LdN 312: Bitcoin ist kein reines Zockerobjekt gieriger Nerds!

Lieber @vieuxrenard und @philipbanse,

ich bin ein langjähriger Hörer der Lage und auch wenn ich Eure Meinung nicht immer teile, fühle ich mich durch Euch stets gut unterhalten und informiert.

Nach Euren undifferenzierten und - wie ich finde - polemischen Kommentaren zu Bitcoin in der LdN 312 fühle ich mich allerdings erstmalig veranlasst, Euch einen kritischen Kommentar ins Stammbuch zu schreiben. Bitcoin ist kein spekulatives Zockerobjekt für Nerds, denen es nur darum geht, auf Kosten der Umwelt schnell reich zu werden. Diese Beschreibung wird dem Bitcoin nicht gerecht und ich möchte kurz versuchen zu erläutern, warum das so ist:

Zuallerst ist zu unterscheiden - und zwar sowohl sprachlich als auch konzeptionell - zwischen (1.) Bitcoin und (2.) allen anderen Coins (sog. Altcoins; unter Bitcoinern auch gern „Shitcoins“ genannt).

Bitcoin ist ein dezentrales, manipulationssicheres, zensurresistentes und für jeden zugängliches peer-to-peer Netzwerk, das es erstmalig möglich macht, in der digitalen Welt Werte untereinander auszutauschen, ohne dass dafür eine sog. trusted third party (ein sog. Finanzintermediär) notwendig ist. Es ist ein „Freiheitswerkzeug“, das entwickelt wurde, um der Menschheit zu dienen. Das klingt jetzt vielleicht etwas pathetisch, allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass „wir“ (d.h. „wir“ in der westlichen Welt) das Privileg genießen, in einem (jedenfalls dem äußeren Anschein nach) funktionierenden Finanzsystem mit einem (vermeintlich) stabilen Währungssystem zu leben. Uns drängt sich der Nutzen des Bitcoin daher (noch) nicht unmittelbar auf.

Die Mehrheit der Menschen auf der Welt lebt allerdings in autokratischen und/oder diktatorischen Regimen oder in Ländern, deren Währung regelmäßig kollabiert oder die gänzlich vom Finanzsystem abgeschnitten sind. Ein Blick nach Südamerika (z.B. Venezuela oder Argentinien) oder Afrika (z.B. Nigeria, Zentralafrikanische Republik) oder - ganz aktuell - in den Libanon zeigt, dass Bitcoin für viele nicht so privilegierte Menschen die einzige Möglichkeit ist, Werte zu akkumulieren, die ihnen nicht von einem korrupten Regime oder einem kaputt-manipulierten Finanzsystem weggenommen oder weg-inflationiert werden können.

Die „Shitcoins“ geben alle vor, besser zu sein als Bitcoin, sind es aber nicht. Hier geht es in erster Linie darum, einige wenige Menschen (auf Kosten vieler anderer Menschen) zu bereichern. Keiner der Shitcoins ist dezentral, keiner ist manipulationssicher, keiner ist zensurresistent, viele sind einfach nur Betrugsmaschen. Es ist misslich, dass Bitcoin in der öffentlichen Berichterstattung regelmäßig in einem Atemzug mit den ganzen anderen Coins unter der Überschrift „Kryptowährungen“ genannt wird. Bitcoin ist Bitcoin und sollte nicht in einen Topf geworfen werden mit den ganzen anderen Coins!

In jüngerer Zeit sind einige durchaus sehenswerte Beiträge in den ö.r. Rundfunkanstalten erschienen, die ich Euch sehr empfehlen kann:

Verglichen mit den Beiträgen von vor einigen Jahren ist hier eine deutliche Lernkurve in den Redaktionen der ö.r. erkennbar! Und jetzt kommt Ihr, die ich so schätze, auf einmal daher und verfallt in die platten Argumentationsmuster zurück, die sogar die ö.r. bereits überwunden haben. Das könnt Ihr doch besser!

Befasst Euch mit dem Thema, es lohnt sich! Ihr lernt viel über Geld, seine Geschichte und wie es entsteht, über Technologie („Was ist das Lightning-Netzwerk?“), über sozialwissenschaftliche Themen („Wie werden in dezentralen Systemen Entscheidungen getroffen?“), über unsere Energieinfrastruktur (z.B. „Kann Bitcoin-Mining unsere Energieinfrastruktur robuster machen und den Ausbau Erneuerbarer Energien fördern?“) uvm.

Und wenn Ihr einen intelligenten, eloquenten und seriösen Interviewpartner zu dem Thema brauchen solltet, dann fragt doch mal bei Ijoma Mangold, Autor und Literaturkritiker bei der ZEIT, an. Er hat Bitcoin Anfang der Pandemie für sich entdeckt und arbeitet zur Zeit an einem Buch zu Bitcoin. Hier ein paar öffentliche Auftritte von ihm zu dem Thema:

So, und vielleicht versteht Ihr jetzt - oder jedenfalls nachdem Ihr die o.g. Beiträge geschaut habt - besser, warum die Zentralbanken so feindlich ggü. Bitcoin eingestellt sind und lieber ein digitales Überwachungsgeld nach chinesisch-autoritärem Vorbild wollen: Letztlich geht es (wie immer) um Macht und Kontrolle - beides würde Ihnen durch Bitcoin genommen…

Matt

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Das hat auch niemand behauptet … bitte korrekt zitieren, sonst führen wir hier sinnlose Strohmann-Diskussionen. Ich habe deinen Beitrag nur freigeschaltet, um diesen Punkt noch mal zu machen, normalerweise landen solche Beiträge kommentarlos in /dev/null.

Zum Thema pro & contra Bitcoin gibt es hier im Forum übrigens schon mehrere Diskussionen, die man über die Suche schnell finden kann. Ich schließe daher mal diesen Thread.

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