LdN 301: Eheschließung mit Auslandsbeteiligung

Sehr interessante Folge zur Digitalisierung in Deutschland. Vielen Dank dafür!

Ich habe eine kleine Anekdote zur unserer Hochzeit. Meine Frau ist Kanadierin und der ganze Vorgang heißt dann „Eheschließung mit Auslandsbeteiligung“ :wink: Natürlich geht das dann nicht einfach so, sondern sie musste neben der beglaubigten Übersetzung der Geburtsurkunde auch noch ein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen. Auf Nachfrage wurde uns erklärt, dass es Länder gibt, wo zB der Vater der Braut einer Ehe zustimmen muss. Die Kanadier lachen sich natürlich über solche Dokumentanforderungen tot und daher ist es dann notwendig, einen „Antrag auf Befreiung der Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses“ zu machen, der dann an irgendein Ober***gericht ging (weiß die genaue Bezeichnung nicht mehr). Die machen dann irgendwas - und am Ende geht dann ein Brief zum Standesamt, der sagt, dass sie heiraten darf. Das hat dann >200€ gekostet.

Ich habe mal vorsichtig den Sinn der ganzen Sache erfragt und es wurde gesagt, dass das ja auch „alles seine Richtigkeit haben“ muss… Ach ja, das ganze ging natürlich ausschließlich per Papier zwischen den Behörden. Den dicken Ordner hat die Beamtin im Standesamt allerdings wieder weggelegt, weil meine Frau ihre Staatsangehörigkeit behalten wollte.

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Also hier müsste man mal hinterfragen, wie viel Rücksicht das deutsche Recht auf derartige Rechtsordnungen nehmen sollte. Wenn eine junge Frau in Deutschland heiraten will, aber in ihrem Herkunftsland ein patriarchalisches Recht gilt, nach dem der Vater diese höchstpersönliche Lebensentscheidung an Stelle der Frau treffen darf, sollte Deutschland sich nicht nach diesem Land, in dem die Frauenrechte mit Füßen getreten werden, richten.

Wir akzeptieren letztlich genau aus diesem Grund in Deutschland auch keine Vielehen - nur, weil das in manchen Ländern erlaubt ist. Wenn’s dem Herkunftsland nicht passt, dass eine Ehe ohne Zustimmung des Vaters geschlossen hat, steht es dem Herkunftsland ja frei, diese Ehe nicht zu akzeptieren - das sollte an der Ehefähigkeit und dem Bestand der Ehe in Deutschland aber nichts ändern.

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Im Zivilrechtlichen Bereich findet ausländisches Recht recht häufig Anwendung und das nicht nur in Deutschland. Das ist weitgehende Praxis in vielen Rechtsstaaten und in Europa auch explizit kodifiziert. Für die Eheschließung gilt dabei Artikel 13 EGBGB .
Zitat: „Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen nach Artikel 13 EGBGB regelmäßig für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Ausnahmsweise kann stattdessen unter besonderen Umständen deutsches Recht Anwendung finden.“ (zu finden: https://e-justice.europa.eu/content_which_law_will_apply-340-de-de.do?member=1)

Schauen wir uns doch mal Art. 13 EGBGB direkt an (indirekte Quellen sind halt immer schon Interpretationen…)

Hier sollten noch weitere Ausnahmen hinzugefügt werden, insbesondere im Hinblick auf die Frauenrechte. Der Fall, dass der Vater zustimmungspflichtig für die Ehe ist, wäre hier zwar schon abgedeckt (wenn einer der Beteiligten Deutscher ist und versucht wurde, den Vater zu überzeugen, dieser sich aber weigert), weil das eine Unzumutbarkeit nach deutschem Recht sein sollte, dennoch würde ich mir hier mehr Deutlichkeit wünschen. Also keine Interpretationsspielräume, sondern klare Vorschriften, wie es sie auch im Hinblick auf Kinderehen gibt (siehe §13 Abs. 3 EGBGB).

Der eigentliche Sinn von § 13 EGBGB ist eher, geringfügige Unterschiede auszugleichen. In Deutschland durfte z.B. bis 2017 auch noch mit 16 Jahren (und Zustimmung der Eltern) geheiratet werden, in anderen Ländern erst (wie heute auch in Deutschland) mit 18. Solche kleinen Unterschiede wollte man offen lassen. Damit sollte jedoch nicht Tür und Tor für die Anerkennung ausländischer Regelungen geschaffen werden, die unmöglich mit unserer Rechtsordnung in Einklang zu bringen sind (Vielehe, arrangierte Ehen (die der Zustimmung der Eltern bedürfen), Kinderehen…), genau dafür gibt es ja die Ausnahmeregelungen aus § 13 Abs. 2 und 3 EGBGB.

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Ah, gut zu wissen. Danke für die Erklärung.

M.E ein guter Hinweis darauf, dass man archaische Gesellschaftspraktiken wie das Heiraten auch gleich komplett vom Staat entkoppeln könnte, um die Zuständigkeit der staatlichen Verwaltung auf tatsächlich sozial relevante Angelegenheiten zu konzentrieren.

Man muss sich auch vor Augen führen, dass die staatliche Regelung der Ehe eine Errungenschaft gegen die Kirche im Rahmen von Bismarcks Kulturkampf war (eine der wenigen Errungenschaften, die nach dem Ende des Kulturkampfes noch in Kraft blieb). Denn auch wenn die Vorstellung, dass der Staat die Ehe regelt, uns heute archaisch erscheinen mag, ist die Vorstellung, dass die Kirche alleine die Regelungen trifft, noch weit, weit negativer, weil es bei der Regelung der Ehe eben auch um tiefgreifende zivilrechtliche Aspekte geht (Erbschaft, Fürsorgepflichten usw.).

Ganz vom Staat entkoppeln lässt sich das Personenstandsrecht daher nicht, es ist nach moderner Staatsauffassung sogar ein wichtiger Teil der staatlichen Pflichten. Natürlich kann man darüber streiten, ob ein Vertrag, nach dem zwei erwachsene Menschen sich gegenseitig bis auf weiteres verpflichten, sich gegenseitig in guten wie schlechten Zeiten beizustehen, noch zeitgemäß ist - und inwiefern der Staat diese Verträge z.B. steuerlich schützen darf bzw. bestimmten Personengruppen vorenthalten darf (dh. unterschiedliche Behandlung von Lebenspartnerschaft und Ehe erlaubt sind). Aber dass der Staat diese personenstandsrechtlichen Angelegenheiten regelt - dagegen spricht aus meiner Sicht erst einmal wenig.

Zudem müsste man natürlich Art. 6 Abs. 1 GG ändern, denn der besagt nun einmal: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“, was eine gewisse Verpflichtung für den Staat birgt, das Ehe- und Familienrecht zu definieren.

Was mich interessieren würde:
Wo siehst du den Vorteil einer Entkoppelung von Heirat und Staat?

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Das kann man so sehen wie Sie und es ist sogar nachvollziehbar. Ich bin da nicht ganz so schnell. Bei der Güterabwägung sollte die Auswirkung berücksichtigt werden, die das ganze auf die internationalen Verflechtungen hat. Konkret: Wollen wir ein internationales Rechtssystem, in dem die Rechtsnormen des Staates, dem ein Mensch angehört ignoriert werden, wenn es den eigenen Werten zuwider läuft?
Ich halte es für wichtig anzuerkennen und zu berücksichtigen, dass unser Wertesystem historisch und global nur von einer Minderheit der Menschen geteilt wird.

Meine Schwester hat auch einen Ehebefähigungsnachweis benötigt als sie in Frankreich geheiratet hat um nachzuweisen, dass sie nicht schon woanders geheiratet hat.

Das hatte man ihr aber erst gesagt nachdem sie schon alle anderen Dokumente übersetzt hatte und bis sie den Nachweis hatte waren die beglaubigten Übersetzungen abgelaufen und sie konnte an ihrem Hochzeitstag nicht rechtskräftig heiraten.
Da die Verwandtschaft angereist war gab es eine Fake-Zeremonie und sie hat dann später ohne Familie tatsächlich geheiratet.

Das sehe ich durchaus ähnlich (wie an vielen anderen Stellen hier geäußert), aber die Frage ist halt:
Ist es wirklich so wichtig, dass das Institut der Ehe in allen Staaten spiegelbildlich ist?

Ich halte es einfach für relativ unproblematisch, wenn ein Staat eine Ehe zwischen einem eigenen Staatsangehörigen und einem Drittstaatsangehörigen anerkennt, der andere Staat aber eben nicht.

Wie gesagt, bei Kinderehen, Vielehen und co. wird es ja auch so gehalten. Da sagt Deutschland eben auch: „Diese Ehen erkennen wir nicht an.“ Das berührt die Bestandskraft dieser Ehen in den anderen Ländern natürlich nicht.

Selbstverständlich hat Deutschland kein Recht, z.B. die Somalier zu zwingen, die dort erlaubten Kinderehen aufzulösen. Oder die Philippinen zu zwingen, dort keine Vielehen mehr zuzulassen. Das steht uns nicht zu, weil wir kein Recht haben, diesen Ländern unsere Werte aufzuzwingen.

Aber wenn ein Mensch aus einem anderen Land einen deutschen Staatsbürger vor dem deutschen Recht heiraten will, sollte dies stets auch möglich sein. Das andere Land kann ja entscheiden, diese Ehe im eigenen Rechtssystem dann nicht anzuerkennen - das sollte aber eben keine Auswirkung auf die Ehe in Deutschland haben.

Die internationale zivilrechtliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen, die sich aus Personenstandssachen ergeben, ist dann natürlich schwieriger - aber das ist immer noch besser, als die Ehe nach deutschem Recht erst gar nicht zuzulassen. Auf das Risiko der mangelnden Durchsetzbarkeit von z.B. Unterhaltsansprüchen, wenn der Ehepartner sich in sein die Ehe nicht anerkennendes Herkunftsland absetzt, muss im Zweifel halt vom Standesbeamten hingewiesen werden.

Kurzum:
Ich bin schlicht der Meinung, dass sich das deutsche Eherecht durchaus rein nach unseren Werten und vor allem Grundrechten richten sollte.

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Gratulation dass es bei Dir vergleichsweise „einfach“ ging. Als ich vor 22 Jahren meine italienische Freundin geheiratet habe musste ich die Iteration „Du bringst ein Formular zum Standesamt und erfährst dann, dass Formular X auch noch fehlt“ mehrfach durchspielen. Ja, inklusive Ehefähigkeitszeugnis, welches mir einen Ausflug nach Italien zur Stadtverwaltung eingebracht hatte und dann vom Konsulat hier wieder nach Italien zurückgeschickt wurde weil es ja das Konsulat nichts anginge. Ich war bis zum Morgen meiner Hochzeit am Zittern, ob ich tatsächlich alle „Papiere“ hatte und der Eheschließungsprozess fand dann nur statt, weil meine Schwester die auch mal mit einem Italiener verheiratet war spontan als „Übersetzter“ einspringen konnte.

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Interessanter Punkt. Da habe ich entweder nicht richtig aufgepasst oder die Standesbeamtin hat diesen Punkt nicht genannt.

Ich muss zugeben, dass die Stimmung auch etwas gekippt ist, nachdem ich lachen musste, als das Wortungetüm „Antrag auf Befreiung der Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses“ fiel. :wink:

Bei mir im Kopf entstand direkt das Bild eines Schulzeugnis mit Benotung irgendwelcher Fähigkeiten.