LdN 307: Unterscheidung „ballistischer“ und „taktischer“ Kernwaffen

Liebes Lage-Team,
In der LdN 307 habt ihr zwischen „ballistischen“ Atomwaffen und „taktischen“ Atomwaffen unterschieden. Diese Unterscheidung ist so aber im besten Fall irreführend. Denn auch taktische Atomwaffen wie etwa die russische Kurzstreckenrakete Iskander-M oder die mittlerweile ausgemusterte MGM-52 Lance sind ballistische Raketen.

Eine gängige Unterscheidung, die ihren Ursprung im Kalten Krieg hat, ist die zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen. Taktische Atomwaffen sind hierbei für den Einsatz auf dem Schlachtfeld gegen feindliche Truppen gedacht. Strategische Atomwaffen haben in der Regel gegnerische Städte und Industrieanlagen, aber auch Atomwaffen auf dem Staatsgebiet des Gegners als Ziel. Das Adjektiv „strategisch“ leitet sich allerdings nicht vom Wort „Strategie“ (= wie gewinne ich einen Krieg vs. taktisch = wie gewinne ich einen Kampf), sondern von der Theorie der strategischen Bombardierung (strategic bombing) ab. Nach dieser Idee kann der gegnerische Staat durch die gezielte Bombardierung von Städten und Industrieanlagen zur Kapitulation gezwungen werden, ohne dass Truppen auf dem Schlachtfeld gegeneinander kämpfen müssen.

Eine ähnliche Unterscheidung, die insbesondere auf Rüstungskontrollabkommen wie dem New START-Vertrag basiert, ist die zwischen strategischen und nicht-strategischen Atomwaffen. Nicht-strategische Atomwaffen sind in diesem Fall alle Atomwaffen, die nicht vom Vertrag reguliert sind.

Alternativ kann man auch noch zwischen der Art des Trägersystems unterscheiden. So gibt es etwa ballistische Raketen, die eine ballistische Flugbahn besitzen - ähnlich wie wenn man etwa einen Ball wirft. Andere Möglichkeiten, einen Atomsprengkopf ins Ziel zu bringen, sind Freifallbomben, die aus Flugzeugen abgeworfen werden, oder Marschflugkörper. Diese fliegen in der Regel nur wenige hundert Metern über dem Boden, sind manövrierfähig wie Flugzege, aber dafür deutlich langsamer als ballistische Raketen.

Schließlich kann man noch zwischen der Sprengkraft der Atomsprengköpfe unterscheiden. So gelten Sprengköpfe mit einer Sprengkraft von um die 10 Kilotonnen TNT-Äquivalent oder weniger (also so stark wie Hiroshima) in der Regel als „low-yield“. Alles andere, insbesondere im Bereich mehrerer hundert Kilotonnen, ist „high-yield“.

Natürlich haben strategische Atomsprengköpfe oftmals eine ballistische Interkontinentalrakete als Trägersystem, und die Sprengköpfe haben meist auch eine sehr hohe Sprengkraft - insofern ist eure Unterscheidung auch nicht komplett falsch. Es gibt aber auch andere Systeme, bei denen die Unterscheidung nicht so trennscharf möglich ist. So haben die USA etwa ihre Trident D5-Rakete, die eine interkontinentale Reichweite hat und auf U-Booten stationiert ist, erst vor einigen Jahren mit einem kleinen Sprengkopf versehen (W76-2).

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Danke dir! Die genaue Terminologie ist einfach nicht scharf definiert und hängt vermutlich davon ab, auf welcher Militärakademie man sie gelernt hat. Unsere Terminologie beruhte auf den in der entsprechenden Folge angegebenen Quellen.