LdN303 Durchwachsene Bilanz 9-Euro Ticket

Ein eher zwiespältiges Argument. Das jetzt alle einfach mal an ihren Arbeitsort ziehen, ungeachtet familiärer oder sozialer Bindungen, wird teils aufgrund der höheren Mieten und der Verfügbarkeit von Wohnraum meist nicht funktionieren. Und ein Fahrrad ist sehr witterungsabhängig und setzt eine gewisse körperliche Fitness voraus.
Es spricht aber nichts dagegen, zuerst die Städte mit öpnv auszubauen und sich parallel gedanken um Alternativen auf dem Land zu machen

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Naja, diesen Eindruck habe ich ehrlich gesagt nicht - es sind aus meiner Sicht verschiedene Debatten.
Daher erst mal die Frage: Um was geht es Dir? Günstigen ÖPNV oder Klimaschutz?

Wenn es nämlich um den Klimaschutz geht, dann sollte ja gerade das Pendeln und „unnötige“ Fahrten reduziert werden. Und das kann vor allem erreicht werden, wenn das Angebot für die Pendler sowie insb. im bisher wenig erschlossenen Gebieten besser wird.

In der „Stadt“ hingegen besteht schon heute ein deutlich größerer Anreiz, den ÖPNV zu nutzen. Diesen Anreiz muss man übrigens nicht zwangsläufig durch Subventionen verstärken, sondern kann das auch durch sich auf das Autofahren negativ auswirkende Maßnahmen (Parkkosten, Citymaut etc.).
Natürlich ist es cool, wenn man einfach 24/7 in der Stadt (und darüber hinaus) für 9 € mobil ist. Sonst wird aber doch immer darüber gemeckert, dass „Entlastungen“ an Personen gehen, die es sich leisten könnten, und befürwortet, dass Subventionen z.B. zur energetischen Sanierung reduziert werden, weil der wirtschaftliche Anreiz dieser Investition gestiegen ist - beides scheint beim 9 € Ticket kein Problem zu sein.

Korrektur: in der ersten Version war ein Rechenfehler drin. @Captain_Morgen, vielen Dank fürs Mitlesen.

ist egal, weil es sich hier um die zur Verfügung stehende Leistung handelt.

Bitteschön :slight_smile:
Wie viel Energie eine Bahn pro Fahrgast braucht, hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Luftwiderstand (hängt von Stirnfläche und Länge des Zuges ab. Wird im Folgenden vernachlässigt, weil sich die Stirnfläche der Bahn durch die Anzahl der Passagiere kaum ändert. Der Federweg ist minimal. Die Länge des Zuges, nehme ich auch als konstant an, hier mache ich aber einen nennenswerten Fehler, weil diese ja von der Anzahl der Passagiere abhängig ist.)
  • Rollwiderstand
  • Kurvenwiderstand (wird vernachlässigt, weil ich die Formel nicht kenne)
  • Steigung / Gefälle
  • Geschwindigkeit

Annahmen:

  • Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Punkt der Strecke (h): 100 m
  • Streckenlänge (s): 15 km
  • Anzahl Haltestellen (n): 10
  • Gewicht des Fahrgastes (m): 100 kg
  • Rollwiderstandskoeffizient (r): 0.0015
  • Reisegeschwindigkeit (v): 80 km/h (=22,2 m/s)

Die kinetische Energie muss nur für das Beschleunigen aufgewendet werden, aber das für jede Haltestelle:
n * 0,5 * m * v^2 = 10 * 0,5 * 100 * 22,2^2 = 246.420 J

Die potenzielle Energie (Höhenenergie) berechnet sich mit der Formel: m * g * h = 100 * 9,81 * 100 = 98.100 J

Zu guter Letzt noch der Rollwiderstand: s * r * m * g = 15.000 * 0,0015 * 100 * 9,81 = 22.073 J

Summe: 366.593 J

Man kann des Weiteren annehmen, dass Bahnen rekuperieren. Damit würden ca. 90 % der Energie, die für das Beschleunigen und die Überwindung der Steigung aufgewendet wird, wieder ins Netz eingespeist:

Also: 0,1 * (98.100 J + 246.420 J) + 22.073 J = 56.525 J = 0,016 kWh für 15 km S-Bahn-Fahrt

Der Energiebedarf pro Fahrgast ist bei Zügen also lächerlich gering, ABER Eisenbahnen haben grotesk hohe Fixkosten. Hohes Gewicht der Züge, Schienen-Netze müssen gebaut werden, Tunnel müssen gebohrt werden, Bahnen müssen betrieben werden …

Dazu noch ein Wasserkopf an Bürokratie, und die Gewissheit, dass in den nächsten Jahren in Deutschland keine neue Strecke mehr gebaut wird. Wenn man also heute ohne Bahnverbindung wohnt, dann wird sich das bis zur Rente nicht mehr ändern …

Eisenbahnen sind so katastrophal unflexibel, dass sich deren Einsatz außerhalb existierender Ballungszentren meiner Ansicht nach nicht lohnt. Und das, obwohl ein E-Auto für diese Beispielstrecke etwa 2 kWh Energie braucht.

Da helfen keine warmherzigen Empfehlungen für das Fahrrad, oder einen Umzug. Es ist wie es ist, die beste Chance, die wir haben sind, E-Autos und erneuerbare Energien.

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Ist ja richtig, nur darf man nicht vergessen, dass auch immernoch stillgelegte Strecken existieren, die man evtl. wieder eröffnen könnte.

Nur halt nicht mit S-Bahn /Regiozug, sondern sowas wie Typ Straßenbahn oder „Ferkeltaxi“


(Für alle die nicht wissen was ein Ferkeltaxi ist)

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Die kinetische Energie muss nur für das Beschleunigen aufgewendet werden, aber das für jede Haltestelle: n * 0,5 * v^2 * m = 10 * 0.5 * 22,2^2 * 100 = 5430 J

kann es sein das du dich hier verrechnes hast ? Ich komme bei 1/2 *(22,2 m/s)^2 *100kg auf 24 642 J also insgesamt 246 420 joul

Der Energiebedarf pro Fahrgast ist bei Zügen also lächerlich gering

du musst bei dem verbrauch pro fahrgast noch anteilig die ennergie des Zugs draufschlagen also gesamtenergie bedarf Zug geteilt durch die anzahl der Fahrgäste. Wenn du das nicht tust ist der vergleich zum Auto nicht wirklich gegeben

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Ja. Mist.

Ja auf jeden Fall, aber das meinte ich mit den horrenden Fixkosten.

Danke :+1:

Ich komme auch auf 246 420 Joule, also 0,06845 kWh was auch relativ wenig ist.

Das hat @Schorschie schon richtig gemacht, weil die Fragestellung war, wie viel Energie ein zusätzlicher Fahrgast verbrauchen würde, in einem Zug der sowieso fährt. Wenn du morgen 30 km in die nächste Stadt mit der S-Bahn fahren würdest, würde der deutsche Energieverbrauch laut @Schorschie’s Daten um 0,06845 kWh steigen, weil die Fahrt der S-Bahn ja nicht von deiner Entscheidung abhängt. Würdest du hingegen mit deinem super sparsamen E-Auto fahren, das 10 kWh auf 100 km verbraucht, dieselbe Strecke fahren, würde der deutsche Energieverbrauch um 0,1 * 30 → 0,3 kWh steigen, weil ob dein Auto morgen bewegt wird oder nicht wird alleine von dir entschieden.

Wo der Gesamtverbrauch der Bahn eine Rolle spielen würde, ist, wenn wir über den Aus- oder Abbau des ÖPNV diskutieren würden. Aber ich denke der Mehrverbrauch durch zusätzliche Zugfahrer bei konstantem ÖPNV Verkerht ist so gering, dass wenn nur ein paar wenige Autofahrer ihr Auto stehen lassen, man am Ende bei ±0 rauskommt. Ich glaube aber es ist ein Strohmann den Ausbau des ÖPNV in einen Topf mit den x9€-Ticket Forderungen zu vermischen und dann den Befürwortern vorzuwerfen, sie seien indirekt für Energieverschwendung.

Und ich würde sogar mal vermuten es gibt eine starke Überschneidung der Leute, die sagen, ein günstiges Ticket führt zu zu viel Energieverbrauch und Autofahrern die sagen:

  • „Wir sollten das Geld lieber in den Ausbau des ÖPNV statt in günstige Ticket stecken“
  • „Auf dem Land mit der S-Bahn in die Stadt zu fahren ist so teuer, da nehm ich dann doch lieber direkt das Auto“
  • „Ein Tempolimit ist sinnlos, das spart nicht genug Energie ein“

Und die aller wenigsten, die die Kritik des Energieverbrauchs anbringen sind Fahrradfahrer, die weder Auto noch ÖPNV fahren.

Da hast du vermutlich leider Recht, aber ein günstiges ÖPNV Ticket könnte es nochmal deutlich attraktiver machen in Orte zu ziehen, die eine relativ gute ÖPNV Anbindung haben (und das sind ja nicht nur Städte)

Hier müsste man nur mal den Werkzeugkasten voll ausnutzen.
Enteignungen, um neue Bahnstrecken zu bauen, sind nach dem Grundgesetz klar möglich und auch vorgesehen. Die Bürokratie muss hier ebenso beschleunigt werden wie beim Thema Ausbau der erneuerbaren Energien.

Es ist alles möglich, wenn man eine Regierung hat, die das auch entschlossen umsetzt (und flankierend Gesetze erlässt, die rechtliche Restrisiken ausschließen).

Der Ausbau des ÖPNV (und damit auch der Bau neuer Bahnstrecken) ist für die Energiewende genau so nötig wie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Beides muss einfach eine höhere Priorität bekommen…

Das andere Extrem ist halt China, wo die Bürger gar keine Möglichkeit haben, gegen staatliches Handeln vorzugehen. Dort kann man auch mal eben ein paar Dörfer beseitigen, wenn ein neuer Staudamm für ein Wasserkraftwerk nötig ist. So extrem müssen wir nicht sein. Aber wir müssen von der Kultur wegkommen, dass jeder Bürger mit der „Nicht in meinem Vorgarten“-Mentalität jedes Großprojekt zum Wohle der Allgemeinheit (Windräder, Bahnstrecken…) über Jahrzehnte blockieren kann. Es muss doch irgendwo zwischen diesen beiden Extremen einen gesunden Mittelweg geben, welcher solche Projekte ermöglicht, ohne die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Bürger völlig auszuhebeln.

Wenn wir diesen Mittelweg nicht finden werden wir langfristig massive Probleme bekommen, weil wir durch diese rückständig-konservative Haltung immer mehr den Anschluss gegenüber China und Indien verlieren. Wir müssen mehr Veränderung wagen!

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Das Argument „Dann zieh doch in die Stadt zu deinem Arbeitsplatz“ bedeutet, zu Ende gedacht, es gibt zugunsten der Arbeit keine Freiheit der Wohnungswahl mehr.
Ähnlich wie manche asiatische Länder stellt man dann an jede Firma ein paar Wohn-Container für alle Arbeitnehmer, die Familien wohnen in angrenzenden Wohnblöcken. Konsequent zuende gedacht. So braucht es keinen Individualverkehr mehr, und nur rudimentären ÖPNV in den Ballungszentren.
Auf dem Land wohnt dan halt nur wer nicht arbeiten muss oder Arbeitgeber.
Etwas überspitzt formuliert mitceinem Augenzwinkern

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Das funktioniert ja eh nur, wo nur ein Ehepartner arbeitet.

Oder wenn man auf dem Land arbeitet, Firmen mit viel Platzbedarf werden sich nicht in der Stadt ansiedeln.

*Zugunsten des Planeten.

Es gibt übrigens eh für die meisten Jobs in Deutschland keine Freiheit der Wohnungswahl. Bei den allermeisten Jobs kannst du z.B. nicht sagen „Ich zieh jetzt in die Karibik, weils dort schöner ist“.

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Mag sein, aber damit wäre es tatsächlich wie in China. Und nicht jeder will in der Stadt leben. Ich habe in der Stadt gelebt und es wirklich gehasst. Wer das will, bitte. Wer nicht sollte nicht dazu gezwungen werden. Außerdem sollte jeder der Lust auf Freizeit und seine Familie hat den Drang haben Arbeit und Wohnort möglichst nah zusammen zu bringen.

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Der kleine „Exkurs“ sollte eigentlich nur verdeutlichen, dass wir in Deutschland ja eine Wahl haben.
Ich kann mich für eine größere Wohnung auf dem Lande zu moderater Miete entscheiden, muss dann aber in die Stadt pendeln. Oder ich ziehe in die Stadt auf in der Regel beengtem Raum zu meist höheren Mieten, spare mir aber ggf Auto und Fahrzeiten. Finanziell mag es auf ein ähnliches Niveau herauskommen, aber diese persönliche Entscheidungsfreiheit möchte ich nicht missen.
Zurück zum 9-Euro Ticket: Für den Innenstadt-Bereich, Nahverkehrs-Pendler und gelegentliche Fernreisen mag das sicher eine gute Idee sein, evt auch für 29€ oder 69€.
Für Tagespendler aus dem Außenbereich funktioniert so ein Ticket nur sehr bedingt, und eine bessere ÖPNV Anbindung ist da so schnell nicht zu erwarten…
Alternative Angebote (Car-Sharing, mehr Ladesäulen auf dem Land, On-Demand-Kleinbusse) fürs Land wären ein Angebot parallel zum ÖPNV-Angebot in der Stadt.
Man muss da wohl komplexer denken, eine Lösung für alle sehe ich da nicht.

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Schon erstaunlich, wie wenig Beiträge es braucht, um von „günstiger öffentlicher Nahverkehr ist auch dann eine gute Idee, wenn nicht alle gleichermaßen profitieren“ zu „Das ist ja wie im Totalitarismus!“ kommt…

Vielleicht etwas „hart“ formuliert, aber manche Kommentare gehen ja durchaus in die Richtung, das man halt dahinziehen muss (!), wo man arbeitet. Und da hätte ich schon Zweifel, ob das unserer allgemeinen Vorstellung von Freiheit entspricht.
Ob das klimatechnisch alles so sinnig ist, steht auf einem anderen Blatt, da braucht es dann Alternativen. Oder Totalitarismus…

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Leider tendiert es hier im Forum sehr oft dahin. Da wird es als alternativlos dargestellt in die Stadt zu ziehen usw. Da wird man irgendwann dünnhäutig.

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Die Leute wurden halt Jahrelang dazu erzogen, sich für das Leben außerhalb der Stadt zu entscheiden. Ausbau von Auto Infrastruktur, kostenlose Parkplätze, Pendlerpauschale, günstigere Mieten. Da ist es ja dumm in der Stadt zu bleiben und den lauten Verkehr zu ertragen, unter Lebensgefahr mit dem Rad zu fahren und teure Mieten zu bezahlen.

Würde man nun politisch umdenken und z. b. Subventionen wie die Pendlerpauschale abschaffen (meine teure Miete in der Stadt wird ja auch nicht subventioniert, obwohl ich die Wohnung gewählt habe, damit sie nah an der Arbeit ist), würde die Entscheidung Stadt oder Land bei vielen bestimmt anders aussehen. Vor allem, da durch weniger Individualverkehr die Stadt um einiges lebenswerter würde.

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Das ist vollkommen richtig, das Problem ist jedoch, dass es nicht „auf dem Land“ gibt.
Die Siedlungsstrukturen reichen von Vorstadtgemeinden, in denen die meisten in die nahen Städte pendeln, bis zu kleinen Dörfern, in denen die meisten der Arbeiter in kleine Orte in der Umgebung pendeln.
Dadurch, dass jeder von uns unter „Land“ eine andere Vorstellungen hat kommt man da auf keinen Nenner.

Anstatt das System des ÖPNV bis ins letzte Dorf auszuweiten wäre es vielleicht erst einmal sinnvoll in den Gegenden, in denen es eine gute ÖPNV Verbindung gibt, die Nutzung von PKW zurückzudrängen, dann könnte man überlegen wie man das Netz Stück für Stück ausweitet.

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Ich bin jetzt seit ca. zwei Jahren im Lage Forum aktiv und bis jetzt ist jede Diskussion, die Mobilität beinhaltet in eine fundamentale Auto vs. Bahn, bzw. Stadt vs. Land Diskussion ausgeartet.

Ich verstehe nicht warum wir nicht beides haben dürfen, da beides meiner Ansicht nach seine Berechtigung hat. Bahn in Ballungsgebieten, Auto auf dem Land.

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Weil das Problem ist, dass es zwei unterschiedliche Themen sind.

Unsere zwei Hoster sprechen aus der Großstadtblase Berlin.

Hier im Forum kommen dann regelmäßig „Landeier“ und kritisieren die Aussagen der Beiden zum ÖPNV oder Mobilität allgemein.

Nicht dürfen, müssen.

Es sind halt unterschiedliche Vorraussetzungen.

Ja und nein. Es ist nunmal „alternativlos“ in die Nähe seiner Arbeit zu ziehen, du schreibst selbst:

Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewachsen wo man in gut 15 Minuten von einer Seite zur anderen Radeln konnte.
Meine erste Berufsschule war in Berlin, die Strecke die ich von meiner Übernachtungsstelle zur Schule betrug war in etwa gleich lang wie die Strecke zur nächsten Kleinstadt mit 4 Dörfern dazwischen.

Es ist also auch erstmal eine Frage, was bezeichnet man als „in der Nähe“

In Berlin war ein Parkplatz mit 5 Minuten laufen „vor der Haustür“ und alles was man so innerhalb von 15 Minuten laufen erreichen konnte „in der Nähe“ brauchte man das Auto oder den ÖPNV war es schon „weiter weg“

Jetzt bei mir ist alles unter 10 Minuten Fahrstrecke um die Ecke" und unterhalb von 1 Stunde Autofahrt „in der Nähe“

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