Fasst man die Aussagen der beiden zusammen, entsteht folgendes Gesamtbild: Deutschland ist ein Land der sozial und ökonomisch Benachteiligten und Abgehängten, die von einer kleinen, kriminellen Gruppe „Reicher“ übervorteilt werden und daher dringend mehr Transfers durch staatlich organisierte Umverteilung bedürfen, sodass wieder Verteilungsgerechtigkeit herrscht. Die Aussagen sind geprägt von einem erschreckend eindimensionalen, ideologisch festgelegten Bild der Menschen in diesem Land. Wenn ich auf die Bundeshaushalte der vergangenen Jahre schaue, liegt der Anteil des Ministeriums für „Arbeit und Soziales“ an den Gesamtausgaben mittlerweile bereits bei über 40% und wächst seit Jahren mit den Steuereinnahmen stärker als die Inflation. Bevor jetzt jemand meint, die Einnahmen seien das Problem: die Steuerbelastung auf Einkommen in Deutschland ist nach einer OECD-Studie die zweithöchste unter den Industrieländern, auch die Staatsquote liegt mit etwas unter 50% im Vergleich zu anderen (erfolgreichen) Ländern im oberen Bereich. Ich gestehe: Irgendwie komme ich da nicht mehr mit.
Die beiden lavieren sich ja durchaus geschickt um jegliche konkrete Aussage dazu, wer denn jetzt „reich“ ist und die Rechnung zahlen soll. Für den Wahlausgang mag es vorteilhaft sein, zu suggerieren, die Besteuerung der Digitalkonzerne wäre ausreichend zur Gegenfinanzierung der diversen Ausgabenwünsche. Wer die Grundrechenarten beherrscht, sollte aber in der Lage sein, die Zahlen einfach mal durchzurechnen. Bin ich schon Verschwörungstheoretiker, wenn ich darin einen der vielen Gründe dafür sehe, warum die Politik unter Gerechtigkeit stets nur Verteilungsgerechtigkeit sieht, statt über Bildung Chancengerechtigkeit zu ermöglichen? Gebildete Bürger könnten ja tatsächlich auf die Idee kommen, mal nachzurechnen…