LdN 268 - Skepsis gegenüber Migration zulassen?

Lieber Philip, lieber Ulf,
Im Kontext Belarus vertretet ihr eine sehr positive Haltung zu Migration in die EU. Ulf bringt es auf den Punkt mit „Wo ist eigentlich das Problem […], wenn ein paar tausend Iraker oder Syrer europäisches Territorium erreichen […]?“ Ich persönlich teile diese Haltung und ich empfinde Migration als wertvoll und bereichernd.

Es gibt jedoch einige Menschen im deutschsprachigen Raum, die Zweifel an der positiven Einstellung zur Migration haben. Daher frage ich mich, ob es wirklich die beste Strategie ist kritische Stimmen zur Migration als Indiskutabel darzustellen und keinen Raum außer „Wo ist eigentlich das Problem?“ zu geben. Wäre es nicht besser, ihr nehmt etwaige Skepsis auf, als Spiegel sozusagen, um diese dann zu widerlegen, anstatt sie als Indiskutabel in die Ecke zu stellen? Vielleicht würdet ihr damit eure positive Grundhaltung zur Migration noch besser rüberbringen und die eine oder den anderen noch „mitnehmen“. Das würde natürlich noch mehr Zeit und Mühen kosten, denn in vergangen Folgen habt ihr bereits positive Argumente für Migration genannt. Dennoch denke ich es lohnt sich - euch ist das Thema ja sehr wichtig - immer wieder die Skepsis gegenüber Migration aufzunehmen und dagegen zu argumentieren, bzw. Missverständnisse aufzuklären. Wenn man kritische Stimmen negiert, stößt man eher Menschen vor den Kopf anstatt diese mit Argumenten von der guten Sache zu überzeugen.

Die Idee kam mir heute beim Hören des Interviews „Elementarfragen“ mit Romy Jaster.

Viele Grüsse und vielen Dank für die tolle Arbeit,
Konrad

2 „Gefällt mir“

vermutlich nicht, aber das haben wir auch nicht getan - sondern ernsthaft die Frage gestellt, wo denn das Problem ist.

Ich denke, die Antwort auf die Frage

„Wo ist eigentlich das Problem?“

ist in der Tat vielschichtig / sehr individuell.

Natürlich gibt es da die Rassisten, Xenophobiker oder Fremdenfeinde.

Dann gibt es Personen, die eine mehr oder weniger unbewusst Scheu vor „Fremden“ (im Sinne von Andersartigen) haben. Direkt darauf angesprochen würden sie das erst einmal leugnen. Doch wenn sie ehrlich sind, dann müssen sie sich dieses tiefsitzende Gefühl eingestehen, selbst wenn sie Abneigungen vor „Fremden“ (im Sinne von Andersartigen) intellektuell ablehnen. Sie würden niemals gegen „Fremden“ (im Sinne von Andersartigen) protestieren oder diese sogar beschimpfen. Aber sie haben dieses tiefsitzende Gefühl von Scheu. Es gibt dafür gut nachvollziehbare psychologische Erklärungsmodell:

Ich behaupte, dass ein nicht unerheblicher, wahrscheinlich eher sogar ein erheblicher Teil vieler Gesellschaft diese Gefühle kennen. Je weniger jemand Kontakt mit „Fremden“ (im Sinne von Andersartigen) hat(te), umso mehr (sie kommen also eher auf dem Land als auf der Stadt vor und in Deutschland - aus historischen Gründen - eher aus dem Osten als aus dem Westen).

Diese Menschen fühlen sich bedroht, wenn „auf einmal“ sehr viele Menschen zu kommen (auch nur) scheinen, die sie nicht einschätzen können, weil sie aus einer anderen Kultur kommen und nicht oder kaum die hiesige Sprache sprechen. Insbesondere, wenn sie aus Kulturen kommen, die uns hier in den Medien als archaisch, chauvinistisch oder aggressiv vorgeführt werden (ob das tatsächlich so ist, kann man ja meist nicht beurteilen, wenn die Länder nicht hat bereisen dürfen).

Wer also eine menschliche Politik gegenüber Flüchtlingen und Migranten formulieren will, sollte die „Aufnahmebereitschaft“ der Gesellschaft berücksichtigen (anstatt sie einfach als nicht akzeptabel zu kritisieren).

Ich bin überzeugt, auch hier gilt: „Die Dosis macht das Gift“. Bei „wohl-dosierter“ Zuwanderung über alle Kommunen ist die „Aufnahmebereitschaft“ höher, als wir glauben. Wenn aber die Menschen den Eindruck haben, dass nur anonyme auf undurchschaubare Weise die Einwandung und vor allem die Integration mehr oder weniger steuern, dann erzeugt dies Angst und dann auch Abwehr.

Da die Angst und Abwehr nicht nur von einigen Fremden-Scheuen, sondern vor allem auch von den Fremden-Feindlichen zunehmend laut vorgetragen werden, reagiert die Politik mal wieder … erratischst, populistisch, ohne Haltung und Wertegerüst und vor allem: Ohne einen Gestaltungsanspruch (oder ohne den Glauben, dass Politik wirksam gestalten kann).

3 „Gefällt mir“

Also Xenophobie erst recht im affektiv psychologischen Sinne ist nicht das selbe wie Rassismus oä Diskriminierungsformen. Diese Formen benötigen eine stark abstrahierte Konstruktionsleistung. Das affirmieren der Andersartigkeit von Menschen ignoriert die spezifischen Zuschreibungen, welche als anders gelesen werden. So spannend ich deren historische wie auch psychologische Verbindung finde, sind Rassismus uä nicht einfach ein Reflex oder Bias, den man einfach abschütteln kann. Wir reden hier ja nicht darüber, dass man von der Sprechweise anderer Sprachen denn Deutsch irritiert ist oder dass man in der Schlange angesprochen wird, sondern von spezifischen Narrativen. Entsprechend warte ich noch auf die kritischen Haltung gegenüber Migration oder deren Kontrolle, welche ein Argument liefert, dass nicht rassistisch aufgeladen ist. Ich habe, auch wenn ich diese Position nicht teile, versucht in dem anderen Thread eine solche Perspektive zu geben. Gerne höre ich mir auch ein „realistisches“ Argument gegenüber der so gescholtenen normativen Perspektive an, nur bröckelt nach ein zwei Sätzen meist die Fassade.
Bei aller Liebe für den diskursiven Ansatz und der Verantwortung als weiße Person, sollte man sich im klaren sein, das oft weder Motivation für das Gespräch noch Argumentationsweise in solchen Gesprächen auf eine einfach „rationale“ Überzeugung oder einfache Reflexion psychologischer Affekte hinausläuft.

Die einzigen Probleme die ich beim Thema Migration sehe ist der Wettbewerb der um niedrig qualifizierte Arbeitsplätze und sehr günstigen Wohnraum (Sozialwohnungen) entsteht.

Dass man gewisse quere Gedanken ernst nehmen Muss (oder auch nicht) wurde bei anderen Themen schon hinreichend diskutiert.

Dann sollten wir EU Staaten aber auch sagen wir wollen nur gut ausgebildete Leistungsträger einreisen lassen (alle andern. können bleiben wo der Pfeffer wächst) anstatt das Recht auf Asyl zu propagieren und dann faktisch keine Möglichkeit zu bieten wo man Asyl beantragen kann.

PS
Unser Problem in der EU ist doch dass wir Themen wie Menschenrechte so lange ignorieren bis sie in der Presse hoch kochen.
Ein recht harter aber gangbarer Weg wäre lasst die Leute auf polnischen Boden. Errichtet meinetwegen ein Lager und versorgt die Menschen. Schickt genügend Beamte aus den EU Statten um die Asylverfahren schnell abzuwickeln (nicht wie in Griechenland). Die, die bleiben dürfen werden verteilt und der Rest wird in ihre Heimat zurück geführt.
Das wäre alle mal menschenwürdiger als die Menschen dort verhungern und erfrieren zu lassen.

2 „Gefällt mir“