Teile Eurer Ausführungen zur Klassenjustiz haben mich diese Woche doch sehr erstaunt. Im Gespräch habt ihr bewusst oder unbewusst den Eindruck erweckt, es sei für einen Angeklagten ein Privileg, einen notwendigen Verteidiger beigeordnet zu erhalten. Nicht erwähntet ihr dabei aber, dass ein notwendiger Verteidiger grundsätzlich nicht von der Staatskasse bezahlt wird, sondern der Angeklagte seine Kosten im Falle der Verurteilung stets selbst zu tragen hat. Die zwingende Beiordnung eines Verteidigers für jeden Angeklagten wäre also zwar ein Fest für Rechtsanwälte, für viele Angeklagte aber ein finanzielles Desaster! Denn jeder Angeklagte hätte neben den (meist geringen) Gerichtskosten im Fall seiner Verurteilung oder auch der Verfahrenseinstellung nach den §§ 153 ff. StPO (und mit diesen Möglichkeiten enden 95% aller Hauptverhandlungen) zusätzlich immer noch die regelmäßig im vierstelligen Bereich liegenden Gebühren seines Pflichtverteidigers zu tragen, den er vielleicht weder wollte noch benötigte!
Ganz schräg geriet meiner Meinung nach dann Euer Vergleich zur Prozesskostenhilfe. Neben der Bedürftigkeit ist deren Bewilligung doch insbesondere davon abhängig, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (mindestens 50%ige Erfolgswahrscheinlichkeit) bietet! Wenn die Rechtsverteidigung eines Angeklagten aber nach Aktenlage hinreichende Erfolgsaussicht hätte, gäbe es doch weder eine Anklage noch eine Eröffnung des Hauptverfahrens. Voraussetzung für beides ist bekanntlich ja der hinreichende Tatverdacht (also die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung), der rein denklogisch schon eine gleichzeitige hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Angeklagten ausschließt.
Ich vermute, beides ist Euch im Eifer des Interviews irgendwie einfach durchgerutscht und vertraue bei den Themen, bei denen ich kein Experte bin, gern weiterhin auf Eure gewissenhafte Recherche.