@Lage-Team
Ich fand schade, dass ihr euch meinem Eindruck nach bei dem Thema etwas von der allgemeinen Stimmung habt anstecken lassen. Die Wahlrechts-Diskussion scheint mir durchaus aufgeladen mit Encumbent/Stakeholder-Bias.
Ein gutes Wahlrecht sollte nicht nur die Interessen jener Parteien schützen, die schon im Bundestag sitzen oder bereits über eine gewisse Stammwählerschaft verfügen, die sie politisch relevant machen.
Philip hatte es kurz angesprochen: Was soll denn die FDP denken, wenn sie etwa mit 4,9 Prozent den Einzug in den Bundestag verfehlen würde, die Linke aber dank angestammter Hochburgen und Grundmandatsklausel mit 4,5 Prozent den Einzug schaffen würde? Demokratisch oder gerecht wäre daran überhaupt nichts.
Die Grundmandatsklausel bevorzugt in eklatanter Weise regional gebundene Parteien gegenüber klassischen Themenparteien. Liegt das wirklich im allgemeinen Interesse? Warum?
Die Bindung der Wähler an eine Partei nimmt eher ab und viele Wähler wünschen sich inhaltliche und politische Alternativen. Ein gutes Wahrecht sollte auch die Interessen von Wählern berücksichtigen, die sich im vorhandenen Parteienspektrum nicht gut genug repräsentiert sehen. Die 5-Prozent-Hürde belastet aber jeden Versuch politische Alternativen verfügbar zu machen mit einer unnötigen Hypothek.
Statt an der dem Verhältniswahlrecht in der Tat wesensfremden Grundmandatsklausel festzuhalten, hätte man lieber darüber nachdenken sollen die 5-Prozent-Hürde ganz zu streichen oder abzusenken.
Wirklich kritisch sehe ich auch Ulfs abschließende Bemerkungen dazu, dass es ja wohl nicht sein könne, dass das Wahlrecht CDU und CSU mittelbar zu einer Fusion zwingt, die sie offensichtlich nicht wünschen.
Es steht der CDU und der CSU völlig frei zu machen, was sie wollen, aber der Gesetzgeber ist keineswegs verpflichtet über das Wahlrecht die Eitelkeit der CSU zu bedienen und ihr via Grundmandatsklausel einen bevorzugten Zugriff auf bundespolitischen Einfluss zu garantieren. Wenn die CSU unbedingt über den bayerischen Landtag hinaus politischen Einfluss nehmen möchte, dann möge sie entweder im ganzen Bundesgebiet antreten oder sich unter ein gemeinsames Dach mit der CDU begeben.
Das Argument, dass es ja undemokratisch sei, wenn die CSU zwar alle bayerischen Wahlkreise gewinne, aber nicht im Bundestag vertreten sei, ist imo zu kurz gedacht: Ein Mehrheitswahlsystem ergibt eigentlich nur in einem fest verankerten Zwei-Parteien-System Sinn. Außerhalb dieses Settings hat es mit demokratischer Legitimation wenig zu tun und bevorzugt einigermaßen willkürlich das politische Lager, das sich aus historischen Gründen in weniger Parteien aufgespalten hat.
Die CSU kann nur mit 30 Prozent der Zweitstimmen alle bayerischen Wahlkreise gewinnen, weil sich die Parteien der linken Mitte gegenseitig kannibalisieren. Würden CDU und CSU in Bayern traditionell gegeneinander antreten, wie es SPD und Grüne tun, dann sähe das Ergebnis höchst wahrscheinlich anders aus.