted without their sanction, causing the scheme to be abandoned by its proponents
da stehen einige Stichwörter drinnen, vor denen heute noch Angst gemacht wird: Sozialismus und direkte Demokratie (inkl. des folgenden Stillstandes bei schlechter Umsetzung).
ich habe heute mit einer Tante gesprochen, die so alt ist, dass sie noch die ersten Flüchtlinge in Schlesien direkt nach dem Krieg mit erlebt hat. Die kamen von allen „Herren Ländern“ und aus allen Himmelsrichtungen. Leider gibt es auch in dieser Generation Menschen, die vergessen haben, wie froh wir Deutschen über eine Kartoffel, ein Dach über den Kopf und einen Platz zum Schlafen waren…Aber das war natürlich was ganz anderes… als die Bombardierung von Städten in der Ukraine oder auch Syrien. Immer wenn Menschen in Not sind, gebietet es einfach nur der Anstand und der moralische Kompass, die Menschen nicht auszugrenzen. Natürlich gibt es notleidende Menschen in Deutschland, die jeden Monat kämpfen, um über die Runden zu kommen. Aber ein Unrecht mit einem anderen aufzuwiegen geht nicht.