LdN #242 Ausrutscher im Wahlkampf

In der aktuellen Lage die Äußerungen am Ende des Themenblocks zu Laschet gab es die interessante Aussage, dass bereits die kleinsten „Ausrutscher“, auch wenn sie inhaltlich nicht begründet sein mögen, bereits einen Einfluss auf den Wahlerfolg haben können. Genau diesen Umstand empfinde ich als Schwäche in der Art, wie wir als Gesellschaft, insbesondere vor Wahlen, debattieren.

Oft laufen Debatten so ab, dass ein Vorwurf einer Seite (bspw. Anna-Lena Baerbock hat keinen richtigen Abschluss) in sozialen Medien in einer Bubble so lange geteilt wird, bis darüber in den Leitmedien berichtet wird. Dann wird das Thema eine Woche diskutiert, bis sich herausstellt dass der Vorwurf unbegründet war. Ein noch passenderes Beispiel waren die Lungenärzte, die vor einiger Zeit behaupteten, die Grenzwerte für Stickstoffemissionen bei PKW seien unsinnig. Diese Aussage wurde wochenlang diskutiert und auch dankend vom Verkehrsminister Scheuer aufgegriffen, obwohl die Vorwürfen 1. auf Fehlkalkulationen beruhten und 2. von „Experten“ stammten, die erstaunlich wenig Fachwissen aufwiesen. Dadurch neigen wir dazu, Aufmerksamkeitsressourcen in Debatten zu verbrauchen, die uns als Gesellschaft nicht weiter bringen.

Im Bezug auf Wahlen ermöglicht dieser Reflex, dass Spins aus Wahlkampfteams, bspw. kontextbefreite und skandalisierte Aussagen der Kanzlerkandidat*innen, eine hohe Aufmerksamkeit gewinnen und diskutiert werden, auch wenn sie faktisch falsch sind. Das ermöglicht, einen Wahlkampf erfolgreich auf den Schwächen der Konkurrenz anstatt der Stärken der eigenen Angebote aufzubauen. Ein solcher Wahlkampf ist dann besonders erfolgreich, wenn Wahlentscheidungen auf den durch die Diskussion entstandenen, inkorrekten Annahmen getroffen werden.

Man kann jetzt sagen: Das ist halt Wahlkampf und da alle Seiten ihre Spins platzieren, ist es am Ende trotzdem fair. Meines Erachtens führt der Umstand, dass kleine Ausrutscher bereits einen großen Effekt haben, aber dazu, dass Politikerinnen eher wage Aussagen machen und oft keine klaren Positionen beziehen (besonders deutlich bei Scholz im Triell am Donnerstag). Oft wird sich über dieses “Politikergelaber” und das “Herumlawieren” geärgert, aber aus Sicht der Politikerinnen ist dieses Verhalten m.E. verständlich, wenn man die Reaktion auf ein falsches Wort bedenkt.

Sollte uns nicht daran gelegen sein, ein möglichst transparentes Bild der Wahloptionen zu gewinnen, um wirklich aufgeklärt eine Wahlentscheidung zu treffen? Sollten wir dazu nicht Äußerungen der Kanzlerkanditat*innen nicht erstmal als Statements belohnen, anstatt sie zu skandalieren? Und sollten wir das Verweigern einer Positionsäußerung oder Undeutlichkeiten nicht viel deutlicher sanktionieren?

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Ich stimme mit deiner Analyse überein. Ich frage mich, wer in der heutigen Medienlandschaft noch PolitikerIn werden will. Durch Live-Ticker und Aufzeichnung von jedem gesprochenem Wort geht es tatsächlich eher um die Performance und weniger um die langfristige Linie. Und da es egal, was man macht, von irgendeiner Seite heftigste Kritik folgt, ist ein sehr dickes Fell und eine große Distanz zu Kritik notwendig.
Ich hatte den Gedanken, dass das auch ein Hauptgrund war, warum viele Sachen in der Pandemie so furchtbar enttäuschend abgelaufen sind. In der Krise muss man schnell und entschlossen handeln, aber genau dies wird ja im normalen Politikalltag nicht belohnt, wo jede Kante, die man zeigt, direkt bestraft wird, während Wegducken keine Konsequenzen nach sich zieht. Daher befinden sich Personen in Führungspositionen der Parteien, die genau darin gut sind, zu „Performen“ und wenig Angriffsfläche zu bieten, aber nicht umbedingt dafür geeignet, schnelle, langfristige Entscheidungen zu treffen. A la „Jede Gesellschaft hat die Regierung, die sie verdient“.
Ich stimme deinen rhetorischen Fragen natürlich zu, aber das ändert ja nichts an dem Ist-Zustand. Wir sind hier ja nicht die Zielgruppe von diesem Spektakel. Die Schnittmenge der CDU-Wählerschaft und der Lage-Hörer ist wahrscheinlich auch recht klein.
Die Frage wäre, was tun?
Persönlich ist der Weg weg von Livetickern und Talkshows hin zu eher langfristigen Analysen und Wochenberichten (wie die Lage:)= sicherlich schonmal ein guter Anfang:)
Dennoch müssen z.B. die Grünen genau diese Art von Performen im Wahlkampf zeigen, da sie ja besonders auch die Stimmen derer brauchen, die sich nur über solche kurzen Liveticker informieren. Daher fand ich auch den Beitrag zur Performance in der Lage spannend, denn das ist ja gerade wahlentscheidend. Schwierig.

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