LdN 288: Komplizierte Besteuerung eines US-Staatsbürgers mit Wohnsitz in Deutschland

In der aktuellsten Folge LdN wurde eine Staatsangehörigkeit-gebundene Besteuerung des Vermögens kurz erwähnt, mit Blick auf die USA als Beispiel. Zunächst sollte ich sagen: ich finde die Idee einer Vermögenssteuer grundsätzlich gut, und auch natürlich solche Ideen wie „Geldwäscherei und Steuerhinterziehung sollten verhindert werden“ usw usf, Themen die oft mit dieser Frage verbunden sind. Diese Themen will ich jedoch hiermit nicht eingehen, sondern folgendes: man sollte dabei diejenigen nicht vergessen, die ihr Land verlassen haben – aber trotzdem die alte Staatsangehörigkeit gehalten haben.

Ich zum Beispiel bin in den USA geboren worden und auch dort aufgewachsen. Hatte seit mehreren Jahren den Gedanken gehabt, nach Deutschland zu ziehen, und April 2021 hab ich sozusagen den Traum endlich in Erfüllung gebracht und bin mit Anfang 30 nach Berlin gekommen. Also hab ich schon etwa 10 Berufsjahren hinter mir, Kreditwürdigkeit in den USA gut aufgebaut, Altersfürsorge verantwortungsvoll hingelegt, zum Glück dort relativ gut verdient, etc. Also zusammengefasst: ich habe schon quasi ein ganzes finanzielles Leben hinter mir, was schon ziemlich viel Mühe gebraucht hat. Aber als ich nach Deutschland gezogen bin, wurde es mindestens zehnmal komplizierter.

Die USA gilt als eins der zwei Länder dieser Welt, die das Einkommen auch besteuern, wenn man keinen Wohnsitz in den USA mehr hat. Na gut, es gibt auch zwischenstaatliche Verträge, die eine Doppelsteuerung verhindern sollen, das ist aber nicht immer der Fall, und abgesehen davon muss man doch trotzdem die Steuererklärung machen oder machen lassen. Und das kann extrem kompliziert sein, selbst die Fristen sind super verwirrend. In meinem Fall musste ich erstmal das FBAR („Foreign bank account report“) Formular ausfüllen. Die Frist dieses Formular ist mir bis zum heutigen Tag unklar, ob es am 18.04. abgegeben sein muss oder am 18.06. Egal, schon erledigt. Als nächstes muss ich die deutsche Steuererklärung machen bzw machen lassen, da ich die für die US Steuererklärung brauche. Hier sind die Fristen schon wieder verwirrend, am 01.08. muss die deutsche abgegeben werden, aber ab 18.06 die amerikansche. Aber wie gesagt brauche ich ja die deutsche für die amerikanische, also… Und obendrauf, da ich Anfang 2021 noch in Kalifornien wohnte, muss ich auch die Kalifornische abgeben – und diese muss nach oder im besten Fall mit der US Steuererklärung abgegeben werden. Gott sei dank ist irgendwelcher kluger Typ auf die Idee gekommen, dass diese auch dieselbe Frist wie die bundesweite haben soll, aber boah ist das ganze richtig stressig. Lange Rede kurzer Sinn: selbst wenn ich hoffentlich keine weitere Steuern zahlen muss, ist es extrem aufwändig das ganze hinzukriegen. Das bringt also eine super große Last mit sich und ist zutiefst erschöpfend.

Diese Last ist sogar so groß, dass die meisten US-BürgerInnen, die ihre Staatsbürgerschaften abgeben wollen, genau diesen Grund dafür haben. Man muss aber dabei beachten, dass man diesen Grund nie offiziel erwähnt, weil, laut dem heutigen Gesetz, ausgerechtet diejenigen die aus steuerlichen Grunden ihren US Pass abgegeben haben von der Grenze zurückgeschickt werden dürfen, und das könnte dann heißen, nie wieder die Familie besuchen zu dürfen und so. Ach ja, und, by the way, dafür gibt’s auch ne mehrjährige Wartezeit und man muss noch mehrere tausend US-Dollar bezahlen, um das ganze durchzuführen.

Also gut, ich hab jetzt fast nen ganzen Roman geschrieben, sollte vielleicht zum Punkt kommen. Viele Menschen die ihr Land verlassen, haben einen guten Grund dafür. Vielleicht wollen sie nur temporär woandershin, ein Austauschprogramm machen oder so. Oder vielleicht sind sie Menschen wie ich, die sich nie wirklich wie zu Hause im Land der Geburt gefühlt haben, also Menschen auf Heimatsuche. Egal welchen Grund man dafür hat, wenn man das Geburtsland verlässt, ist es schon eine ziemlich krasse Bürde. Steuerlücken sollten geschlossen werden, eine Vermögenssteuer fände ich cool, alles klar! Aber bitte dabei nicht die Lage noch schwieriger machen, für diejenigen, die es schon schwer genug haben.

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Die Gesetzte und Verfahren sind ja nicht grundlos so aufwendig. Es gibt halt massenhaft Personen und Unternehmen, die zwar völlig selbstverständlich staatliche Leistungen und Infrastruktur nutzen aber die Kosten dafür in keiner Weise zahlen wollen.

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In deinem Fall ist das sicherlich nachvollziehbar. Und ja, ich hatte Fälle, dass Mandanten in die Schweiz ausgewandert sind und noch ein Haus in Deutschland vermietet war, wo dann in der Schweiz Fristen einzuhalten waren. Und das Finanzamt reagiert eher selten kooperativ, wenn man mal freundlich nachfragt, ob die eigene Steuererklärung vorgezogen werden kann.

Es gibt aber auch die anderen Fälle, prominent Herr Müller (der mit der Ecke) oder auch die deutschen Formel1-Fahrer, von denen niemand mehr in Deutschland gemeldet ist. Herr Müller erklärte sogar, dass das sein Protest gegen die viel zu hohe Erbschaftsteuer sei. Eine weltweite Besteuerung würde dieser Steuerflucht einen Riegel vorschieben.

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Wie gesagt gibt’s ja selbstverständlich ein Problem mit Steuerhinterziehung was eingegangen werden sollte. Aber dass die Gesetzte und Verfahren nicht „grundlos“ kompliziert sind, heißt schon längst nicht, dass sie effektiv und gezielt sind. Und genau deswegen wollte ich nen Kommentar schreiben – wenn man die USA als Muster nutzen will, dann sollte man auch verstehen dass die Gesetze die es da schon gibt eigentlich relativ kontrovers sind, weil sie einfach nicht so gut funktionieren und mega viel Kollateralschaden verursachen. Wegen dieses FATCA Gesetzes, zum Beispiel, wollen viele Banken US-Personen keine Konten anbieten, oder kündigen sogar alle schon existierende Konten von US-Personen. Wenn so viele Unschuldige davon betroffen werden, wenn das Gesetz in den USA als nicht so effektiv betrachtet wird und diejenigen die wirklich Steuerhinterziehung begehen wollen sowieso oft andere Wege haben das zu tun, dann sollte man sich das vielleicht ein bisschen kritischer ansehen oder?