Liebes Lage der Nation Team,
als allererstes möchte ich Euch für Euren tollen Podcast danken, ich höre ihn regelmäßig und bin ein großer Fan Eurer differenzierten Darstellung der aktuellen politischen Tagesthemen. Auch der letzte bzw. aktuelle Podcast 251 hat mir super gefallen, die Diskussion des IPCC Bericht fand ich wirklich klasse und auch die Darstellung der Person und des Werdegangs Armin Laschets.
Negativ aufgestoßen ist mir jedoch der Teil „Grüne verschenken Stimmen“, da er die Situation m.E. nach wenig differenziert betrachtet. Hier wurde es - sehr vereinfacht - so dargestellt als sei Hubert Ulrich für die Saar-Grünen von der Landesliste ausgeschlossen worden, weil er „männlich“ ist - das ist formell zwar richtig, erfasst jedoch nicht den komplexen Sachverhalt und verschweigt die besondere Geschichte der Saar-Grünen mit Hubert Ulrich.
Mit keinem Wort wird nämlich erwähnt, dass Hubert Ulrich - v.a. im Saarland aber auch bei den Bundesgrünen - eine höchst umstrittene Persönlichkeit ist. Dies hat sowohl programmatisch-inhaltliche Gründe aufgrund seines harten „Realo Kurses“- Stichwort: erste Jamaika Koalition Deutschlands, aber vor allem dahingehend, dass sich Hubert Ulrich immer wieder Korruptionsvorwürfen und dem Vorwurf zweifelhafter und undemokratischer Methoden bei der Stimmenbeschaffung ausgesetzt sieht. Vor allem das Machtvakuum das Ulrich um seine Person kreiert hat, ließ in der Vergangenheit bei wichtigen Entscheidungen häufig keine wirklich demokratischen Prozesse zu - und wurde daher von der Parteibasis im Saarland, der Grünen Jugend Saar aber auch der Bundespartei kritisiert.
So auch bei der ersten Listennominierung: Hier hat das Landesschiedsgericht ja nicht einfach aus Spaß 49 Delegierte aus dem WK Saarlouis ausgeschlossen, sondern festgestellt, dass einige Delegierte überhaupt nicht stimmberechtigt waren. Dies entspricht der schon seit vielen Jahren kritisierten Vorgehensweise Hubert Ulrichs neue Parteimitglieder auch gerne kurzfristig anzuwerben, um sie für ihn bzw. seine politischen Interessen stimmen zu lassen. Ich kritisiere den Ausschluss eines ganzen Wahlkreises ebenfalls, es ist absolut undemokratisch und besonders die Bekanntgabe der Entscheidung einen Tag vor der Wahl. Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses, die Landesliste Grün Saar nicht zur BT-Wahl zuzulassen, scheint vor diesen Hintergründen angebracht und richtig. Die Grünen im Saarland haben seit vielen Jahren ein Demokratieproblem - Intrigen und undemokratische Machtansprüche und -verteilung stehen hier an der Tagesordnung - Viele behaupten eben wegen Ulrich. Die alleinige Schuld - v.a. in diesem konkreten Fall - bei Ulrich zu suchen, wäre ebenfalls viel zu kurz gegriffen, aber die Darstellung Hubert Ulrichs als Opfer, der aufgrund seines männlichen Geschlechts nicht kandidieren durfte - wird der Realität leider auch überhaupt nicht gerecht.
Dem Ausschluss vorangegangen ist also ein relativ lang andauernder machtpolitischer Kampf zwischen Ulrich und seinen parteipolitischen Gegnern im Saarland, bei dem beide Seiten mit unfairen und vor allem undemokratischen Mitteln gespielt haben. Und vor genau diesem Hintergrund ist auch die Forderung des Ausschluss Ulrichs von der Landesliste aufgrund des Verstoßes gegen das parteiinterne Geschlechterstatut zu verstehen - ein mögliches Mittel sprich: die Instrumentalisierung des Geschlechterstatuts der Grünen um einen erneuten Machtanspruch Ulrichs zu verhindern und seine Einflussmöglichkeiten zu begrenzen. Dabei ging es jedoch weniger um sein Geschlecht, sondern vor allem um fragwürdige politische Machenschaften / Ansichten, die einem Großteil der Saargrünen schon seit einigen Jahrzehnten Dorn im Auge sind.
Abschließend ist es natürlich ein schrecklicher Skandal - der von den Bundesgrünen schon vor vielen Jahren hätte antizipiert werden können und müssen - jedoch sollte der Aufhänger nicht Geschlechterdiskriminierung sein, sondern die Frage nach dem Wertkodex und der internen Kommunikation einer Partei, die sich das Wort Basisdemokratie eigentlich auf die Fahnen schreibt.
Vielen Dank für’s Lesen, ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldungen und würde mich über eine differenziertere Darstellung der Umstände des Ausschlusses der Saar-Grünen in einem kommenden Podcast sehr freuen.
Ein schönes Wochenende wünsche ich Ihnen und herzliche Grüße