LdN 303 Zu wenige Menschen in der öffentlichen Verwaltung?

Hallo zusammen,

Die in der letzten Folge zitierte OECD-Studie hat mich doch stutzig gemacht (LdN303@1:03:00). Gibt es hierzu eine Referenz?

Es ist nämlich so, dass meines Wissens das angesprochene 3:1 Verhältnis zwischen der dänischen und deutschen Verwaltung tatsächlich auf den gesamten öffentlichen Sektor (general government) bezieht, also auf alle vom Staat angestellten Menschen. Nun haben charakteristischer Weise die skandinavischen Länder einen sehr ausgedehnten öffentlichen Sektor (vgl. Skandinavisches Modell). Diese Statistik zeigt eindrücklich wie Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland die ersten vier Plätze belegen: Eurostat.
Die ausschlaggebenden Branchen sind hier allerdings nicht eine größere Kernverwaltung, sondern ein ausgedehnter öffentlicher Gesundheits- und Bildungssektor. Dänemark hat tatsächlich einen für einen nicht-föderalen Staat relativ geringen Anteil von 25% an Beamten in der Kernverwaltung (Public administration in EU member states - 2020 overview, p.14). Allerdings muss ich sagen, auch diese Statistiken sind nur mit Salz zu genießen, denn so ziemlich jedes politische System regelt da die Klassifizierung auf seine Weise.

Allerdings wollte ich vor allem auf einen anderen Aspekt hinweisen, der meiner Ansicht nach einen größeren Beitrag zum deutschen Versagen bei der Digitalisierung leisten: die deutsche Kernverwaltung ist alt, wo es zählt!

Hier zwei Statistiken dazu von der OECD:

  1. In Deutschland sind zwei Drittel aller Führungspositionen in der Kernverwaltung von Menschen die 55 Jahre oder älter sind, nur Griechenland und Italien liegen höher in der OECD. Zum Vergleich, in Dänemark sind das nicht mal 20%! (Ageing and talent management in european public administrations 2021, p.13)

  2. Deutschland hat den größten Verlust in Nachwuchs. Während in 2015 noch ein Spitzenreiter mit 30% der Kernverwaltung unter 34 Jahren, fiel der Wert bis 2020 auf 17%, und damit unteres Mittelfeld (Government at a Glance 2021, p.104f)

Natürlich ist hier zu berücksichtigen, dass es vermutlich auch Effekte gibt, die auf das föderale System zurückzuführen sind (z.b. dass jüngeres Führungspersonal erst in den Länder Karriere macht bevor es in die Bundesebene wechselt).

Freu mich über Korrekturen und Ergänzungen. Ich habe das eben auch nur schnell recherchiert und bin gerade noch etwas geschockt von den Daten…

Liebe Grüße

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Hallo jaynk,

ich habe mich auch sofort auf die Suche nach der zitierten OECD-Studie gemacht und musste feststellen, dass sie offenbar nicht in den Shownotes referenziert wurde. Im Internet kann ich auch nichts finden.
Ich bin auch sehr daran interessiert, welche Kriterien genau in der zitierten Arbeit herangezogen wurden, um einen Vergleich zwischen den Staaten zu ermöglichen.

Zu dem erwähnten hohen Altersdurchschnitt in der deutschen Verwaltung möchte ich nur anfügen, dass so ein Effekt typisch ist für einen massiven Abbau der Beschäftigten (nicht nur) in der öffentlichen Verwaltung während der letzten 25 Jahre ist. In Deutschland wird der Mitarbeiterabbau insbesondere in der öffentlichen Verwaltung natürlich nicht durch Entlassungen erreicht, sondern Stellen werden dann nicht mehr Besetzt, wenn eine Person in Ruhestand geht oder den Bereich/Dienststelle wechselt.
Wenn demnach ausgeschiedene Rentner nicht durch junge neue Mitarbeiter ersetzt werden, erhöht sich kontinuierlich der Altersdurchschnitt der verbleibenden Mitarbeiten. Das ein auf diese Weise vorgenommener Stellenabbau auch dazu führt, dass junge (eher) dynamische Mitarbeiter fehlen, die z.B. auch eine höhere Digitalkompetenz einfach nur aufgrund ihrer stärkeren digitalen Sozialisation mitbringen, ist m.E. auch nicht überraschend.
Dieser Aspekt, d.h. die zusätzlichen negativen Folgen nicht nur des Stellenabbaus, sondern auch aufgrund der Art des Stellenabbaus und der damit verbundenen zwangsläufigen (über-)Alterung der Verwaltungsmitarbeiter, fehlt mir in der laufenden Diskussion.

Viele Grüße

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Hallo,
weiß nicht, ob der Bericht gemeint war, aber einige Zahlen gibt es im OECD-Dokument „Government at a Glance 2021“ (Government at a Glance 2021 | en | OECD). Der ist auch Quelle für den jährlichen „Monitor öffentlicher Dienst“ vom Beamtenbund („Der öD im europ. Vergleich“: https://www.dbb.de/fileadmin/user_upload/globale_elemente/pdfs/2022/2022_monitor-oe-d.pdf#page=30&zoom=auto,-55,595).
Viele Grüße

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