LdN 301 - Erfahrungsbeispiel aus UK

Hallo!

Danke für die tolle Folge, bin sehr auf Teil 2 gespannt.

Ich möchte hier nur einen kleinen Erfahrungsbericht aus UK bringen, so als (anekdotisches) Kontrastprogramm, da recht früh im Podcast erwähnt wurde wie schwer es sei, Vergleiche aus anderen Ländern heranzuziehen. Ich bin in DE aufgewachsen, habe studiert mit Bafög, und ca. 10 Jahre gearbeitet, mehrmals umgezogen, geheiratet - ich kenne die Verwaltung recht gut. Die Menge an Zettelkram war auch für mich immer völlig normal, bis zum Umzug.

Die Erfahrung in England ist das absolute Gegenteil. Ich bin hier jetzt seit 5 Jahren, inklusive allem was man eben braucht als Bürger, Anmeldung, Steuererklärung, KfZ-Steuer, bis hin zum kürzlichen Hauskauf und allen Formalien die damit einhergehen.
Da gab es natürlich auch Momente in denen ich persönlich zu einer Behörde musste. Und zwar genau ein Mal. Ein einziges Mal ganz am Anfang um meine Steuernummer zu beantragen die gleichzeitig als Sozialversicherungsnummer und persönliche Identifikationsnummer dient. Seitdem ist alles digital. Die Regierung hat eine zentrale Webseite (https://www.gov.uk/) für übergeordnete Belange und jede Gemeinde ihre individuelle Sub-Seite für lokale Themen (z.B. https://www.towerhamlets.gov.uk oder https://www.manchester.gov.uk/). So gut wie alle Bürgerbelange können dort abgwickelt werden.

Selbst den Hauskauf konnte wir - was die Behörden angeht - vollständig per Telefon / Email / digitalen Signaturen abwickeln. Die Steuererklärung ist so simpel dass es in der Regel in 30 Minuten erledigt ist - ohne Zusatzprogramme, einfach nativ auf der Webseite der Regierung.
Bei Covid hat das auch Vorteile beschert. Schnelltests oder PCR-Test bestellen geht per zentralem Login in 5 Mausklicks und am nächsten Tag liegen die in der Post. Beispiele gibt es Dutzende.

Wo ich in Deutschland pro Jahr 1-2 Aktenordner an Unterlagen, Belegen, Anträgen etc. zusammengesammelt habe, ist es hier in den 5 Jahren nichmal einer. Meinen Drucker habe ich verschenkt weil es so gut wie nicht nötig ist irgend etwas auf Papier festzuhalten. Man kann, aber die digitale Option ist fast überall vorhanden.

Natürlich ist das alles auch nicht perfekt und England hat ganz klar andere Probleme die sehr gravierend sind, aber was die Digitalisierung angeht ist es Deutschland meilenweit voraus - mit vielen Dingen die man sich abschauen könnte.

Ich beantworte gern Fragen oder erzähle in mehr Detail, falls gewünscht :slight_smile:

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Dieselbe Anekdote kann ich auch aus Schweden berichten.

Behördenkontakte in Persona hatte ich insgesamt 2:

Finanzamt um meine Personennummer zu beantragen.

Arbeitsamt um meine Unterstützung aus Deutschland zu bekommen (EU-Mitnahme ALG1)

Ansonsten nie wieder, nur noch digital.

Beim Hauskauf gar nicht, das hat alles der Makler gemanagt.

Das Hauptproblem in Deutschland denke ich ist die Angst vor der einen Nummer anhand derer man identifiziert werden kann.

Scheint aber nach deiner und meiner Erfahrung eine notwendige Vorraussetzung zu sein.

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Wir haben auch vor einigen Jahren in D gekauft, von Seiten der Behörden war bei uns soweit ich mich erinnern kann alles digital abzuwickeln bzw. hat sich ja der Makler drum gekümmert.
Zum Notar mussten wir allerdings persönlich mit den Verkäufern, wie handhabt man das in GB?

Mein langer und guter Schulfreund ist inzwischen Däne geworden.
Als ich das letzte Mal mit ihm sprach, und ich fragte, was er denn am meisten an Dänemark schätze,
war ein zentraler Punkt der, dass er alle deutsch-bürokratischen Vorgänge in Dänemark online abwickeln kann. Also auch hier scheint die Digitalisierung zu funktionieren.

Liebe Grüße

Das scheint in der Tat so zu sein. Deswegen ist das ein wichtiges Thema im zweiten Teil (Stichwort Registermodernisierung).

Ich wohne selbst in Kopenhagen und kann die Aussage deines Schulfreundes bestätigen. Vor allem die Integration zwischen verschiedenen Registern erlaubt, dass Daten zwischen den verschieden Ministerien und Verwaltungen geteilt werden.

Wohl wahr. Als in Dänemark arbeitende IT-Unternehmensberaterin im Bereich „Health und Public Service“ kann ich bestätigen, dass die sehr guten Register das A und O sind, damit alles funktioniert. Doch auch in Dänemark funktioniert nicht alles ohne Probleme :wink:

@vieuxrenard : Sagt Bescheid, falls ihr Inputs oder Anekdoten aus Sicht einer Unternehmensberaterin mit öffentlichen Kunden aus Dänemark braucht :wink:

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Zum Notar mussten wir allerdings persönlich mit den Verkäufern, wie handhabt man das in GB?

Entschuldige die späte Antwort. Behördlich ging das meiste über E-Mail, darum haben sich großteils die Makler gekümmert. Der Kaufvertrag selbst ist digital signiert. DocuSign oder ähnliches. Soweit ich weiß ist es in Deutschland üblich, einen einzelnen, großen Vertrag zu haben mit zig Seiten der jedes Detail umfasst. In UK ist das etwas anders - der Kaufvertrag selbst ist sehr kurz, 1-2 Seiten. Dazu kommen dann aber zahlreiche Zusatzdokumente die Teilbereiche genauer ausdefinieren (Gutachtenberichte, Eintragungen der Behörden, Grundriss, Angabe aller Gegenstände in Küche und co. und so weiter). So können Details angepasst oder korrigiert werden ohne dass man gleich den ganzen Vertrag neu aufrollen muss.

Der Vertrag selbst ist zweigeteilt, eine Version für Käufer, eine für Verkäufer. Es gibt gar keinen Vertrag auf dem beide Seiten zusammen unterschreiben. Das ist so eine Art Kauf- bzw. Verkaufsabsicht die man jeweils unterschreibt. Und zwar vorab, die gibt man dann dem eigenen(!) Makler. Das ist an dem Punkt noch nicht bindend weil die andere Seite den Vertrag noch nicht in den Händen hat.
Wenn sich alle einig sind und man ein fixes Umzugsdatum weiß, wird dann ein „Exchange“ (Austausch) festgelegt. An dem Datum werden die Verträge vom eigenen Makler an den Makler der jeweils anderen Seite ausgehändigt und damit wird der Kauf rechtlich bindend.

Hoffe das war jetzt nicht zu ausschweifend. Es war auf alle Fälle ein super spannender Prozess :smiley:

Meine Erfahrung aus Neuseeland ist da aehnlich. Wir wohnen seit 9 Jahren hier und mussten noch nie zum Amt. Alles kann online gemacht werden. Selbst die Einbuergerung kann man online machen :smiley: (Nachdem man nach 24 Monaten die Deutsche Beibehaltungsurkunde bekommen hat!)

Hausbau/kauf: macht die Baufirma,
Auto: in 5 minuten online gemacht (Anmelden/Abmelden, Strassenbenutzungsgebuehren, tickets…)
Steuern: Seit 2020 bekommt man eine email/txt vom Finanzamt, was man erstattet bekommt! (gibt aber auch fast nichts wieder)
Personalausweis mit Adresse: gibt es nicht, Fuehrerschein ist der Lichtbildausweis mit Geburtsdatum drauf, Adresse wird mit aktueller Bank/Strom/Gas/Internetabrechnung nachgewiesen (braucht man eh nur fuer den Buechereiausweis/Schwimmbad, ob man auch lokal wohnt).
Heiraten: haben damals noch in D geheiratet, aber bestimmt aehnlich
Reisepass fuer unsere Kiwi kids: Online mit jpg bild hochladen, war 3 Tage spaeter da. (Bei unserem D reisepass hat es 2 Wochen gedauert um ueberhaupt einen Termin bei honorarkonsul zu bekommen, selbstverstaendlich ohne online buchungssystem!)
Bei Erdbeben/Tsunamiwarnungen gibt es emergency txt aufs handy. Die Corona lockdown info gab es so ebenso.

Neuseeland ist sicherlich hinterher bei Hausbau/Energiesparsamkeit, aber Top wenn es um Digitalisierung geht. Da ist es bei Deutschland genau andersherum.

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