In der aktuellen Lage die Äußerungen am Ende des Themenblocks zu Laschet gab es die interessante Aussage, dass bereits die kleinsten „Ausrutscher“, auch wenn sie inhaltlich nicht begründet sein mögen, bereits einen Einfluss auf den Wahlerfolg haben können. Genau diesen Umstand empfinde ich als Schwäche in der Art, wie wir als Gesellschaft, insbesondere vor Wahlen, debattieren.
Oft laufen Debatten so ab, dass ein Vorwurf einer Seite (bspw. Anna-Lena Baerbock hat keinen richtigen Abschluss) in sozialen Medien in einer Bubble so lange geteilt wird, bis darüber in den Leitmedien berichtet wird. Dann wird das Thema eine Woche diskutiert, bis sich herausstellt dass der Vorwurf unbegründet war. Ein noch passenderes Beispiel waren die Lungenärzte, die vor einiger Zeit behaupteten, die Grenzwerte für Stickstoffemissionen bei PKW seien unsinnig. Diese Aussage wurde wochenlang diskutiert und auch dankend vom Verkehrsminister Scheuer aufgegriffen, obwohl die Vorwürfen 1. auf Fehlkalkulationen beruhten und 2. von „Experten“ stammten, die erstaunlich wenig Fachwissen aufwiesen. Dadurch neigen wir dazu, Aufmerksamkeitsressourcen in Debatten zu verbrauchen, die uns als Gesellschaft nicht weiter bringen.
Im Bezug auf Wahlen ermöglicht dieser Reflex, dass Spins aus Wahlkampfteams, bspw. kontextbefreite und skandalisierte Aussagen der Kanzlerkandidat*innen, eine hohe Aufmerksamkeit gewinnen und diskutiert werden, auch wenn sie faktisch falsch sind. Das ermöglicht, einen Wahlkampf erfolgreich auf den Schwächen der Konkurrenz anstatt der Stärken der eigenen Angebote aufzubauen. Ein solcher Wahlkampf ist dann besonders erfolgreich, wenn Wahlentscheidungen auf den durch die Diskussion entstandenen, inkorrekten Annahmen getroffen werden.
Man kann jetzt sagen: Das ist halt Wahlkampf und da alle Seiten ihre Spins platzieren, ist es am Ende trotzdem fair. Meines Erachtens führt der Umstand, dass kleine Ausrutscher bereits einen großen Effekt haben, aber dazu, dass Politikerinnen eher wage Aussagen machen und oft keine klaren Positionen beziehen (besonders deutlich bei Scholz im Triell am Donnerstag). Oft wird sich über dieses “Politikergelaber” und das “Herumlawieren” geärgert, aber aus Sicht der Politikerinnen ist dieses Verhalten m.E. verständlich, wenn man die Reaktion auf ein falsches Wort bedenkt.
Sollte uns nicht daran gelegen sein, ein möglichst transparentes Bild der Wahloptionen zu gewinnen, um wirklich aufgeklärt eine Wahlentscheidung zu treffen? Sollten wir dazu nicht Äußerungen der Kanzlerkanditat*innen nicht erstmal als Statements belohnen, anstatt sie zu skandalieren? Und sollten wir das Verweigern einer Positionsäußerung oder Undeutlichkeiten nicht viel deutlicher sanktionieren?