LdN 258: Software bei Wahlen zur Stimmauswertung

In Nochmal zu Wahlcomputern wird ein Thema angesprochen, das ich aus einer leicht anderen Perspektive nochmal aufgreifen möchte:

Auch wenn bei der Stimmabgabe derzeit keine Wahlcomputer zum Einsatz kommen, so sollte der Vollständigkeit halber evtl. erwähnt werden, dass nachfolgend bei der Stimmerfassung und -auswertung durchaus Software zum Einsatz kommt. Ich bin mir nicht sicher, wie das mit „dass die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis“ vereinbar ist (auch wenn sich dieses Zitat auf den Teil mit der Stimmabgabe bezieht).

Um diesem Anspruch zumindest näher zu kommen, müssten doch wenigstens alle erfassten Stimmen sowie ggf. Software zur Auswertung inkl. Quelltext und Dokumentation veröffentlicht werden, so dass alle
Ergebnisse unabhängig nachvollzogen werden können von der einzelnen Stimme bis zum letzten Überhangmandat. Ohne Software wäre das schon jetzt z.B. bei Kommunalwahlen mit Kumulieren und Panaschieren sehr umständlich bis impraktikabel. Fragmentarisch gibt es Daten zum Herunterladen (z.B. zu den letzten Bundestagswahlen), aber was die Auswertung bis zum Ende hin anbelangt gibt es bezüglich Transparenz anscheinend noch einiges zu verbessern.

Falls der Einwand kommt, dass die Software ja nur zur schnelleren Zusammenführung dient: Das stimmt so nicht, siehe z.B. Kommunalwahlen. Man könnte das mit entsprechendem Aufwand wie früher manuell auszählen, aber zumindest in unserer Gemeinde wird dazu seit mehreren Kommunalwahlen Software eingesetzt, so dass durch einfaches Zuschauen sicherlich nicht alle wesentlichen Schritte der Ergebnisermittlung überprüft werden können.

Ich möchte damit übrigens nicht sagen, dass das alles schlecht ist. Wenn man Daten und Software veröffentlichen würde, könnte das die Transparenz in gewisser Weise sogar verbessern. Gibt es Einwände gegen das Veröffentlichen aller erfassten Stimmen (bei einer Kommunalwahl wären das teilweise einzelne erfasste Stimmzettel)?

In München haben wir seit der Bundestagswahl 2017 Wahlkoffer als Unterstützung für die Schriftführenden.

Da ich seit den letzten Kommunalwahlen 2020 als Schriftführerin eingesetzt bin und bisher selbst schon dreimal (Kommunalwahlen, OB-Stichwahlen, Bundestagswahl) am Wahlkoffer gearbeitet habe, kann ich etwas davon berichten.

Die Software ist meiner Meinung nach wirklich übersichtlich gestaltet und führt Schritt für Schritt durch die Stimmermittlung.

Die Anwesenheitliste der einzelnen Wahlvorstandsmitglieder wird gleich im ersten Schritt nach der Anmeldung im System digital erfasst, wodurch gewährleistet ist, dass die Mindestanzahl an Gremiumsmitgliedern anwesend ist (beispielsweise um Beschlüsse zu fassen).

Auch die Überweisung der Aufwandsentschädigungen nach der Wahl kann so schneller erledigt werden, da das Wahlamt nicht noch händisch Listen, die unleserlich ausgefüllt wurden, abarbeiten muss. Man kann sich kaum vorstellen, dass die Auszahlung vor ein paar Jahren noch mit Bargeld am Wahlabend geschah :see_no_evil:

Bei der Auszählung macht das System auch nichts anderes, als die händisch ausgezählten Stimmen zu erfassen und auf Plausibilität zu überprüfen, was wir auch vorher schon mit Zettel und Stift getan haben.

Bei der Kommunalwahl sieht es dann so aus, dass wir auf jedem Stimmzettel überprüfen, ob auch wirklich nur die beispielsweise 80 Stimmen für den Münchner Stadtrat vergeben wurden (und nicht wie auch schon erlebt 120…), diese Stimmen dann teilweise noch händisch selbst eintragen müssen, wenn nur Listen, aber keine Kandidat:innen angekreuzt wurden. Dazu gibt es Kugelschreiber mit lila Tinte, die explizit für Notizen auf den Stimmzetteln zur Verfügung gestellt werden. Danach wird in die Listen mit den einzelnen Wahlvorschlägen gestrichelt. Erst die gestrichelten Ergebnisse werden dann pro Listenplatz in das System eingegeben, welches dann für die Schnellmeldung die Stimmen pro Partei summiert.

Wurden alle Ergebnisse eingegeben, kann die Schnellmeldung gesendet und ausgedruckt werden, dh die Endergebnisse werden digital ans Wahlamt übermittelt. Danach folgt der Ausdruck und die Übermittlung der Niederschrift, in der alle Stimmen der einzelnen Listenplätze, Beschlüsse über ungültige Wahlscheine und Stimmzettel, die Uhrzeit, zu der die Urne geöffnet wurde, die Anwesenheitsliste des Gremiums usw.

Ich muss sagen, dass ich - vor allem bei den Kommunalwahlen, wo ja teilweise drei Wahlen gleichzeitig stattfinden (Stadtrat, Bezirk, OB) - den Wahlkoffer nicht missen möchte, da Zahlendreher etc einfach viel schneller auffallen. Das System agiert als drittes Augenpaar für die Schriftführenden, durch die einfache und übersichtliche Benutzeroberfläche können auch Beobachter:innen einfach nachvollziehen, welche Daten eingegeben und übermittelt werden.

Falls es jemanden interessiert, wie genau so ein Wahlkoffer bzw die Benutzeroberfläche aussieht, kann ich auch mal ein paar Beispiele aus meinen Schulungsunterlagen abfotografieren :blush:

Ich denke es ist aber wichtig zu erwähnen, dass durch die Transparenz des Wahlvorgangs Fehler oder Manipulation solcher Software eingehegt werden kann.

Ich kann auf jeden Fall bestätigen, dass die von meiner Stadt im Internet veröffentlichten Wahlergnisse für den Stimmwahlbezirk den ich ausgezählt habe exakt mit meinen während der Auszählung gemachten Notizen übereinstimmt.
Und ich kann mir gut vorstellen, dass es engagierte Menschen gibt die sich die Ergebnisse der einzelnen Stimmwahlbezirke aus dem Internet ziehen und prüfen, ob die Addition stimmt.

Solche Software kenne ich ebenfalls, und ich stimmt zu, dass dadurch auch Fehler vermieden werden, aber das geht an der Ausgangsfrage etwas vorbei. Die Frage ist: Wenn man sagt, dass bei Einsatz von Software bei der Stimmabgabe eine ausreichende Nachvollziehbarkeit nicht mehr gegeben ist, warum sollte es dann bei der Stimmerfassung und -auswertung anders sein? Bestimmte Teile der Wahl können so eben nicht mehr beobachtet werden, wenn Wahlsoftware die Berechnung übernimmt.