Da dies hier mein erster Forumsbeitrg ist, möchte ich mit einem dicken DANK für diesen tollen Podcast starten, dem ich seit über 2 Jahren ziemlich regelmäßig folge und der mich wirklich begeistert!
Ich möchte an dieser Stelle ein paar Gedanken einfließen lassen zu eurer Kritik an den politischen Entscheidungsträgern im Umgang mit der Corona Krise. Ich halte die Kritik teilweise für überzogen und vielleicht auch etwas ungerecht. Gleichzeitig beobachte ich im privaten und beruflichen Umfeld eine nach meiner Meinung umgreifende „bias“ hin zu (vermeintlichem) Versagen im Umgang mit der Pandemie und auch die Wortwahl wird „krasser“ - wenn z.B. vom Test- oder Impf"desaster" die Rede ist.
Ein Blick auf die nüchternen Zahlen der WHO. Dort gibt es die einzig relevante Statistik, nämlich die pro 100.000 Einwohner. (siehe https://covid19.who.int/) Absolute Zahlen sind m.E. völlig wertlos. Danach sticht Deutschland in Europa mit heller Farbe (gemeinsam mit Norwegen, Finnland und Griechenland) positiv hervor. Auch die Zahl der Todesopfer je 100.000 Einwohner zeigt, dass D vieles richtig gemacht haben muss, denn trotz der dichten Siedlungsstrukturen ist die Zahl deutlich besser als in fast allen anderen europäischen Ländern. Darüber wird viel zu wenig berichtet, finde ich. In D hat es zudem keine nennenswerten Fälle von überfüllten, nicht mehr aufnahmefähigen Krankenhäusern gegeben, keine Rettungswagenschlangen vor den Krankenhäusern. In diesem Zusammenhang finde ich es schon komisch, UK und F als positive Beispiele zu nennen. Was die Impfung betrifft, sticht UK zwar hervor, was jedoch mutmaßlich (auch) an einer „nationalistischen“ Strategie liegt, den Export von AZ Impfstoff zu blockieren, für mich ist das kein Vorbild. Die Pandemie ist global und das Ziel sollte es doch eigentlich sein, den Impfstoff möglichst gerecht auf der ganzen Welt zu verteilen, da bekleckert sich die EU insgesamt ohnehin gerade nicht unbedingt mit Ruhm. Klar wäre es toll, wenn wesentlich mehr Impfstoff insgesamt produziert würde, aber ich höre die Impfstoffhersteller, die verlautbaren, dass dies technisch teilweise schlicht unmöglich ist und auch mehr Geld nicht helfen würde. Also geht es „nur“ darum, wer mehr vom Kuchen bekommt. Wollen wir wirklich kritisieren, dass sich D hier zumindest einigermaßen solidarisch verhält? Und was die nicht verimpften Dosen betrifft, so liegt das nach meiner Kenntnis zu einem gewissen Teil daran, dass man sich entschieden hat, die zweite Dosis zurückzuhalten. Kann man auch anders entscheiden, ist aber nicht von vornherein unvernünftig, jedenfalls zu Beginn der Impfstoffkampagne. Immerhin haben wir ja gesehen, dass auf einmal Lieferzusagen nicht eingehalten wurden. Ganz sicher sollte man das natürlich fortlaufend im Blick behalten und anpassen, ich habe aber auch den Eindruck, dass dies geschieht.
Und was das Testen betrifft, finde ich es auch wirklich übertrieben von einem „Desaster“ zu sprechen. Ob es z.B. wirklich Sinn macht, die (noch) beschränkten Schnelltestressourcen durch tägliche Massentests an Schülern zu verbrauchen, scheint mir fraglich. Immerhin gibt es derzeit ja Wechselunterricht, also halbe Klassen, und Lehrer werden m.W. sehr regelmäßig getestet, das war ja schon seit langem eine Forderung von Experten, weil sie sozusagen ein „Marker“ für das Infektionsgeschehen in Alterstufen sind, bei denen die Infektion häufig symptomlos verläuft. Bestimmt kann man das besser machen, aber ein „Desaster“? Ich finde nicht.
Und dann das Thema „Öffnungen“. So wird zum Teil kritisiert, dass es ständig hin und her geht mit Öffnungen und Schließungen. Aber das bringt die Pandemie nun mal so mit sich. Wie heißt es so treffend: Der „Tanz mit dem Tiger“ - ich finde da die aktuellen Entscheidungen in der Abwägung aller Interessen im Grunde nachvollziehbar. Sollte es gelingen, die Fallzahlen bis Sommer stabil zu halten, wird man später sagen müssen: Alles richtig gemacht! Immerhin sind die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen geschützt und die Todeszahlen sinken. Die Gefahr besteht darin, dass die Zahlen expoldieren und dann auch Todeszahlen in anderen Bevölkerungsgruppen hoch gehen (das ist ja im Prinzip einfache Statistik). Das ist die Gefahr, zweifelsohne, Ergebnis offen. Die derzeitige Strategie scheint mir darauf ausgerichtet zu sein, in Bundesländern, wo dies geschieht, dann wieder zu zu machen. Klingt nicht unvernünftig. Problem ist natürlich der Zwei Wochen Verzug bei den Infektionen, aber das ist eben eine Unwägbarkeit in der Gleichung.
Im Grunde kommt es mir aber auf etwas Allgemeineres an: Wie anfangs gesagt: Deutschland steht im europäischen Vergleich bei Infektions- und Todeszahlen hervorragend dar (jeder ist einer zu viel!!) und dennoch hagelt es nur Kritik an der Politik. Tatsächlich liegt es doch am Ende an uns allen. Das wichtigste scheint mir eine konstruktive, positive Gesamthaltung zu sein, in der zunächst wir uns gegenseitig allen (auch der Politik) zutrauen, das Beste zu wollen. Im Augenblick greift aber eine „alle maulen gegen alle“ Haltung um, das macht mir Sorgen!