LdN 219 - Klimaziel der EU

Bei der Bewertung des neuen Klimaziels der EU (minus 55% netto Emissionen im Vergleich zu 1990) wollte ich nochmal ein paar Punkte einbringen.

Diskussion netto versus absolute Emissionen

Ich stimme mit der Einschätzung in der Lage überein, dass es übertrieben ist, hier gleich von einer „Mogelpackung“ zu sprechen, sehe aber auch Risiken, die nicht weiter diskutiert wurden: Öffnet so etwas nicht Tür und Tor für „buchhalterische Kreativität“ bei der Bewertung der eigenen Anstrengungen? Wie wird sichergestellt das Regierungen, Politiker, und Ministerien sich hier die eigenen Anstrengungen nicht „netto“ schön rechnen in dem sie z.B. sehr großzügige Annahmen treffen was die Emissionsbindende Kraft von Mooren angeht (oder irgendwelche carbon capture and storage Technologien deren langfristige effektivität ungewiss ist)? Das verkompliziert doch zumindest die Kommunikation und Überprüfung auf unnötige weise, was dann im Zweifel denen in die Hände spielt die sich nicht ausreichend anstrengen wollen.

Während der Diskussion gab es folgende Passage:

„wir stoßen nicht null Emissionen aus, im Verkehr – das wird ja nie gehen – das ist nicht möglich“

Es mag vielleicht praktisch unmöglich sein in kurzer Zeit bei derzeitigem Stand der Technik einen komplett Emissionslosen Verkehr zu organisieren, aber es ist sicher nicht prinzipiell Physikalisch unmöglich. Ein komplett emissionsloser verkehr würde beinhalten ausschließlich Fahrzeuge mit emissionslosen Motoren zu verwenden, und diese auch ausschließlich mit regenerativer Energie zu betreiben und zu produzieren. Warum sollte das „nie gehen“, oder „unmöglich“ sein? (Tut mir leid, wenn ich hier pedantisch bin, aber ich denke das Thema ist entsprechend dringlich und wichtig :wink:).

Klimaziele versus tatsächliche Maßnahmen

Dieser Punkt wurde in dem eingespieltem Statement der „Fridays for Future“ Bewegung angesprochen aber nicht weiter diskutiert: Das Framing der Diskussion um Klimaziele „minus n Prozent (im Vergleich zu 1990) bis zum Jahr x“ kann verwendet werden um von der Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen abzulenken. (Es ist natürlich besser solche Ziele zu vereinbaren, je verbindlicher desto besser, als gar nichts zu tun, aber es ist eben auch nicht ausreichend.) Die Klimakrise ist inzwischen derartig akut, dass man sich ehrlicherweise eingestehen müsste, dass es keine sichere Menge Emissionen, die wir noch ausstoßen dürfen mehr gibt. (Auch ein errechnetes Karbon-budget, das uns noch zur Verfügung steht, rettet uns halt auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor den wirklich negativen Szenarien und nach den meisten Berechnungen auch nur bis 2100.) Es wäre also notwendig in allen Bereichen Emissionen so schnell wie (praktisch) irgendwie möglich gegen null (oder zumindest auf ein sehr tiefes Niveau, welches durch natürliche Prozesse wettgemacht werden kann) zu reduzieren. Der Fokus sollte also auf sofortigen Maßnahmen und nicht auf Zielen für in 10 Jahren liegen. (Es darf doch wenn es gut läuft auch gerne schneller gehen als eine Punktlandung auf ein mehr oder minder willkürliches Klimaziel). Der folgende Artikel aus dem Guardian stellt den Alternativaussatz ausführlich dar: Let's abandon climate targets, and do something completely different | George Monbiot | The Guardian

Ich kann mich nur anschließen. 2 extrem wichtige Punkte wurden bei der LdN 219 außer Acht gelassen:

  1. Bis 2050 klimaneutral zu werden ist kein ausreichendes Ziel, die Frage ist, wie viel bis dahin emittiert wird, siehe 1,5 Grad Studie von Fridays for Future. Eine lineare Abnahme bis 2050 auf null sprengt das CO2 Budget und führt daher zu einer viel größeren Erderhitzung als 2 Grad, siehe Abbildung.

  2. Die Klimaziele werden ja bislang gar nicht eingehalten! Das Ziel für 2020 wurde krachend verfehlt.

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Diese netto Emissionen sind schon eine Mogelpackung. Das große Problem ist nicht der Ausstoß selbst sondern, dass wir fossile Energieträger nutzen. Wir bekommen das gebundene CO2 aus Erdöl und Kohle nicht einfach wieder unter die Erde. Aufforstung ist hier kein Argument, da hier das CO2 nur für die Lebenszeit des Baumes gebunden wird. Stirbt der Baum, gibt er es wieder ab. Eigentlich muss man aufhören unterirdisch gebundenes CO2 in Form von Erdöl, Erdgas oder Kohle an die Oberfläche zu holen. Biogas wäre eine Alternative, aber wenn man nur den Ausstoß betrachtet genauso schlecht wie Erdgas. Ich finde nicht, dass das ein fairer Maßstab ist.

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Aus meiner Sicht darf man Dinge wieder Wiederaufforstung oder Moorverwässerung eigentlich nicht als negative Emissionen rechnen. Schliesslich wurde hier der Schaden in der Vergangenheit schon begangen, es geht ja nicht darum neue Moore anzulegen, sondern solche die Trocken gelegt wurden wieder zu aktivieren.

Wir nehmen damit dann ja potentielle Puffer weg um wirklich eine Reduktion des CO2 in der Atmosphäre zu erreichen. Es werden ja keine neuen Kohlenstoffsenken damit erzeugt, sondern alte wieder aktiviert, deren CO2 bereits in der Luft ist.

Ich möchte die Argumente meiner Vorredner unterstützen. Man redet immer von einem CO² Kreislauf, aber was das heißt wird viel zu selten berücksichtigt. Klar, Bäume nehmen CO² aus der Luft auf, allerdings wird das auch beim verrotten oder verbrennen wieder freigegeben.
Netto 0 Emission hätten wir, wenn wir unsere Energie nur aus organischem Material und Sonnenenergie beziehen würden. Da wir aber durch Fossile Energie CO² zuführen müssten wir CO² ebenso auch wieder dem Kreislauf entziehen. Blöd gesagt, die Bäume, die wir als Ausgleich pflanzen im Meer versenken.
Das ganze gehört natürlich in einen riesigen CO2 Kreislauf. Vor vielen Millionen Jahren war die Erde so heiß, dass in den Ozeanen riesige Algenteppiche schwammen. Der blaue Planet war ein grüner. In dieser Zeit wurde dem Kreislauf das CO² entzogen und in der Erde eingelagert.

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Generell problematisch an der Diskussion ist meiner Meinung nach die Trennung von Klima und Umweltzielen. Die Nutzung von fossilen Energieträgern ist in jeder Zyklusphase extrem umweltschädlich. Ausgleichdmaßnahmen müssen die Umweltschäden vor Ort nicht kompensieren. Die Bäume können überall gepflanzt werden. Die technologische Speicherung von CO2 ist wiederum ist ökologisch riskant und vor allem energieintensiv! Hermann Scheer hat 2010 geschrieben, dass Kohlekraftwerke mit entsprechender Technologie 30% der produzierten Energie in die CO2 Speicherung investieren müssen. Die EU Regulungen ermöglichen es der Energiewirtschaft ihre überkommene Technologie in die Mitte des 21. Jahrhunderts zu schleppen.

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