LdN 276: alternative Bauweise von Windrädern - Generator am Boden

In der ZEIT bin ich auf folgenden interessanten Artikel gestoßen: ZEIT ONLINE | Lesen Sie zeit.de mit Werbung oder im PUR-Abo. Sie haben die Wahl.
Es geht um die Ideen eines 91jährigen Ingenieurs und Tüftlers, der seit Jahren versucht, seine Ideen zur Windkraft umzusetzen.

Der Artikel behandelt den Vorschlag, Windräder so zu konstruieren, dass sich der Generator am Boden befindet, während die Kraft der Rotorblätter über einen Riemen nach unten zum Generator übertragen wird. Hierdurch soll nach meinem Verständnis ermöglicht werden, die Windräder mindestens doppelt so hoch wie aktuell zu bauen, d.h. im konkreten Fall 250m von der Nabe bis zum Boden, um sich die dortigen Höhenwinde zunutze zu machen, da eine Flaute hier seltener sein soll. Nach Aussage des Konstrukteurs soll dadurch die Leistungsfähigkeit ggü. einem normalen Windrad verdoppelt werden können. Da der Generator am Boden stationiert ist, wäre die Wartung auch einfacher.

Gibt es hier Leute, die die technische Machbarkeit dieser Idee beurteilen können? Ein Riemen zur Kraftübertragung erscheint mir zunächst merkwürdig. Was wäre mit einer gewöhnlichen Antriebswelle von oben nach unten? Wie aufwändig wäre die Stabilisierung eines solch hohen Windrades? Halten Sie dieses Projekt für realisierbar? Mittlerweile scheint der Konstrukteur einen Investor gewonnen zu haben und das Projekt befindet sich in der Umsetzung. Ich frage mich, warum das - für den Fall der technischen Umsetzbarkeit - so lange gedauert hat. (Doch wohl nicht wegen der 10h Regel :smile:)

Ich bin immer vorsichtig, wenn ein einsame Tüftler irgendwo viel klüger als die anderen ist. Allerdings auch nur, weil man im Uni-Betrieb immer mal wieder selbsternannte einsame Tüftler trifft, die einem lang und breit und jederzeit erklären möchten, wieso Einstein sich geirrt hat.

Vielleicht ist also was dran. Die meisten Tüftler finden schließlich keine Investoren.

Passend zum Titel habe ich noch diese Quelle aufgetan:

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Ehrlich gesagt hört es sich ziemlich sportlich an, mehrere MW Leistung über einen Riemen mehrere hundert Meter zu übertragen. Eine >200m lange Welle, die solche Drehmomente übertragen soll, stelle ich mich ähnlich schwierig vor. Von Schwingungsproblemen gar nicht zu sprechen. Man könnte natürlich mehrere „Zwischenstationen“ einführen. Wie auch immer man die mechanische Übertragung realisiert – wenn sie denn technisch möglich ist - die Frage ist, ob die mechanischen Verluste über solche Wegstrecken nicht irgendwann so hoch werden, dass sich das Konzept deswegen nicht mehr lohnt. Die Frage wäre auch, ob die Bauhöhe tatsächlich primär durch die Gondel limitiert wird, oder ob da nicht sehr schnell auch andere begrenzende Faktoren wichtig werden.

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Das ist ja komplett Abstrus.

Sowohl Riemen als auch die zentrale Welle müssen sich an die Regeln der Physik halten und da sind die anderen Konzepte besser dran.

Was man allerdings überdenken kann sind Vertikalwindkraftanlagen(H-Rotor), da könnte mit ein wenig F&E noch einiges gehen.

Es gibt da ne Firma (Agile-Windpower) die bauen immerhin eine 750kW VWKA

Speziell für das Offshore Gebiet. Könnten sich Parks aus VWKA lohnen.
Es gab da Paper (suche ich gleich mal) die zeigen das Windparks aus VWKA nicht nur unter einem verringertem WAKE-Effekt(Verlust durch eigene Windschatten) leiden, sondern ganz im Gegenteil, bei einer Anordnung in 45° zu einander versetzten Reihen, sogar davon profitieren.

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Ich hab als Student mal an den Dingern „geforscht“. Allerdings vor allem im Bereich Aerodynamik. Da ist der Nachteil, dass durch die Bauweise zyklisch ein Flügel durch den Nachlauf des anderen wandert und der Anstellwinkel sich über die Zeit ändert. Das führt dazu, dass ich die Aerodynamik grundsätzlich instationär bewerten muss und so Phänomene wie „dynamic stall“ auftreten und je nach Betriebszustand jede Menge Ärger machen können. Im Gegensatz dazu kann man die Horizontalachser stationär bewerten, was die Sache extrem vereinfacht und auch weniger kritische Betriebszustände liefert.

Auch wenn ich die Bauweise grundsätzlich sympathisch finde: m.E. ist sie vor allem für den kleinen Leistungsbereich sinnvoll / ökonomisch. Im hier betrachteten Fall geht es ja aber darum, wie ich die Leistung gegenüber bisherigen Bauweisen noch weiter steigern kann, indem ich die Anlage noch höher baue und die größeren Windgeschwindigkeiten ausnutze. Da würde ich die Vertikalachser klar im Nachteil sehen – denn je höher die Anlagen werden, desto länger wird die Welle und ich laufe in ähnliche Probleme, wie Herr Bendix…

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Genau, aus dem gleiche Grund, hatte ich beim Lesen auch eine gewisse Grundskepsis. Danke für den Artikel!

Ich glaube, es gehört zum Standardrepertoire einer Zeitung, einmal im Monat eine Story über einen Opa Kowalski zu bringen, der in seinem Hobbykeller irre Erfindungen macht, die aber von bösen Konzernmächten unterdrückt werden.
Eine Seite weiter dann irgendwas mit Katzenbabys

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Vielen Dank für die Einschätzung!

Bei der Länge einer solchen Antriebswelle musste ich direkt an Bohrer denken, mit denen man mehrere hundert Meter tief bohrt :sweat_smile: z.B. der Schramm T130, mit dem 2010 das Loch für die Rettung der verschütteten chilenischen Bergleute gebohrt wurde. Beim Windrad dürften Kräfte ja nochmal deutlich höher sein.

Nur damit man meinen Post nicht missversteht: so würde ich die Arbeit von Horst Bendix nicht einschätzen. Ich habe den Eindruck das ist jemand, der voll bei Verstand ist und genau weiß, was er tut. Ich finde die Idee auch ziemlich intelligent und sehr spannend.

Ich würde mir im Übrigen nicht zutrauen, die Idee in ein / zwei Stunden technisch zu wiederlegen (vielleicht in 100-200 Stunden). Ich halte es nur aus den genannten Gründen für sehr unwahrscheinlich, dass es funktioniert.

In jedem Fall ist mir so ein Rentner viel sympathischer, als einer, der seine Nachbarn verklagt, Kreuzfahrten macht, oder mit den immer selben Weisheiten seine Enkel belehrt. Ich meine: was gibt es cooleres, als wenn jemand mit 91 Jahren noch anfängt, völlig visionäre (und sinnvolle) Ideen zu entwickeln?

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Sorry, ich wollte auch nicht zu sehr nörgeln. Es sind auch meistens echt liebenswerte Typen. Aber bei der Häufigkeit, gehts bei den Geschichten wohl auch immer um Unterhaltung.

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In der Lage wurde von Stahlseilen berichtet, die zur Stabilisierung dienen. Grundsätzlich kann man statt einem Keilriemen auch sein Stahlseil verwenden (Aufzüge, Schachtförderanlagen). Dann hätte man das stabilisierende Element gleich zur Kraftübertragung genutzt. Ob das dann mit Spannung und Kraftübertragung passt, ist eine andere Frage. Dazu kommt noch, dass man einen Backup-Plan benötigt, falls so ein Seil reißt.
Ein Dreibein statt einem einzelnem Turm ist auf jeden Fall eine gute Idee. Da steht ja auch, dass eine Firma da Ding bauen will, von daher denke ich, dass da schon etwas sinnvoll dahintersteckt, auch wenn der Artikel da keine Rückschlüsse zulässt.

Interessanter Gedanke! Ein Durchrutschen des Stahlseils ließe sich ja verhindern. Anderes Bsp. wären auch Ski-Lifte.

Ich halte es allerdings für problematisch, dass Antriebs-Stahlseil dann gleichzeit auch zur Stabillisierung zu verwenden. An den Verankerungen der Stabilisierungs-Seile im Boden werden enorme Kräfte anliegen. Benutzte man das Antriebsseil zur Stabilierung, lägen diese Kräfte an der unteren Riemenscheibe an, die mit dem Generator verbunden ist. D.h. dass die Riemen(scheibenbefestigung) bzw. der Generator selbst sehr sehr fest im Boden verankert und an sich extreme Zugkräfte aushalten müssten. Ich bezweifle, dass man solche Generatoren bzw. Riemenscheiben(halterungen) kostengünstig bauen kann, jedenfalls dürfte es technisch keinen Sinn machen. Außerdem wäre der Verschleiß an Stahlseil und Riemenscheibe enorm. Ich bin aber hier kein Experte, ist nur eine laienhafte Vermutung. Außerdem müsste man beim Wechseln der Riemenscheibe das Windrad kurzzeitig instabilisieren.

Nota bene: Was passieren kann, wenn ein Befestigungsstahlseil reißt, belegt dieser Artikel Eingestürztes Windrad in Haltern: Experte sieht zwei mögliche Ursachen

Ich hätte gesagt, dass Stahlseile zwar gut für die Übertragung von Zuglasten (siehe Aufzug, wo das Seil ja nur umlenken muss) aber nicht für die Übertragung von Drehmomenten geeignet sind. Das Seil müsste ja nur durch Reibung die Last aufnehmen können.

Wenn man bei dem Windrad mal 200m Rotor Durchmesser annimmt, 10MW Leistung, eine Blattspitzenmachzahl von max. 0,4 → Drehzahl <= 17 U/min, dann muss immerhin ein Drehmoment von > 5600 kNm übertragen werden. Wenn die Gondel weg soll, dann gibt es oben auch kein Getriebe. Die Modelle vom Bendix’schen Windrad sehen so aus, dass das Rad, auf dem der Riemen an der Turmspitze läuft, etwa 10% des Rotordurchmessers hat (= ~20m). Viel mehr macht vielleicht auch keinen Sinn, sonst verspielt man irgendwann den Gewichtsvorteil, den man durch das Weglassen der Gondel bekommen hat.

Das Stahlseil muss dann immerhin knapp 60t Zugkraft übertragen. Und wenn man von einem Reibungskoeffizienten von 0,2 ausgeht, müsste man das Stahlseil immerhin mit knapp 300t vorspannen. Diese ganzen Kräfte müssen die Lager des Rotors dann ja noch zusätzlich aufnehmen (dürfte mehr sein als das Eigengewicht des Rotors). So ein Riemen müsste m.E. schon eine ziemliche Hightech-Kombination aus stabiler formschlüssiger Verbindung und zugbelastbarer Faser sein, dann könnte man zumindest die Vorspannkraft unter 100t drücken. Aber eine Challenge dürfte es definitiv werden, den lastabhängig vorzuspannen, die Längung (über mehrere hundert Meter Turmlänge bei zig Tonnen Last) zu beachten und so zu führen, dass er nicht zu schwingen beginnt, dabei aber auch nicht beliebig viele Umlenkverluste entstehen.

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So vollkommen komplett abgedreht ist der Ansatz nicht. Meine Firma war mal in der Windkraft Technik unterwegs und wir haben das mal untersucht. Nach genauerer Betrachtung der Konzern-Forschung wurde es aber verworfen. Leider kann ich mich nicht mehr an die Gründe erinnern.
Auch die Kraft über Hydraulik nach unten zu leiten wurde durchgerechnet. Am Ende blieb es beim Getriebe in luftiger Höhe.

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Ich kann hier noch etwas nachtragen. Lustigerweise habe ich heute einen neuen hier im Forum „vermittelten“ Podcast (Forschergeist) gehört, ein Interview mit Rafael Laguna der die Bundesagentur für Sprunginnovationen leitet. Da wird doch tatsächlich ein Projekt für Höhen-Wind-Anlagen mit zig Millionen gefördert, mit genau dem Ansatz die Kraft aus der Gondel mit Seilen nach unten zu bringen.

Das ist doch die Story und der Investor, der schon im ersten Artikel genannt wird, oder?

Ja genau, auf den Gedanken wäre ich überhaupt nicht gekommen, liegt wohl eher an meinem Gedächtnis.
Eine neue und zusätzliche Information (für mich) is jetzt, dass es nicht die spinnerte Idee eines eremitierten Ingenieurs ist über den Journalisten berichten und der irgendwelche Investoren gefunden wurden. Statt dessen handelt es sich um eine von fünf sogenannten „Sprunginnovationen“ handelt Die Voraussetzung dazu ist, dass es eine Disruption ist. Der Staat treibt hier ziemlichen Aufwand mit vielen beschlagenen Experten und investiert die nächste Jahre eine Milliarde (nicht nur in dieses Projekt)

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Hallo,

am Beginn dachte ich auch es wäre einfacher den Generator zum Boden zu verlegen. Ist ja über Hydraulik recht einfach möglich und würde bei einem Windpark Generatoren und damit Material und seltene Erden usw. einsparen.
Nach meinen Überlegungen würde man etwas Spitzenleistung und Leistung einbüßen.

Mein erster Gedanke war das man den „Turm“ dann einfacher machen könnte weil ja der Generator recht schwer ist. Dem ist aber nicht so, die Hauptlast ist nicht die statische Last des Gewichts des Generators sondern die dynamische Windlast durch den Rotor.

Mein Stand bei dem ich dann aufgehört habe wäre die Idee den Generator nicht oben in der Kanzel starr sondern in halber Höhe Schwingend zu montieren. Stichwort „Dämpfung durch Gegenschwingung“. Da die dynamischen Lasten wohl vor allem durch Böhen bestimmt wird könnte ich mir vorstellen das hier ein Baustiel wie bei Hochhäusern in Erdbebengebieten helfen könnte Baumaterial zu sparen.

Könnte mir aber vorstellen das der zusätzliche Aufwand den Vorteil übersteigt, zumal einfach besser ist als kompliziert.

Hättest du da eine Größenordnung?

Druckverluste in Leitungen durch Reibung und Strömungsumlenkung, in Ventilen und Filter …
Es ist ohne eine Anlage 1:1 gegenzurechnen schwierig denn auch ein Windrad hat ja ein Getriebe welches Verluste hat.
15%? Also ich denke schon ein signifikanter Wert. Ich bin Laie und würde da nicht drauf Wetten.

Ich hab mal gesehen wie die Flügel für ein Windrad gebaut wurden und war überrascht warum dann ein komplettes Windrad so teuer ist.
Nicht falsch verstehen das ist high tech, an den Spitzen sind die ziemlich schnell und belastet - aber am Ende doch „nur Epoxy Verbundwerkstoff“.
Von den Materialkostengesehen dürfte das meiste auf den Zement im Turm und Fundament sowie den Generator fließen - dachte ich.
Ich hab aber nie genaue Kostenaufstellungen gefunden.

Hatte da aber noch andere Überlegungen welche sich als falsch erwießen haben.
Ich dachte zum Beispiel der Lärm kommt von dem Generator, hab aber dann gelesen der Lärm kommt eher von den Flügeln.
Statische Last vs. dynamische Kräfte hatte ich schon erähnt.

Ich glaub die Ingeniere die die Entwickeln haben da schon an alles gedacht, ist ja nicht mehr so neu die Technologie.