LDN 230 Mietendeckel - Senkung Bestandsmieten und Sozialbau

Ich fand die Diskussion sehr informativ und auch ausgeglichen bis zum Ende als gesagt wurde Mietendeckel auf Bestandsverträge sei ein Geschenk für diejenigen die es sich eh schon leisten könnten.
Ich möchte darauf erwidern: Für mich stellte es zum ersten mal ein richtiges Verhältnis von Einkommen und Miete her. Bei einem Einkommen von 1200,00€ und jetzt neuer Warmmiete von 360 Warm (+Strom + Gas + Internet) für eine kleine 1 Raumwohnung blieb zum ersten mal Geld am Ende des Monats übrig. Die Wohnung konnte ich mir zwar am Anfang „leisten“, weil sie die einzig Verfügbare war und in meinem wahnsinnigen Budget von max. 600 warm lag. Also die Hälfte meines Einkommens (+Strom + Gas + Internet).
Auch wenn ich mir bewusst bin, dass es eine sehr persönliche Erfahrung ist, fühle ich mich dennoch berechtigt von dem neuen Gesetz zu profitieren und wenn es ein paar Wohlstandsfamilien im Prenzlauer Berg auch tun, dann gönn ich es ihnen. Am Ende bedeutet es eine Umverteilung von Geld: Ich könnte (und werde) jetzt zum Beispiel privat eine Altersvorsorge angehen und andere werden einen Urlaub mehr buchen und damit Jobs sichern.

Wohnraum darf auf Grund seiner elementaren Wichtigkeit kein Spekulationsobjekt sein, ich kann vielleicht auf einen Urlaub verzichten, auf eine Wohnung jedoch nicht, Menschen werden damit erpressbar und sind bereit weit über ihrem Budget zu zahlen.

Zusätzlich zum Thema Sozialbau: Eine befreundete Architektin, welche in dem Bereich arbeitet, hat mir geschildert, dass die zur Verfügung gestellten Förderungen für Sozialbau zu gering seien. Es gäbe nach ihrer Schilderung ein Missverhältnis zwischen neuen Bauauflagen und Fördergeldern, da vor allen Energiesparmaßnahmen und Umweltverträglichkeit die Kosten auf dem Bau steigern. Aus diesem Grund will keiner Sozialbauwohnung bauen, da man hier wohl erst wesentlich später Gewinn mache (höheres Risiko). Vielleicht bietet diese Aussage einen Startpunkt für Recherchen wie sich die Vergabe der Fördergelder in Relation zu den Baukosten der letzten Jahre entwickelt hat.

Vielen Dank nochmal für die Ausfühliche Berichterstattung, auch wenn es momentan nur ein Berliner Thema ist.

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Guten Morgen, danke für deinen Beitrag. Vielleicht hätten wir noch deutlicher herausstellen sollen, dass die Absenkung der Mieten in alten Verträgen natürlich auch Menschen begünstigt, die sich ihre Miete eigentlich nicht leisten könnten. Aber es ist zugleich der Teil des Gesetzes, der doch sehr viele Mitnahmeeffekte zeitigt, also jedenfalls in vielen Fällen zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels gemischter Kieze nicht erforderlich ist. Da hat die Union aus meiner Sicht schon einen Punkt.

Ich würde gerne noch ein zweites Argument für die Absenkung von Bestandsmieten in den Raum werfen:
Wenn Du das nicht im Paket hast bekommst Du einen großen Anreiz zum Umziehen für Bestandsmieter_in. Weil die Wohnungen auf dem Markt günstiger sind als Deine jetztige. Insbesondere hat die vermietende Partei auch nix davon, weil sie ja von Deinen Nachmietern wieder nur den Neuvermietungspreis bekommen wird.
Ohne Senkung der Bestandsmieten gibt es für Menschen die in den letzten 5 Jahren gemietet haben einen hohen finanziellen Vorteil neuzumieten.
Ich finde dass man diese „gefühlte Ungerichtigkeit“ (der Nachbar, der neu mietet muss weniger zahlen, weil er später eingezogen ist) und die zusätzliche Bewegung in den Kiezen durchaus beachten sollte.

Und @ciroaln : Ich würde noch erwähnen dass es vielleicht mit dem konkreten Gesetz nur ein Berliner Thema ist, aber ich glaube das ist relavant und spannend für alle Bewohner_innen von Ballungsräumen - weil (so das Verfassungsgericht nicht zu viel kassiert) das ein Testballon ist, das dann auch viele Bürger_innen ihren Landesregierungen ins Buch schreiben werden.
Und es ist ein echtes rot-rot-grünes politisches Projekt, dass wirklich ganz offensichtlich mit CDU oder FDP nicht zu machen wäre, also auch von dieser Hinsicht für das „Linkere Lager“ super spannend und wichtig

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Hi ihr beiden, ich fand das Thema auch (wieder einmal) sehr interessant dargestellt. Mein Kommentar dazu geht in eine ähnliche Richtung, wie der von ciroaln ganz oben. Soweit ich weiß (ich lasse mich gerne korrigieren), steigen Mieten gerne mal schneller als die Gehälter vieler Mieter. Entsprechend leben viele Menschen in Wohnungen, die sie sich ursprünglich einmal leisten konnten, inzwischen aber, aufgrund der gestiegenen Mieten, immer größere Abstriche bei anderen Ausgaben machen müssen, um ihre Wohnung und ihren Kiez nicht verlassen zu müssen. Daher sehe ich es nicht so, dass die Absenkung bestehender Mieten nur ein Geschenk an Leute ist, die sich ihre Wohnung ohnehin schon leisten können. Es gibt vielen Menschen die Möglichkeit >zurück< ihr Geld wieder in ihr Leben zu investieren und nicht nur noch in ihre gestiegenen Mieten. Sicher profitieren auch (vielleicht sogar hauptsächlich) Mieter, die nicht existenziell unter ihren Mietkosten leiden. Das ist in meinen Augen aber kein Grund, nicht in dieser Form gegen die unverhältnismäßig gestiegenen Kosten für Wohnraum vorzugehen.

Beste Grüße,
Andy

Politisch kann ich deine Position absolut nachvollziehen. Rechtlich allerdings beschreibst du exakt einen nicht erforderlichen Eingriff in die Eigentumsfreiheit … das Gesetz nimmt private Vermieter:innen in die Pflicht, Menschen zu subventionieren, vermutlich sogar überwiegend, die überhaupt nicht unterstützt werden müssten.

Was mir irgendwie immer fehlt in der Diskussion um die Mieten und deren Anstieg sind die eigentlich offensichtlichen Begünstigungen für besagten Anstieg:

Stichwort Mietenspiegel: ja bei Neuvermietung darf/durfte man nur gewisse Prozente darüber liegen, aber: Warum fallen Bestandsmieten nach einer Anzahl Jahren aus der Berechnung des Spiegels heraus?

Warum nimmt man nicht alle Mieten in einem Bereich zur Berechnung, also auch die supergünstigen von vor 20 Jahren?

Stichwort Modernisierungsumlage: auch hier gibt es ja gewisse Begrenzungen was umlagefähig ist, aber: Warum gibt es keine zeitliche Begrenzung?

Wenn ein Vermieter die Fenster modernisiert ist das schön und ich sag auch nicht, dass er das nicht umlegen soll. Aber wenn der Vermieter nach 20 Jahren wieder die Fenster modernisiert, legt er es auf die alte Umlage drauf. Die alte Umlage verschwindet ja nicht, nur weil die alten Fenster abbezahlt sind.

Schon alleine diese beiden Instrumente bieten Potential, bei sinnvoller Änderung dämpfend auf die Mietpreise zu wirken.

Oder sehe ich da irgendeinen Punkt nicht, der das unmöglich macht?

Ich finde du stellst sehr gut dar, das beide Instrumente (Mietspiegel, Modernisierungsumlage) ab einen gewissen Punkt ad absurdum geführt werden, wo sie nur noch eine Rechtfertigung für Mieterhöhungen sind. Die Rechtfertigungen gehen ja ungefähr so:

„Der Mieter hat etwas von der Modernisierung, also kann er sie auch über eine Mietsteigerung übernehmen. Weils Eigentum ist, hat er es zu dulden, selbst wenn er es nicht will.“
„Der Mietspiegel bildet das Marktgeschehen ab und erhöht die Transparenz für Mieter. In Verbindung mit Mietpreisbremse und Kappungsgrenze können Bestandsmieten sozial verträglich angepasst werden.“

Im Kern geht es um den Spielraum für Mieterhöhungen von Bestandswohnungen, was anders als manchmal suggeriert wird, tatsächlich die Haupttätigkeit von gewissen Akteuren auf dem Wohnungsmarkt darstellt und eben nicht der Neubau von Wohnungen.

Es ist nicht unmöglich, aber ich glaube man unterschätzt vielleicht den Lobbyismus und die Rechtfertigungsstrategien. Das Themenfeld ist sehr komplex und ich würde von einem durchschnittlichen Zeitungsleser nicht erwarten das er überhaupt die beiden Instrumente kennt. Die beiden Rechtfertigungen klingen selbst wenn man eher soziale Beweggründe hat nicht schlecht.

Alleine aus der zunehmenden relativen Knappheit des Bodens im Vergleich zur Wirtschaftskraft folgen zwangsläufig steigende Bodenpreise und nachgelagert auch steigende Mieten. Von Vermieterseite ist man da gut beraten sich irgendeine Rechtfertigung auszudenken, wie man Mieterhöhungen begründen kann.

Mietspiegel (+ Bremse / Kappungsgrenze) und Modernisierungsumlage sind gute flexible politische Instrumente wenn sich zwei Parteien darüber austauschen wollen, wie schnell sich die Mieten erhöhen können. Die SPD würde vielleicht jetzt einwerfen das man den Betrachtungszeitraum des Spiegels auf 6 Jahre erhöht hat und die Umlage von - ich meine - X% auf 8 Prozent abgesenkt hat. Damit lassen sich also soziale Beweggründe und das politische Interesse nach Mieterhöhungen kombinieren, sodass beide Seiten zufrieden sind - ohne natürlich wirklich strukturell etwas an dem Grundproblem zu ändern.

Gerade die Modernisierungsumlage hat aber weil sie nie abgesenkt wird ein offensichtliches Glaubwürdigkeitsproblem. Sie wird gerechtfertigt mit Kosten - aber die sind irgendwann abbezahlt. Sie wird mit einem Wohnwert begründet - den manche aber gar nicht wollen. Boden- und Wohnungsmärkte sind „Anbietermärkte“, sie stehen nicht unter Wettbewerb. Wenn der eine über Modernisierungen begründet die Miete steigern kann, macht der nächste es ihm nach. Keiner wird befürchten müssen den Mieter zu verlieren und die Miete danach absenken.

Wäre die Modernisierungsumlage strenger, würde man die Erhöhung vermutlich anders begründen. Vielleicht mit „Angebot und Nachfrage“, vielleicht würde man sagen das man das Geld für den Neubau von Wohnungen braucht - da würde einem dann schon was einfallen.

Hallo. Ich finde den Beitrag auch wirklich gut und interessant. Ich habe eine Anmerkung zum Neubau: Euer Experte hat gesagt, dass man nicht unter 15€/qm² bauen kann.
Ich bin selbst Teil eines Hausprojekts was in Strausberg ein bestehendes Haus renoviert und daneben ein Mehrfamilienhaus neu baut (www.allerhand-projekt.de). Wir sind teil des Mietshäusersyndikat (www.syndikat.org) was bundesweit schon weit über 100 Häuser umgesetzt hat, fast immer Renovierung, in den letzten Jahren aber logischerweise auch viel Neubau. Wir kommen derzeit auf eine Miete von ca. 8€/m². Der Grund ist simpel:

  1. Keine Profite mit der Miete: Ist einfach gesagt, niemand wird durch die Einnahmen des Hauses Geld verdienen. Alle Mieten fließen in die Tilgung des Kredits, in eine Rücklage für Sanierung und in die Unterstützung von neuen Projekten im Syndikat. Wie funktioniert die Unterstützung?
  2. Unterstützung durch Direktkredite: Direktkredite sind Kredite von Privatpersonen oder Gruppen, die uns direkt und für einen vertraglich festgehaltenen Zeitraum Geld leihen, ohne den Umweg über eine Bank. Diese Darlehen werden von den Banken als Eigenkapital anerkannt. Das heißt, mit diesen Darlehen bekommen wir überhaupt erst Bankkredite. Je mehr direkte Darlehen, desto besser die Kreditkonditionen bei der Bank für uns. Mit einem Direktkredit unterstützt Du uns nicht nur, sondern Du hast auch die Möglichkeit, sozial und ökologisch zu investieren. So können wir dann mit unserer Miete neue Projekte unterstützen und wer Lust hat, kann uns auch unterstützen. Das ist dann keine Leihgabe oder ein Geschenk sondern eine Investition mit einem geringen Ertrag für die Investierenden.

Das ermöglicht uns ökologischen und günstigen Wohnraum zu schaffen. Klar haben wir in Strausberg bei dem günstigeren Bodenpreis gute Voraussetzungen, aber der Hauptgrund warum wir auf eine niedrige Miete kommen ist einfach; Für uns ist Wohnen ein Grundrecht und daran soll sich niemand bereichern.
Aktuell gibt es im Syndikat ein spannenden Prozess, wo in Neukölln ein Haus vor dem Verkauf durch den privaten Vermieter durch das Syndikat hoffentlich übernommen wird: https://www.h48bleibt.org/
Vielleicht wäre es cool im Zusammenhang mit dem Mietenthema auch über andere Formen der Vermietung zu sprechen, neben Genossenschaften eben auch das Mietshäusersyndikat.

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Ich möchte auch die letzte Folge loben. Dass es aktuell nicht möglich ist, mit Gewinnerzielungsabsicht preiswerten Wohnraum zu schaffen, war für mich eine wesentliche Erkenntnis!
Ich finde von @Sammy beschriebene Initiative total großartig, ich fürchte aber, es werden sich nicht genügend Wohnungen auf diesem Wege schaffen lassen (und Sozialwohnungen werden ja auch zu wenig gebaut).
Mich würde daher interessieren, warum Bauen so teuer ist. Ob es an den Bodenpreisen liegt, wie einer der Diskutanten hier nicht müde wird, zu betonen, oder den im internationalen Vergleich anspruchsvollen Regularien?

Beim Thema Sozialer Wohnungsbau stößt mir immer wieder eine Sache auf, die irgendwie von allen als „gegeben“ angesehen wird. Nämlich die Begrenzung, das Sozialwohnungen nach 15, 20 oder 25 Jahren mit plötzlich keine Sozialwohnungen mehr sind. Die zeitliche Befristung macht doch überhaupt keinen Sinn, da sich alle Sozialwohnungen nach einer Weile quasi „verflüchtigen“. Wie in dem Beispiel das ihr in der Folge genannt habt, dass unterm dem Strich trotz massiven Neubauzahlen weniger Sozialwohnungen verfügbar waren als vorher. Diese Problematik wird doch immer wieder auftauchen, wenn man die Befristung nicht aufhebt.
Ich habe immer wieder das Beispiel Wien im Kopf, wo ein Großteil der Sozialwohnungen der Stadt gehören und zwar dauerhaft. Also ist es doch möglich das zu machen, auch langfristig und wirtschaftlich.

Und zum Thema „man kann keine Neubauwohnungen errichten und die unter einem bestimmten Betrag zur Miete anbieten“. Wenn auf viele Ausstattungsmerkmale der Neubauten verzichtet würde, die letztendlich nur dafür gedacht sind um die Wohnungen nach Ablauf der Sozialbindung lukrativ und teuer zu vermieten, könnte man viel Geld sparen.