Schön, dass Ihr mal das Thema „Pflege“ angesprochen habt. Ich stecke unfreiwillig bis über beide Ohren in dem Thema drin, weil ich vor gut 4 Jahren als U70er durch einen schweren Schlaganfall unverhofft Pfleger meiner Frau (PG4) wurde. Seit der Zeit habe ich Dinge gelernt und erfahren, für die ich mich nie interessiert hatte, und da die Aufgabe so plötzlich auf mich zu kam, gab es nur learning-by-doing. Man glaubt nicht, wie ätzend das sein kann!
Der Standard-Rat ist „Du musst Dir Hilfe holen“, aber man hat kaum Zeit, die allernotwendigsten Pflegeaufgaben auf die Reihe zu kriegen. Daneben muss man ohne Ende googlen und Infos aufsaugen, um sich ein Bild vom Pflegemarkt zu machen, rennt zu Ärzten und Therapeuten, um das Notwendigste für die Patientin zu regeln, kämpft mit dem MdK um den Pflegegrad und mit Kranken- und Pflegeversicherung um div. Leistungen.
Wenn man sich dann mühsam in seinem neuen Job eingerichtet und den Tagesablauf von Pfleger und Pflegeperson einigermaßen organisiert hat, kommt man zu den Feinheiten des Geschäfts. Man lernt z. B. das Sozial-Gesetzbuch und den Hilfsmittelkatalog kennen, und erst jüngst habe ich mir den „Ratgeber Pflege“ aus dem Hause Lauterbach kommen lassen, in dem auf 180 Seiten erklärt wird, wie toll die Pflege in D organisiert ist - alles in feinstem Beamten-Geschwurbel, Fachrichtung Pflege. Hilfe, ich versteh’s nicht - ich bin wohl zu alt, zu blöd oder sonstwas. Und wenn ich noch überlegen muss, wie ich ‚pflegefachliche Beratungseinsätze bei Pflegegeldbezug’ oder die ‚Kombination von Pflegegeld und ambulanten Pflegeleistungen’ oder ‚Verhinderungspflege und die Inanspruchnahme der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag’ auf einen Nenner kriege, dann stehe ich kurz vor der Resignation.
Ja, es gibt viele Hilfsangebote und jeder Fall ist anders, aber trotz der aktuellen Streiks des Pflegepersonals etc. juckt die häusliche Pflege trotz eines 84%-Anteils niemanden ernsthaft. Auch hier könnte eine bessere Digitalisierung helfen, z. B. durch eine bessere Vernetzung der beteiligten Ärzte, Therapeuten, Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Pflegedienste etc. mit der Pflegeperson bzw. dem Pfleger. Niemand interessiert sich dafür, wie lange ich in der Warteschleife bei Ärzten oder der Kranken-/Pflegekasse hänge, um eine einzige kleine Auskunft zu bekommen. Oder warum gibt es für jeden Sch… eine App in meinem Appstore, aber keine, mit der ich einen aktuellen Überblick über mein Pflege-Budget habe, was ich in welcher Kategorie verbraucht habe, wofür noch Geld da wäre. etc etc etc
Zur statistischen Einordnung: 2021 hatten wir knapp 5 Mio. „Pflegegeldempfänger”, von denen 84 % zu Hause versorgt wurden, Tendenz steigend!