LdN283: Rechtsextreme Schöffen, Wahl zum Schöffenamt

Hallo ihr zwei,

ich habe zwei Rückmeldungen zum Thema „rechtsextreme Richter und Schöffen“.

Zum einen schwebt auch für Schöffen der Verbrechenstatbestand der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) über deren ehrenamtliche Tätigkeit. Hier ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Schöffen strafrechtlich belangt werden, wenn sie ggf. durch kollusives Zusammenwirken eine Entscheidung in ihrem Sinne rechtswidrig beeinflussen. Täter einer Rechtsbeugung ist grundsätzlich, wer der rechtsbeugenden Entscheidung zustimmt, ohne dass die Stimme maßgeblich entscheidend sein muss. Das Beratungsgeheimnis steht dem Erfolg eines Strafverfahrens nicht entgegen. Denn jedenfalls der Berufsrichter kann eine Rechtsbeugung zur Anzeige bringen und sich im Ermittlungsverfahren zu den Vorgängen während den Beratungen äußern.

Die zweite Rückmeldung bezieht sich auf die Einsatzhäufigkeit von Schöffen. In der Folge kam es für mich so an, als würden Schöffen nur ein- bis zweimal im Jahr eingesetzt werden. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig so. Zunächst hängt es davon ab, ob man Hauptschöffe oder Hilfsschöffe ist. Einfluss darauf hat man selbst nicht. Als Hauptschöffe wird man regelmäßig verplant. Hilfsschöffen kommen dann zum Einsatz, wenn ein Hauptschöffe verhindert ist. Dann spielt eine Rolle, wo man eingesetzt wird. Auch hier hat man keinen Einfluss darauf, an welchem Gericht bzw. in welcher Kammer man eingesetzt wird. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man sich für die 5-jährige Tätigkeit interessiert.

Ich war selbst Hauptschöffe für eine Wahlperiode und unter anderem in einer kleinen Strafkammer am örtlichen Landgericht eingesetzt. In diesem Rahmen wurde ich alle 3 Wochen für einen Sitzungstag verplant und wurde entsprechend häufig auch eingesetzt. Folgetermine sind hier noch nicht berücksichtigt; diese kommen noch hinzu. In umfangreicheren Verfahren, etwa in großen Strafkammern, kann es auch zu monatelangen Hauptverhandlungen kommen, bei denen man mehrmals in der Woche bei Gericht erscheinen muss.

Dennoch war die Erfahrung im Schöffenamt für mich gleichwohl positiv. Die Eindrücke, die ich gesammelt hatte, waren letztendlich auch Teil meiner Entscheidung, ein Jurastudium und das Referendariat zu absolvieren.

Dankeschön für eure unermüdliche journalistische Arbeit.

Ron

3 „Gefällt mir“

Oh, das ist natürlich eine andere Hausnummer - Danke für den Einblick.

Trotzdem interessant, für Berlin Friedrichshain kann ich aber nur veraltete Seiten finden, die die Bewerbungsfrist „Ende 2017/Anfang 20218“ für die Periode 2019-2023 ankündigen: Schöffenamt - Berlin.de

Hat jemand aktuellere Informationen?

Es gibt den Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter e.V. (https://www.schoeffen.de), in dem verschiedene Landesverbände organisiert sind, u.a. auch der für Berlin/Brandenburg. Dieser wiederum hat eine recht gute FAQ-Seite (BehR – Landesverband Brandenburg und Berlin e.V.). Darin wird bereits die Wahlperiode 2024-2028 in Aussicht gestellt. Danach soll zu Beginn des Jahres 2023 ein Aufruf der Gemeinden zur Interessenbekundung starten.

Danke für den klärenden Einblick. Ich konnte mir nach der Folge keinen Reim darauf machen, wie man gleichberechtigt mit einem Richter eine Entscheidung in Strafsachen fällen kann ohne am gesamte Verfahren beteiligt zu sein.

Es erscheint mir extrem unplausibel, dass man mit ein/zwei Tagen im Jahr Schöffe sein kann. Wie bringt man denn mehrmalige Gerichtsverhandlungen pro Woche in seinem Alltag unter? Das ist doch nicht möglich ohne Abstriche beim Beruf oder der Familie?

Ja, es ist in der Tat so, dass man während der gesamten Hauptverhandlung anwesend sein muss. Also vom Aufruf der Sache bis zur Urteilsverkündung/-begründung. Das kann eben auch mal in einem Verfahren über mehrere Tage gehen.

Das mit den mehreren Verhandlungen pro Woche ist sicher die Ausnahme. Aber selbst der 3-Wochen-Rhythmus bei mir kann für den einen oder anderen herausfordernd sein. Ich hatte zu der Zeit damals eine Teilzeittätigkeit. Da ging das mit dem Zeitaufwand. Der Arbeitgeber muss einen freistellen. Für die Zeit der Freistellung erhält man wiederum kein Gehalt. Dieser Verdienstausfall wird durch das Bundesland ersetzt.

Das Familienleben hatte keine Einschränkungen erfahren. Ich wäre zu der Zeit des Schöffendienstes ja auf Arbeit.

1 „Gefällt mir“

Ich habe mir nach der LdN Folge auch überlegt, mich zu bewerben für das Schöffenamt. Allerdings bin ich angestellt in Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit. Dies scheint noch ein grauer Fleck in der Rechtssprechung zu sein. Hat damit jemand bereits Erfahrungen?
Ein Verdienstausfall bzw. Nacharbeiten in dem Ausmaß wäre für mich nicht tragbar.

Kann sich ein Arbeitgeber auch dann auf das von Ihnen unter „Arbeitgeber“ erwähnte BAG-Urteil berufen und die Nacharbeit der kompletten Zeit bei Gericht fordern, wenn eine Gleitzeitregelung ohne Kernzeit besteht?

Es sind bereits erste Fälle bekannt, in denen sich Arbeitgeber bei dieser Arbeitszeitregelung auf das Urteil des BAG berufen. Das BAG hat lediglich über die „normale“ Aufteilung zwischen Kern- und Gleitzeit, nicht jedoch über eine gleitende Arbeitszeit ohne Kernzeit entschieden. Wenn das Urteil auch auf diese Fallgestaltung angewendet würde, wäre der Schutz des § 45 Abs. 1a DRiG vollends beseitigt.
Quelle: Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, Landesverband Bayern e.V. - Häufige Fragen

Bei gleitender Arbeitszeit hält die Rechtsprechung des Bundesarbeits- wie des Bundesverwaltungsgerichts für zulässig, nur die Kernzeit als entschuldigt auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben und dem Schöffen zuzumuten, die in die Gleitzeit fallende Abwesenheit nachzuarbeiten. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (§ 45 Abs. 1a DRiG), der jede Benachteiligung untersagt, nimmt diese Rechtsprechung in Kauf, dass dadurch Schöffen zu Doppelarbeit herangezogen werden im Vergleich zu Mitarbeitern, die keinen ehrenamtlichen Richterdienst leisten. Die Rechtsprechung beruht auf der Fassung des § 29 TVöD und wird inzwischen nahtlos auf andere Tarifverträge übertragen und auf die flexible Arbeitszeit, bei der es überhaupt keine Kernzeit mit Pflicht zur Präsenz mehr gibt. Die Rechtsprechung behilft sich mit der schlichten Feststellung, dass ehrenamtlichen Richtern eine solche Aufopferung zumutbar ist, ohne je begründet zu haben, auf welcher Grundlage diese – vom Gesetz eigentlich nicht vorgesehene – Aufopferung beruht, und in welchem Verhältnis sie zu der gesetzlichen Regelung das Technische Hilfswerk betreffend steht, nach dem die Ehrenamtlichen des THW einen Entgelt-Fortzahlungsanspruch gegen ihren Arbeitgeber haben, der wiederum einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Träger des THW geltend machen kann. Hier besteht gesetzgeberischer Nachholbedarf.
Quelle: Schutzrechte - Schöffenwahl 2023 . - Schöffe werden!

3 „Gefällt mir“

Ich habe mich nach dem Aufruf in der LdN (allerdings in einer älteren Folge) auch beworben gehabt…

Habe mich mal bei anderen Schöffen erkundigt wie das mit dem Verdienstausfall geregelt ist. Das ist wohl ein ziemlicher Clusterf*ck und extrem bescheiden gelöst.

Bin daher auch am überlegen, ob ich das wieder zurückziehe…

1 „Gefällt mir“

Nach Eurer Aufforderung wollte ich mich sofort melden, musste aber zu meinem Bedauern feststellen, dass ich nicht angenommen werde, weil ich schon über 70 bin. Dann habe ich an das bayerische, das Bundesjustizministerium geschrieben und mich wegen Altersdiskriminierung beschwert. Immerhin darf ich noch Autofahren ohne Prüfung, obwohl ich seit 25 Jahren gar kein Auto mehr habe. Herr Schäuble darf noch mit 80 Jahren über das Schicksal der Nation entscheiden. Bayern hat mir geschrieben, man habe diese Regelung u.a. schon im Bundesrat verändern wollen, habe aber keine Mehrheiten dafür gefunden. Und der Beauftragte von Herrn Wissing hat die Vorschrift referiert und erläutert, man brauche dafür eben hohe geistige Kapazitäten, die im Alter nicht mehr so gegeben sein könnten. Und jetzt?

1 „Gefällt mir“

Der Bundesjustizminister heißt Buschmann. Wissing ist der Bundesverkehrsminister. Oder wolltest du dich beschweren, dass du noch Auto fahren dürftest? :smirk:

Tatsächlich ist das ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass bei den meisten Leuten – wenn sie nicht vorher versterben – irgendwann dieser Zeitpunkt kommt. Und in 5 Jahren Amtszeit kann sich da oft viel tun.

Nee, natürlich hast du recht - aber vielleicht verwechsele ich die beiden ja wegen der vergleichbaren Kompetenz?

Das Argument würde dann aber auch für das uneingeschränkte passive Wahlrecht für die Parlamente gelten. Oder sollte der achtzigjährige Abgeordnete Schäuble die einzige geistige Kapazität sein, bei der nicht mit kognitivem Abbau zu rechnen ist?

1 „Gefällt mir“

Das sind politische Ämter. Ich persönlich würde keine Partei wählen, die einen Schäuble aufstellt, aber andere Leute tun’s halt. Wenn der jetzt aber auf einmal Alzheimer bekommen würde und vorne als Bundestagspräsident unzusammenhängendes Zeugs labert, dann gäbe es unkomplizierte Möglichkeiten, ihn in seinem Amt zu ersetzen. Wahrscheinlich würden ihm sogar seine Partei und seine Fraktion einen würdevollen Rücktritt nahelegen, aber wenn er darauf nicht hört, wäre er halt bloß noch einfacher Abgeordneter und damit nicht alleine verantwortlich für das Schicksal von Menschen.

Schöffen sind dagegen als eine Art Richter grundsätzlich vor politischer Einflussnahme geschützt, d.h. es müsste vermutlich ein förmliches Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden, mit Gutachten usw. Und da das Durchschnittsalter von Schöffen sowieso über dem der Bevölkerung liegt, u.a. weil Rentner mehr Zeit für so etwas haben, würde das vermutlich nicht bloß ganz seltene Einzelfälle betreffen, sondern regelmäßig vorkommen.

Ich habe eben im Podcast ein Interview mit einer Schöffin gehört. Für die, die es interessiert: Interview mit Schöffin

2 „Gefällt mir“

Lieber otzenpunk,
Schöffen absetzen geht viel einfacher: Du hast einen spezifischen Tag im Monat - jeden ersten Mittwoch oder so. Als ich eine junge Frau war, haben meine Mitschöffin und ich den Richter - weil zu streng - überstimmt. Da hat die Richter:in an unserem Tag einfach Einzelrichtertermin angesetzt und wir kamen in diesem Jahr nicht mehr und schon gar nicht zusammen dran.
Und dass überproportional viele Rentner:innen sich melden, liegt an der lächerlichen Entschädigung. Das kann man sich als Mitglied der arbeitenden Bevölkerung einfach nicht leisten!

Vielen Dank für den Hinweis, habe das Interview gerade gehört.
Hoffentlich ist das SchöffInnen-Amt auch in Bremen mit einem Vollzeit-Job vereinbar, bei der Einführung werde ich es erfahren.

1 „Gefällt mir“

Ich finde es interessant, dass es bei uns gar keine Einführung gibt.

Ich bin auch zum Hauptschöffen in der Jugendkammer des Landgerichts berufen worden (heute die Post bekommen), aber außer zwei Merkblättern und der Anmerkung, dass man vor der ersten Verhandlung vom Richter vereidigt wird, gibt es scheinbar keine Vorbereitung. Sehr interessant, wie unterschiedlich die verschiedenen Landgerichte das handhaben.