LdN 331 Häusliche Pflege

Schön, dass Ihr mal das Thema „Pflege“ angesprochen habt. Ich stecke unfreiwillig bis über beide Ohren in dem Thema drin, weil ich vor gut 4 Jahren als U70er durch einen schweren Schlaganfall unverhofft Pfleger meiner Frau (PG4) wurde. Seit der Zeit habe ich Dinge gelernt und erfahren, für die ich mich nie interessiert hatte, und da die Aufgabe so plötzlich auf mich zu kam, gab es nur learning-by-doing. Man glaubt nicht, wie ätzend das sein kann!

Der Standard-Rat ist „Du musst Dir Hilfe holen“, aber man hat kaum Zeit, die allernotwendigsten Pflegeaufgaben auf die Reihe zu kriegen. Daneben muss man ohne Ende googlen und Infos aufsaugen, um sich ein Bild vom Pflegemarkt zu machen, rennt zu Ärzten und Therapeuten, um das Notwendigste für die Patientin zu regeln, kämpft mit dem MdK um den Pflegegrad und mit Kranken- und Pflegeversicherung um div. Leistungen.

Wenn man sich dann mühsam in seinem neuen Job eingerichtet und den Tagesablauf von Pfleger und Pflegeperson einigermaßen organisiert hat, kommt man zu den Feinheiten des Geschäfts. Man lernt z. B. das Sozial-Gesetzbuch und den Hilfsmittelkatalog kennen, und erst jüngst habe ich mir den „Ratgeber Pflege“ aus dem Hause Lauterbach kommen lassen, in dem auf 180 Seiten erklärt wird, wie toll die Pflege in D organisiert ist - alles in feinstem Beamten-Geschwurbel, Fachrichtung Pflege. Hilfe, ich versteh’s nicht - ich bin wohl zu alt, zu blöd oder sonstwas. Und wenn ich noch überlegen muss, wie ich ‚pflegefachliche Beratungseinsätze bei Pflegegeldbezug’ oder die ‚Kombination von Pflegegeld und ambulanten Pflegeleistungen’ oder ‚Verhinderungspflege und die Inanspruchnahme der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag’ auf einen Nenner kriege, dann stehe ich kurz vor der Resignation.

Ja, es gibt viele Hilfsangebote und jeder Fall ist anders, aber trotz der aktuellen Streiks des Pflegepersonals etc. juckt die häusliche Pflege trotz eines 84%-Anteils niemanden ernsthaft. Auch hier könnte eine bessere Digitalisierung helfen, z. B. durch eine bessere Vernetzung der beteiligten Ärzte, Therapeuten, Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Pflegedienste etc. mit der Pflegeperson bzw. dem Pfleger. Niemand interessiert sich dafür, wie lange ich in der Warteschleife bei Ärzten oder der Kranken-/Pflegekasse hänge, um eine einzige kleine Auskunft zu bekommen. Oder warum gibt es für jeden Sch… eine App in meinem Appstore, aber keine, mit der ich einen aktuellen Überblick über mein Pflege-Budget habe, was ich in welcher Kategorie verbraucht habe, wofür noch Geld da wäre. etc etc etc
Zur statistischen Einordnung: 2021 hatten wir knapp 5 Mio. „Pflegegeldempfänger”, von denen 84 % zu Hause versorgt wurden, Tendenz steigend!

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Kann das in Teilen nachvollziehen, nachdem meine Mutter nach einem Schlaganfall auch PG4 hatte. Häusliche Pflege war bei uns nicht möglich, daher Pflegeheim.
Ich hatte berufsbedingt Amtsdeutsch als zweite Fremdsprache, das erleichtert tatsächlich vieles.
Leider sind viele Angebote weit entfernt von Nutzerfreundlichkeit.
Die Rettung sind oft gute Sozialarbeiterinnen in den Rehakliniken oder, nach etwas auftauen, auch die Mitarbeiterinnen in den Sozialämtern und Krankenkassen sind nach meiner Erfahrung hilfsbereit.
Es hilft, nicht gegen das System zu kämpfen, sondern das System zu nutzen, doch dafür muss man es kennen und verstehen. Für den Normalbürger kaum leistbar.
Zentrale gut erreichbare Beratungsstellen wären ein erster guter Ansatz…

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Ja, Mike, genau so ist es. Da jeder Fall anders ist, sind auch die vielen Beratungsangebote, die es durchaus gibt, schnell am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt, wenn es um Fragen geht, die nicht Standard sind. Da viele BeraterInnen sogar ehrenamtlich tätig sind, kann man es ihnen nicht mal vorwerfen. Für unorthodoxe/maßgeschneiderte Lösungen muss man immer wieder selbst in den Ring steigen.
… und das ist, wie Du sagst: für den Normalbürger kaum leistbar.