LdN 245 - Solidarität Rentenversicherung

Liebes Lage-Team,
aus persönlicher Betroffenheit heraus möchte ich kurz zum Thema Rentenversicherung etwas sagen: Natürlich wäre es objektiv betrachtet auf den ersten Blick gerechter, wenn auf alle Arten von Einkommen Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Was dabei aber außen vor bleibt, ist das größere Risiko und die mangelnde gesetzliche Absicherung gerade von Selbstständigen und kleineren Unternehmern. Wie ihr selbst in eurem Beispiel gezeigt habt profitieren hier nur wirklich gut verdienende Menschen. Wer unter oder knapp an der Bemessungsgrenze verdient ist hingegen überdurchschnittlich stark belastet. Hier mal ein Beispiel:
Uli verdient monatlich als Freelancer 4.000 €. Darauf fallen an Steuern etwa 700 € an. Hinzu kommen etwa 800 € Krankenversicherung und Pflegeversicherung (Uli kann oder will sich nicht in der privaten KV versichern, weil er eine chronische Erkrankung hat). Hier trägt er schonmal den doppelten Beitrag eines Arbeitnehmers, da diese sich den Beitrag mit ihrem Arbeitgeber teilen. Wenn Uli jetzt noch Rentenversicherung leisten müsste und zwar wie anzunehmen ist sowohl den Anteil von AG als auch AN kommen weitere 740€ hinzu. Am Ende verbleiben also von 4.000€ etwa 1.760€, somit ein reales Nettoeinkommen von 44% bzw. Eine Belastung von 56% und das obwohl Uli noch nicht einmal den Spitzensteuersatz zahlt. Während das ganze also auf dem Papier erstmal gerecht wirkt, ist es in der Praxis alles andere als gerecht. Der Fall ist auch nicht ausgedacht, sondern entspricht (natürlich mit leicht abgewandelten Zahlen) unserer persönlichen Situation.
Die Lösung dieser Problematik kann meiner Meinung nach also nicht sein, den Menschen noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern muss darin liegen das Prinzip der Sozialversicherung selbst zu überarbeiten. Es funktioniert einfach nicht, dass eine Bevölkerungsminderheit eine Bevölkerungsmehrheit finanzieren muss. Soweit ich weiß wird beispielsweise in Dänemark die Sozialversicherung durch die Einnahmen aus der Umsatzsteuer finanziert, was viel fairer ist, da es alle Menschen basierend auf ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (ihrem Konsumverhalten) beteiligt. Die aktuelle Debatte, die soweit ich weiß sogar Eingang ins CDU Wahlprogramm gefunden hat benachteiligt meiner Meinung nach hingegen vor allem Selbstständige (von Kapitalvermögen oder Immobilienvermögen ist da keine Rede) und hat das Potenzial eine Unmenge Menschen aus der Selbstständigkeit in die Insolvenz oder in abhängige Beschäftigungsverhältnisse zu drängen.

Hallo @PhilippD

zunächst einmal Herzlich Willkommen im Forum.

Ich kann deine Argumentation nur teilweise nachvollziehen. Wahrscheinlich ist aber nur das Topic „Solidarität Rentenversicherung“ unglücklich gewählt.

Kannst du näher ausführen, warum ausgerechnet die Einzahlung in die Rentenversicherung unsolidarisch sein soll?
Ich verstehe den Punkt, dass die doppelte Belastung mit AG und AN Anteil an den Sozialversicherungen sehr stark durchschlägt. Gerade im Punkt Krankenversicherung sehe ich, dass das Prinzip der gesetzlichen und privaten Anbieter nicht mehr zeitgemäß ist. Eine allgemeine Krankenversicherung mit der Möglichkeit der Zusatzversicherung wäre deutlich sinnvoller.
Auf der anderen Seite möchte der Freelancer auch ein Alterseinkommen haben, oder? Gleichzeitig tauscht er (bewusst oder gezwungen) die Anstellung (sicheres Einkommen) gegen andere Benefits (freie Arbeitszeiten, Arbeits- und Wohnortswahl, höhere Verdienstmöglichkeiten durch mehrere Aufträge).

Und es ist schon immer so, das wenige für viele Zahlen, aber das ist ja die Grundlage der solidarischen Sozialversicherung: die, die viel haben, geben mehr als die, die weniger haben. Dafür bekommen sie im Rentenalter auch mehr raus (siehe Beitrag LdN 244 zu den Rentenpunkten) und helfen, das gesamte System funktionieren zu lassen.

Ich weiß, dass man schnell das Gefühl bekommt, dass einem das Geld „aus der Tasche gezogen wird“. Ich bin angestellt und ärgere mich auch, wie viel Geld ich abgeben muss. Und vor allem, wie es dann teilweise sinnlos verbrannt wird.
Auf der anderen Seite sichern uns die Steuern und Abgaben Sicherheit und Wohlstand. Das ist leider nicht in jedem individuellem Fall so, in der Masse aber schon. Dass das System grundlegend reformiert gehört (das habe ich an anderer Stelle schon ausgeführt), denke ich auch.

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Uli hätte die gleichen Abzüge, wie ein Angestellter. Wo ist das Problem?

Ob ein Auftraggeber 4.000€ Brutto an Uli als Freelancer zahlt und Uli dann nur 1.760€ behalten darf, oder ob Uli angestellt ist, der Arbeitgeber 3.200€ Bruttolohn + 800€ Lohnnebenkosten zahlt und Uli 1.760€ monatlich behalten darf, ist doch exakt das Gleiche, oder?

Es stört Uli nur einfach mehr, wenn er von seinem sauer verdienten Geld etwas abgeben muss, deswegen sind diese Abgaben für angestellte Personen so schön versteckt :slight_smile:

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Hallo Sven,

ich verstehe deine Sicht der Dinge auch. Das Problem ist nur: während ein Arbeitnehmer mit seinem RV-pflichtigen Einkommen Punkte sammelt und seinen AN-Anteil zahlt sammelt der Selbstständige die gleiche Anzahl an Punkten, zahlt dabei aber die doppelten Beträge ein. Für Uli (bleiben wir mal beim Beispiel) gehen also 50% seiner Beiträge effektiv verloren, weil er dadurch keine höhere Rente erarbeitet.
Unabhängig davon versichern sich aus diesem Grund ja viele Selbstständige privat und zahlen bereits in eine Versicherung ein. Da stellt sich dann die Frage: Bezahle ich die auch noch weiter oder kann ich irgendwie die Beiträge aussetzen? Was kommt in dem Fall noch an Rente raus?

Hey Martin,

dein Vergleich hinkt leider. Klar entstehen insgesamt die gleichen Beiträge. Während aber Uli alle Beiträge vollständig allein zahlen muss, werden sie beim Angestellten geteilt. Uli ist also gezwungen, deutlich mehr zu verdienen um den selben Versicherungsschutz wie ein Angestellter zu erreichen, der ein niedrigeres Gehalt hat.

Und da reden wir noch nicht mal über die Branchen, in denen Stundensätze von 25-30 € für Selbstständige an der Tagesordnung sind. Diese Menschen müssen nämlich für 4.000 € brutto Vollzeit arbeiten, inkl. Selbstständigkeitsrisiko, unproduktiver Zeiten für Akquise, Verwaltung, etc. und haben unterm Strich trotzdem nur ein recht mageres Gehalt von 1.760 € brutto, wenn man mal von den obigen Annahmen ausgeht.

Fakt ist einfach, dass die Beitragsbemessungsgrenzen es schwer machen, finanziell abgesichert zu sein, wenn man nicht zu den extrem gut verdienenden Selbstständigen mit 100.000 oder mehr Jahreseinkommen gehört.

Man arbeitet härter, gönnt sich in der Regel kaum Urlaub oder Feiertage, ist gesetzlich weniger abgesichert und soll künftig auch noch finanziell stärker belastet werden. Meines Erachtens ist das eine Ungleichbehandlung.

Unser gesamtes Sozialsystem ist im Kern auf das Angestellten-Verhältnis ausgelegt und macht es Selbstständigen und anderen New-Work-Konzepten sehr schwer. Das ist übrigens auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern ein echter Wettbewerbsnachteil.

Nun, Martin sagt, dass wenn der Selbstständige soviel verlangt wie das Unternehmen, was den Angestellten für denselben Job anbietet, dann käme am Ende doch dasselbe hraus. Ich denke das Problem ist nur, dass der Selbstständige weniger verlangt für die Leistung als das Unternehmen, dass den Angestellten abstellt.

Da ich selbst Freiberufler bin, muss ich Dir widersprechen.

Du hast einen Denkfehler.

Bitte versuche folgende Situation aus der Sicht eines Arbeitgebers oder Auftraggebers zu sehen:

4.000€ Brutto gehen an Uli als Freelancer und 3.200€ Bruttolohn + 800€ Lohnnebenkosten gehen an einen Angestellten.

Beide haben den exakt gleichen Nettoverdienst und der Auftraggeber hat exakt die gleichen Kosten.

Wo ist der Unterschied? Natürlich muss Uli die Beiträge selbst abführen, das übernimmt der Arbeitgeber sonst zu 50% (was keinen Unterschied macht), aber am Ende sind alle drei, Auftraggeber/Arbeitgeber - normaler Angestellter mit 3.200€ Brutto und Uli mit 4.000€ Brutto exakt gleich.

Auch wenn es sich blöd anfühlt, oder viele weniger verdienen und und und … als Freiberufler MUSS ich den Arbeitgeberanteil der SV in meine Honorare, Tagessätze etc. einkalkulieren.

Es gibt keinen Unterschied , das war mein Punkt. Das Problem ist einfach, dass es nicht verpflichtend für Auftraggeber ist, SV Beiträge zu zahlen. Die Künstlersozialkasse ist hier eine Ausnahme.

Ich gebe Dir insofern Recht, als dass der Auftraggeber nicht die Möglichkeit haben sollte, das Thema SV auf den Freelancer abzuwälzen. Zu hoch die Gefahr, dass der Freelancer aus wettbewerblichen oder finanziellen Gründen versucht die SV Kosten zu minimieren.

Die Höhe der Beiteagsbemessungsgrenze ist dem Einen zu hoch und dem anderen zu niedrig.

Meiner Meinung nach sollten bis zu einem zu versteuernden Einkommen (egal aus nichtselbständiger Tätigkeit oder gewerblich) von 1.500€ im Monat KEINE Steuern und KEINE Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Dass wäre kleinen Einkommen echt weiterhelfen.

Das ist leider eine Milchmädchenrechnung und stimmt nur dann, wenn dem Auftraggeber die AG Anteile im Honorar nicht berechnet werden.

Ein vernünftig kalkulierender Selbstständiger wird das aber tun.

Das tun aber leider nicht alle Selbstständigen, dieses Versäumnis kann man doch aber nicht den Auftraggebern ankreiden.

Hallo Philipp,

das ist nur zum Teil richtig. Nur weil ich bei einer Anstellung nur das Bruttogehalt sehen, kostet es den AG ja auch seinen Anteil. Bei der Anstellung kalkuliert werden muss es ja auch.

Der Freelancer ist da sein „eigener AG“. Er bekommt die Auftragsvergütung, muss aber die Kosten tragen. Nur weil er direkt der Zahlungsempfänger ist, bedingt das nicht zwingend eine Befreiung von den AG-Anteilen.