Nein. Persönlich finde ich es völlig OK (weil menschlich), ab und zu mal zu meckern / jammern. Und das bleibt auch legitim vor dem Hintergrund, dass unser Lebensstil ein besserer ist als auf dem Großteil des Globus. Im Umkehrschluss - hast du nämlich Recht - würde das bedeuten, Beschweren ist grundsätzlich verboten, weil es immer jemanden gibt, dem es schlechter geht.
Ich glaube auch das Problem, das viele mit deinen Aussagen haben liegt woanders.
Unser aller Solidarität reicht nicht besonders weit. Wie wir hier schon zuhauf diskutiert haben, ist sie z.B. weitgehend abwesend im Syrien- oder im Jemen-Konflikt. Natürlich stimmt es schon dass uns die Ukrainer sozial „näher“ sein könnten, als die Betroffenen vieler anderer Konflikte. Unser massives Eingreifen in den Ukraine-Konflikt in erster Linie unter „Solidarität“ zu verbuchen wäre aber unehrlich. In Wirklichkeit wird hier in erster Linie unser ureigenes, auch egoistisches Interesse verfolgt, Russland in die Schranken zu weisen, um eine globalen Entwicklung zu verhindern, die nicht in unserem Interesse sein kann. Um das wiederum zu erreichen, sind die Unterstützung der Ukraine und das Standhalten gegenüber Russlands „Gasentzug“ ganz wichtige Faktoren.
Und hier liegt denke ich dein Fehlschluss. Du setzt voraus, dass – wenn wir uns aus dem Konflikt zurückziehen – alles wieder wird wie vorher. Dass die Ukraine vielleicht von Russland eingenommen wird, die ggf. neue internationale Ordnung aber keinen Einfluss auf unser persönliches Leben haben wird. Diese Annahme kann niemand widerlegen, sie wird aber von doch sehr vielen Experten in diesem Konflikt stark bezweifelt.
Wenn diese Experten Recht haben, dann ist die Idee, Russland nachzugeben, um endlich wieder Erdgas zu bekommen in etwa so, wie wenn ich aufhöre Wasser aus einem untergehenden Boot mit einem Leck zu schöpfen, weil es so anstrengend ist.
Was man wiederum zu Recht kritisieren kann ist, dass diese besondere Last gerecht auf alle Schultern verteilt werden muss, wenn sie effektiv gestemmt werden soll. Man muss sich nur klar, machen, dass sie integral nicht verringert werden kann. Und der Reflex ist meist da, dass jeder da auf jemanden zeigt, der noch mehr verdient als er selbst und am Ende niemand mehr übrig bleibt. Natürlich wäre es „gerechter“, wenn es hier zu einer signifikanten Umverteilung innerhalb der Gesellschaft käme, aber man muss auch vor Augen haben, was realpolitisch (insbesondere kurzfristig) realistisch erreichbar ist. Daher ist es fair, hier für einen Lastenausgleich zu werben und zu kämpfen, aber es wäre naiv, damit zu rechnen, dass man vollständig entlastet wird und es wäre (im ureigenen Interesse) unklug, sich nicht auf eine größere Belastung vorzubereiten.