LdN 254: Solarpflicht bei Neubau oder Renovierung

Hallo zusammen,

das Schlagwort Solarpflicht ist mir jetzt schon öfters über den Weg gelaufen (nicht nur im Wahlprogramm der Grünen). Ich durchsteige nicht so richtig wie das funktionieren soll: soll es eine Pflicht geben, egal ob das auf einem Dach wirtschaftlich Sinn macht oder nicht?

Ich habe einige Bekannte mit einem sehr hohen Baumbestand rings ums haus, auch unser Haus wird die meiste Zeit des Tages durch Bäume verschattet. Außerdem könnte man ja auch eine schlechte Ausrichtung des Daches haben, so dass sich Solar nicht wirklich rentiert.

Jetzt gibt es für mich die Möglichkeit, dass es eine Pflicht geben wird ohne Ausnahmen. Dann muss ich in eine solar Anlage investieren, die sich für mich nie wirtschaftlich rentieren wird.

Oder es wird eine Pflicht mit komplizierten Ausnahmen geben, wo dann aufwendig nachgewiesen werden muss, dass die Anlage auf dem speziellen Dach keinen Sinn macht.

Übersehe ich hier etwas oder gibt es Quellen die das bereits genauer ausgearbeitet haben?

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Wenn heute eine größere Renovierung/Modernisierung der Gebäudehülle (Dach, Fenster, Fassade) durchgeführt, ist auch schon gesetzlich verpflichtet, einen Mindestdämmwert zu erreichen (siehe EnEV), unabhängig davon, ob sich das im Einzelfall lohnt oder nicht. Wie da die Rentabilität zu berechnen wäre, ist ohnehin unklar.

Praktisch hat diese schon lange bestehende Verpflichtung leider keine Auswirkung, da das niemand kontrolliert und auch von außen nicht offensichtlich ist, wie gut die Dämmung ist.

Die PV-Anlage käme zu den schon bestehenden Verpflichtungen hinzu.

Hier der Gesetzesentwurf

Besonders durchdacht erscheint mir das ganze nicht. Es klingt nämlich so, als ob eine Solarpflicht auch auf Gewächshäusern oder nach Norden gerichteten Dachschrägen zur Pflicht würde…

Aber vielleicht sehen wir hier wirklich die nächste Interventionsspirale der Politik, die irgendwann dann auch das Dach-Design zur optimalen Sonnenausrichtung vorgeben will.

Vielen Dank für den Link zum Entwurf. Der ist wenig kompliziert, also von Nord-Dächern hab ich da nix gelesen - vielleicht hab ich es übersehen. Statt dessen steht da klipp und klar drin, dass wirtschaftliche Erwägungen dazu führen können von der Pflicht ausgenommen zu werden. Also ich finde, dass gehört unbedingt gestrichen. Statt dessen sollte es ersetzt werden, dass in diesem Fall die öffentliche Hand zur Investition verpflichtet wird. Und natürlich ist eine Festlegung der Dachausrichtung unabdingbar. Die wird ja heute schon vorgeschrieben, dummerweise aber nur damit vom Flugzeug aus der Ort überall gleich aussieht :slight_smile: Statt dessen sind immer noch Gasheizungen erlaubt. Ein echter Skandal.

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Dass Dachform und Richtung im Bebauungsplan festgelegt ist, ist nichts ungewöhnliches. Bisher richtet sich das nur nicht nach dem bestmöglichen PV-Ertrag, sondern ästhetischen Erwägungen.

PV-Anlagen Richtung Norden wären auch kein Beinbruch. Der Ertrag ist nicht null, sondern immernoch so um die 50% bis 70% der optimalen Ausrichtung.

Probleme sehe ich eher beim Papierkram, der mit dem Status als Unternehmer einhergeht. Hier wäre für Kleinanlagen eine möglichst simple Lösung sinnvoll.

Das Ding heißt seit Anfang des Jahres GEG. :slight_smile:
Und man kommt aus dem Dämmen nur raus, wenn man nachweisen kann, dass es absolut unwirtschaftlich ist. Und das fängt so bei 100+ Jahren an. Man kann nicht argumentieren: Wenn meine Ölheizung 50 Jahre läuft und ich nicht dämme, bin ich immer noch günstiger als das Haus einzupacken.

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Woher stammen denn die 100 Jahre?

Was mich an der Diskussion richtig stört ist, dass auf den Dächern Deutschlands so
Viel ungenutztes Potential liegt. Ich darf nur 70% der maximalen Leistungsfähigkeit meiner Anlage einspeisen - d.h. an guten Tagen werden regelmäßig ca 9kw (Annahme 3h bei einer 10kwp Anlage) verschenkt. Aufsummiert auf ganz Deutschland ergäbe sich hier ein großes Potential.

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GEG - Ausfertigungsdatum: 08.08.2020
§ 102 Befreiungen
(1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben auf Antrag des Eigentümers oder Bauherren von den
Anforderungen dieses Gesetzes zu befreien, soweit

  1. die Ziele dieses Gesetzes durch andere als in diesem Gesetz vorgesehene Maßnahmen im gleichen Umfang
    erreicht werden oder
  2. die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in
    sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen.
    Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen
    Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden
    Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können.
    (2) Absatz 1 ist auf die Vorschriften von Teil 5 nicht anzuwenden.
    (3) Die Erfüllung der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Eigentümer oder der Bauherr
    darzulegen und nachzuweisen. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann auf Kosten des Eigentümers oder
    Bauherrn die Vorlage einer Beurteilung der Erfüllung der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch
    qualifizierte Sachverständige verlangen.

Das ganze hängt von den jeweiligen Behörden ab, was diese als unangemessener Aufwand bzw. unbillige Härte interpretieren. Die normale Nutzungsdauer eines Gebäudes (Neubau) wird mit 50 Jahren angesetzt. Und auch da wäre die übliche Nutzungsdauer wieder Interpretationssache, da die Gebäude für 50 Jahre gerechnet werden (Statik), allerdings auch gerne mal deutlich länge in Gebrauch sind.

Eine generelle Forderung bestehende Gebäude zu dämmen gibt auch das GEG nicht vor.
Im Falle einer Fassadenerneuerung, nicht Instandsetzung, kann eine Dämmpflicht folgen.
Oftmals geht Denkmalschutz vor Dämmung. Vielleicht kommen da 100Jahre her, die so im GEG nicht genannt sind.
Stellen wir uns die Altstadt von Quedlinburg vollgedämmt vor….

Diese Vorschriften der Kommunen wirken nur häufig total willkürlich. Weil es eben hauptsächlich um esthetik geht und man sich dann in einem gewachsenem Viertel umsieht in dem man renovieren will und sich nur denkt „hä?“ wenn es da klare stehlen gäbe, die sich zb an optimaler Nachhaltigkeit orientieren, würde ich das sehr begrüßen.

Für einen Bauherr wäre es halt nicht so schön, wenn das Kriterium ist „bis zum Ende der Lebensdauer wirst die Kosten schon so ziemlich wieder rein haben“ - da wäre eine genauere Definition im Gesetzesentwurf wünschenswert oder es muss dann erst durch Gerichte geklärt werden.

Was ist mit selber verbrauchen bzw. speichern für den Eigenverbrauch?

Es sollte ja eigentlich im Sinne der Mtzbetreiber sein, oder?

Die 12kw Batterie ist jeden Tag 100% geladen und 9kw in 3 Stunde verbrauchen ist garnicht so einfach. Seit Februar bin ich quasi 100% Autark. Ein Elektro Auto wäre sicherlich hilfreich bzw. sinnvoll in meinem Fall, kann bzw. möchte ich mir jedoch nicht leisten. Ich finde es einfach schade, dass so viel ungenutztes Potential auf den Dächern liegt, während Diskussionen um den Solar Ausbau geführt werden. Alle seit 2012 an Netz gegangene PV Anlagen sind begrenzt. Zum Teil auch mit einer (mE Besseren) sogenannten weichen Regelung, die über das Jahr mittelt (höherer Anschaffungspreis und vom Netzbetreiber fernsteuerbar). Es ist ja schon fast töricht dieses Potential nicht zu nutzen.

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Meine Wunschvorstellung und mittelfristige Erwartung an die künftige Bundesregierung:

  • Die Begrenzung der Einspeisung (egal ob dynamisch oder als feste 70%-Regelung) entfällt, sobald genügend Elektrolyseure und andere Systeme schlau gesteuert besonders dann Strom aus dem Netz entnehmen, wenn besonders viel zur Verfügung steht.
  • Regelungen zur Solarpflicht kommen unbedingt, werden aber präzisiert und um intelligente Fördermöglichkeiten ergänzt, die Baudamen zuverlässig nicht abschrecken. Ein Ausschluss unwirtschaftlicher Konfigurationen könnte etwa anhand eines Mindestwertes einer dokumentierten und nachvollziehbaren PVGIS Berechnung vorgesehen werden.
  • Es wird auf einen flächendeckenden Ausbau der Erneuerbaren geachtet, so dass nicht unötig stark auf teure und zeitaufwändige Höchstspannungs- und HGÜ-Leitungen gebaut werden muss.
  • Mechanismen, um Bürgern einen Bezug zu den PV/Wind/Biomasse-Generatoren zu geben, wären gut. Ein Gefühl dafür, dass der Strom nicht einfach nur aus der Steckdose kommt, könnte zu mehr Verständnis und Unterstützung führen. Idealerweise sind dann viele Menschen sogar stolz auf ihr eigenes *-Kraftwerk gleich am Ortsrand, errichtet und betrieben von der eigenen Genossenschaft.
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Deutschland ist viel zu klein, als dass sich regional unterschiedliche Windverhältnisse innerhalb des Bundesgebiets gegenseitig ausgleichen würden. Zudem sind die potentiellen Windparkareale in Nord- und Ostsee naturgemäß weit weg von den Verbrauchszentren. In diesen Fleckchen lässt sich aber fast ebensoviel Energie gewinnen wie mit Windkraft an Land.

Daher: Für EE braucht es ein kontinentales Stromnetz. So wie China uns das gerade vormacht. Wir werden Leitungen bauen müssen wie blöde. Aber warum nicht?

Danke für Deinen Kommentar. Mein Gedanke dazu:

Energietransportinfrastruktur ist extrem teuer und zeitaufwändig und bringt keine Kilowattstunde Energie. Daher finde ich es richtig, zunächst(?) darauf zu achten, so viel Strom wie möglich so nah wie möglich zu produzieren. Das Geld wäre in Generatoren erst einmal sinnvoller investiert. Dort, wo Überschuss entsteht, sollten auch Speicher bzw. Elektrolyseure mitwachsen. Stillstehende abgeregelte Windräder sollten endlich der Vergangenheit angehören.

Ja, natürlich wird es auch leistungsfähigere Netze brauchen. Ich möchte nur nicht, dass wir unsere Ambitionen in manchen Regionen noch immer nicht entfalten, weil wir auf Netze und irgendwelche fernen Erzeuger bauen.

Man sollte auch bedenken, dass es wohl noch viele Jahre in den allermeisten Fällen deutlich sinnvoller sein wird, wenn diese fernen Erzeuger den Strom aus dort neu errichteten Anlagen erst einmal einsetzen, um ihre dort regionalen Kohlekraftwerke zu verdrängen.

Der Offshore-Strom aus Nord- und Ostsee kann künftig vermutlich vollständig in Künstennähe zu H2 verarbeitet werden, da der H2-Bedarf riesig sein wird. (Ich meine hier nur Zwecke, bei denen es keine Alternativen gibt, also ausdrücklich NICHT Straßenverkehr).

Ich möchte also keineswegs Schwarz-Weiß-Malen im Sinne von Netzausbau ja oder nein. Mir geht es vielmehr um das richtige Timing, die sinnvolle Reihenfolge, bzw. ein effizientes Ineinandergreifen einer komplexen Vielfalt von Maßnahmen.

Kleine Anekdote: Ich hab mir dieser Tage eine Wahlkampveranstaltung mit Scholz und Heil in meiner Heimatstadt Braunschweig angehört. Da warb Heil groß mit starkem Engagement für Wasserstoff. Das war sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass es hier in der Region bei Salzgitter einen entstehenden „Wasserstoff-Campus“ und bei Salzgitter-Stahl eines der Projekte zur Umstellung auf H2-basierte Stahlerzeugung gibt. Aber auch hier finde ich das Timing falsch (und ich hab es sogar geschafft, Heil das persönlich zu sagen :-)): Schon das bisschen Wasserstoff, das wir jetzt haben, stammt zu ca. 42% aus Erdgas (blauer Wasserstoff, Quelle: eine Mailantwort auf meine Anfrage an H2-Mobility, die die knapp 100 H2-Tankstellen in Deutschland versorgen). Das ist nicht gut! Auf mehr Wasserstoff-Anwendungen sollte man daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht pochen. Sehr viel wichtiger ist auf absehbare Zeit erst einmal regional nutzbarer erneuerbarer Strom. Windkraftwerke! Photovoltaik! In der Region! Machen! Jetzt! :slight_smile:

Das stimmt schon.

Allerdings können wir nicht erst in dem Moment, wo es EE-Strom im Überlfuß gibt, damit beginnen, die Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Die muss gegenüber dem heutigen Stand ja um Faktoren von hunderten oder tausenden erweitert werden. Das braucht Zeit und stetige Investitionen. Bei PV und Windkraft hat es auch fast eine Generation gebraucht, um von teurer Kleinserien- und Manufakturfertigung zur großindustriellen Massenproduktion zu kommen. Wenn jetzt nicht global jedes Jahr Dutzende Mrd in die Wasserstoffwirtschaft gesteckt werden, dann gibt es diese in zwanzig Jahren nicht in der Größe und zu den Kosten, die dann für den großen Rollout nötig sind.

Ähnliches gilt für die Netze. Angesichts der unundlichen Verzögerungen, müssen wir jetzt schon das Netz bauen, das mal im Jahr 2040/50 gebraucht wird.