Bei ihren Anhängern haben die doch schon Rückhalt. Ich glaube nicht, dass dieser Rückhalt sich in irgendeiner Form verändert, wenn die demokratischen Parteien sich in der einen oder anderen Art und Weise verhalten. Insbesondere denkt niemand von denen, „hey, die haben AfDlern die üblichen Ausschussvorsitze überlassen. Vielleicht ist das hier ja doch keine linksgrüne Gender-Diktatur.“
Die Erfahrung zeigt doch, dass Appeasement und „die Sorgen ernst nehmen“ die AfD viel eher stärkt.
Da gibt es doch keinen Unterschied. Es handelt sich um ein und dieselbe Person.
Keiner Fraktion „steht ein Ausschussvorsitz zu“. Ein Recht haben die Fraktionen nur darauf, in bestimmten Ausschüssen (entsprechend des Verteilungsverfahrens) einen Personalvorschlag zu machen. Und genau das hat der AfD niemand verwehrt. Sie konnte sich mit ihren Vorschlägen dann halt nicht durchsetzen, genau wie beim Amt des Vizepräsidenten. Das ist nun wieder eine völlig normale politische Entscheidung.
Deine Argumentation basiert auf der Annahme, dass Leute, die eine rechtsextreme Partei wählen, wegen sowas dazu kommen (oder damit aufhören würden) und darauf, dass das Wählerpotential der AfD noch nicht ausgeschöpft ist. Beides halte ich für falsch. Desweiteren frage ich mich, wofür wir denn die Abgeordneten nur ihrem Gewissen in Entscheidungen im Parlament unterwerfen, wenn sie dann irgendwelche braune Brühe wählen sollen.
Sie sind eben nicht nur ihrem Gewissen unterworfen, sondern primär dem Grundgesetz und dem Demokratieprinzip. Das Gewissen kommt erst ins Spiel, wenn es mehrere legale Optionen gibt.
Den Einwand verstehe ich nicht. Hier gibt es doch ganz offensichtlich mehrere legale Optionen. Man kann als einzelner Abgeordneter so jemanden wählen, oder es nicht tun. Jede Partei hat nach den gleichen Regeln die
die gleiche Chance, ihr Vorschlagsrecht für einen Vorsitzenden zu nutzen. Wenn es eine Partei gibt, die nur aus Rechtsextremisten und Kollaborateuren besteht und deswegen niemanden aufstellen kann, den die anderen bereit sind, zu wählen, ist das das Problem der Partei, nicht der Demokraten.
Achso, jetzt habe ich den Einwand verstanden, glaube ich. Ich hatte „nur ihrem Gewissen“ geschrieben, das war nicht, was ich meinte und ist so natürlich falsch.
Dieses Problem sehe ich auch, allerdings mit der folgenden Einschränkung: Warum kann man dann wählen?
Ich würde das jetzt so bewerten, dass eine Nichtwahl dann Oppositionsrechte verletzt, wenn sie nur dadurch begründet ist, dass die Vorsitzende von der Opposition ist.
Es muss aber einen Grund für die Nichtwahl geben, sonst ist sie ad absurdum geführt. Und dieser Grund ist in meinen Augen, wenn der Kandidat aktiv die Demokratie bekämpft, ohne schon die hohen Hürden der Verfassungswidrigkeit erreicht zu haben. Steht die Kandidatin nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes, halte ich eine Ablehnung für gut begründet.
Bei der Union oder der Linken ginge diese Begründung nicht. Hier gibt es keinen konkreten und systemischen Anhaltspunkt für Demokratiefeindlichkeit.
Zum Kampf gegen die Rechten gehört es meiner Meinung daher, auch diesen symbolischen Akt zu gehen und notfalls bis vor die Tore des BVerfG zu kämpfen, das dann entscheiden muss.
Grundsätzlich steht der AFD der Ausschuss zu.
Im Fall des Innenausschusses steht nun Frau Pau dem vor, allerdings nur kommissarisch.
Die AFD hat ein erneutes Vorschlagsrecht.
Anderes Beispiel: Für die Union ist die Linke genauso radikal wie die AFD, jedenfalls wird immer, wenn die AFD genannt wird, im gleichen Atemzug die Linke erwähnt.
Ist es legitim, hier immer eine Wahl zu fordern und den Kandidaten je nach Mehrheitsverhältnis abzuwählen?
Oder einen Kandidaten des linken Flügels der Grünen?
Darf eine Rot-Grün-Rote Regierung einen Kandidaten des Wirtschaftsflügels im Ausschuss „Arbeit und Soziales“ automatisch für ungeeignet erklären?
Ein Antrag auf Wahl muss ja nicht begründet werden, sondern kann immer jemand im Ausschuss fordern. Und darum stellt sich schon die Frage: Wo ziehe ich die Grenze?
Das wäre sicherlich nicht legitim, ist aber meines Wissens bisher auch nie vorgekommen. Eben weil die AfD keine Partei wie die Linke oder die Grünen oder die FPD/CDU/SPD ist, sondern eine Sammlung von Rechtsextremisten und ihren Mitläufern. Zumindest, wenn man diesen Blick auf die Partei teilt, erübrigen sich die Fragen meiner Meinung nach. Dass es möglicherweise schwierig ist, eine rechtsverbindliche Definition zu verfassen, ab wann eine Partei so einzuschätzen ist, führt ja zu den Verrenkungen, die ein Parteienverbot defacto ausschließen (siehe NPD-Urteil: Wenn Parteien erst verboten werden können, wenn sie extremistisch und erfolgreich sind, kann man sie meist nicht mehr verbieten, denn dann ist es zu spät), aber genau deswegen sollte man - wenn man wählen lässt und das ist in meinen Augen bei einem Vorsitzenden zwingend erforderlich, weil er ja das Gremium repräsentiert - den Abgeordneten hier ein Ermessen zubilligen, denke ich.
Mag sein, dass die Union hier mit der Begründung Vorsitze ablehnen würde. Sofern sie dafür auch eine Mehrheit bekäme, wäre dann aber ohne Weiteres gerichtlich überprüfbar, dass die Union irrt. Das wäre sehr peinlich. Bei der AfD ist das nicht so klar.
Nein, das ist keine demokratiefeindliche Position.
Ich muss mich wiederholen: Wenn die Ablehnung nur geschieht, weil die Kandidatin von der Opposition ist, ist sie nicht korrekt. Es braucht triftige Gründe, die man (derzeit) nur bei der AfD findet. Natürlich muss man das immer mit Blick auf den konkreten Aspiranten selbst bewerten. Eine Mitgliedschaft in der AfD genügt da mMn auch nicht schon, da die Partei nicht verboten ist.
Nicht „der Ausschuss“ steht der AfD zu, sondern das Vorschlagsrecht für den Vorsitz. Und nochmal: Das verwehrt ihr niemand. Und selbstverständlich wäre es legitim, seitens der Union eine Wahl über jeden Vorsitzvorschlag der Linksfraktion zu fordern. Die Frage hier ist halt, ob sie eine Mehrheit gegen den Vorschlag zusammenbekäme; ich würde mal nicht davon ausgehen.
Die Parlamentsmehrheit darf entscheiden, auch darüber, wie die Parlamentsarbeit organisiert wird. Es ist in Deutschland geübte Praxis, die Opposition hier einzubeziehen; entsprechend hätte das BVerfG vermutlich ein Problem damit, wenn sie komplett davon ausgeschlossen würde. Aber das ist bei der Entscheidung über Ausschussvorsitze nicht unbedingt erkennbar. In anderen demokratischen Parlamenten wird das auch viel strikter gehandhabt - im US-Kongress z.B. gehen alle Vorsitze inklusive der Leitung aller Plenarsitzungen immer ausschließlich an die Mehrheitsfraktion.