LdN 228 Schulöffnungen in den Ländern (Beispiel Hessen)

In Hessen ist ab 22.02. auch wieder offen für Jgst. 1-6, also auch weiterführende Schulen. Dazu kommen die Klassen der Q2 (Gym.) dazu. Abschlussklassen waren im Wechselunterricht jetzt schon seit dem Ende der Winterferien in der Schule. Die Maskenpflicht ist jetzt komplett auf alle Schulformen ausgewertet, auch an Grundschulen ab Klasse 1. Allerdings gibt es immer noch keine Verpflichtung zum Tragen eines medizinischen MNS. Community- bzw. Alltagsmasken sind weiterhin erlaubt, auch bei Lehrkräften.
Ich als Sekundarstufe 1 (5-10) Lehrer werde dann für meine eine Englischklasse (6) in die Schule beordert, habe aber noch vier weitere Englischklassen (2x 7 und 2x 9). Die 5. und 6. Klasse sind dann im Wechselunterricht in der Schule und erhalten dann alle zwei Tage Unterricht. Im Kontrast dazu findet momentan Onlineunterricht in jeder Stunde statt und die Kids sind mega fit und motiviert. Man muss den Onlineunterricht nur richtig gestalten, dann machen sie auch alle mit. Mein größter Kritikpunkt ist jedoch, dass wir seit dem Frühjahr letzten Jahres dauerhaft in der Schwebe stehen. Alle paar Wochen könnte der Unterricht anders aussehen und die Bedingungen ändern sich schlagartig. Es wird häufig darüber geklagt, dass es für Schüler:Innen (SuS) so schwer wäre, wenn sie zuhause beschult werden. Ich denke jedoch, dass es viel schlimmer ist die Umstände alle paar Wochen oder Monate zu ändern. Ich möchte mich als Lehrkraft auch langfristiger vorbereiten können. Kontinuität ist ein zentraler Baustein im Bildungskontext. Nicht ohne Grund ist häufiger Lehrer:Innenwechsel kontraproduktiv für gute Bildung. Bis zu den Osterferien habe ich meine Inhalte und Themen vorbereitet und auf einen guten Onlineunterricht angepasst. Das alles kann ich jetzt nicht mehr umsetzen, weil ich jeden Tag in die Schule fahre, die Klasse 6 nur im Wechsel sehe und meine anderen Klassen von der Schule aus online bespielen muss. Zuhause habe ich mir ein regelrechtes „Streamingsetup“ aufgebaut, um einen qualitativ hochwertigen und ansprechenden Unterricht zu gestalten. Von der Schule aus müssen jetzt ca. 15-20 Lehrkräfte die relativ schmale Internetleitung und Schulgeräte verwenden, um wiederum im Wechsel die Klassen zuhause und in der Schule zu beschulen. Die Schulgeräte sind zwar nicht schlecht aber einfach nicht das was ich zum Unterrichten brauche. Ich habe zuhause zwei Bildschirme, Tablet, Dokumentenkamera, Facecam und schnelles Internet. Dazu noch einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz mit Stehtisch. In der Schule werde ich mich dann mit einem Laptop 5-6 Stunden in ein leeres Klassenzimmer verziehen mit schlechter Webcam und einem kleinen Bildschirm. Meine eigenen Geräte kann ich übrigens nicht verwenden, da der Träger kein öffentliches WLAN anbietet (aus welchen Gründen auch immer).
Die Landesregierung behauptet, dass es der Zwischenschritt zur weiteren Öffnung ist aber ich sehe es einfach nicht als richtig an die Schulen um jeden Preis wieder zu öffnen und absolut zu verkennen, dass die Mutationen auf dem Vormarsch sind. Für die oben genannte Kontinuität wäre es besonders wichtig die Kinder nicht als Spielball von politischen „Schein“maßnahmen zu instrumentalisieren. Ich denke die Öffnung von Schulen ist genau wie das Öffnen von Haarschneidebetrieben, mit der Begründung der Hygiene, ein vorgeschobenes Argument, um den Menschen ein bisschen mehr Komfort zu bieten. Es ist natürlich komfortabel die Haare schön geschnitten zu bekommen, es ist genau so komfortabel die Kinder morgens in die Schule schicken zu können, wo sie versorgt und betreut sind. Wenn es der Landesregierung wirklich um das Wohl und die Bildung der Kinder gehen würde, dann würden sie die Grundschulen aufmachen und die weiterführenden Schulen noch geschlossen halten. Grundschulkinder haben sicher Schwierigkeiten online gut zu lernen, aber ab der 5. Klasse ist das durchaus möglich. Ich kann es darüber hinaus am Horizont schon erahnen, die Schulen machen dann bei einer 150er Inzidenz wieder zu, die dann dank der einfacheren Ausbreitung der Mutationen schon sehr bald erreicht werden wird. Ich darf mich dann wieder auf Onlineunterricht vorbereiten und mangels Planungssicherheit meinen Unterricht auf vier verschiedene Arten planen. (Übrigens gibt es tatsächlich Lehrkräfte, die nicht jedes Jahr das Gleiche machen und ihren Unterricht detailliert vorbereiten.)
Ich hoffe, ich behalte Unrecht, aber wenn es etwas gibt, dass ich im letzten Jahr gelernt habe ist es, dass ich der Politik keine rationalen Entscheidungen zutrauen kann und ich am Ende des Tages für mein eigenes Glück verantwortlich bin.
Übrigens darf ich mich jetzt jede Woche bei einem Arzt testen lassen, wenn ich das möchte. Jedoch wird es keine Tests an der Schule und für die Kinder geben. Das bloße unverbindliche Testen von Lehrkräften mit einem Schnelltest ein Mal in der Woche wird wohl kaum ausreichen um epidemiologisch eine Erkenntnis zu erlangen. Es wird die bloße Infektion von wenigen aufdecken aber kein klares Bild zeichnen.

Es lässt sich wohl erkennen, dass ich den neuen Regelungen einfach nichts abgewinnen kann. Sie sind einfach ein Ausdruck purer Ignoranz. Ignoranz vor dem Virus und vor der Erfahrung des letzten Jahres.
Grüße
René

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Hallo René,
Das tut beim Lesen richtig weh. Gibt es denn keine Möglichkeit dass du mit einem anderen Kollegen, der noch andere Präsenz Klassen unterrichtest die 6. Klasse Englisch tauschst?

Ich denke hier ist auch die Schule gefordert entsprechend flexibel zu agieren und Lehrkräfte die gerne und guten Onlineunterricht machen entsprechend auch so einzusetzen.

Hi Andreas,
nein das ist leider nicht möglich. Meine Kolleginnen und Kollegen haben selbst ja auch Klassen und an Schulen ist alles auf Kante genäht. Wir haben da personell keine Spielräume.
Darüber hinaus wäre das ja für die Klasse auch genau das, was man nicht will. Ein Lehrer:innenwechsel.

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