Hallo Lage und User:innen,
ich bin Lehrer und habe heute eure Lage gehört und kommentiere hier mal eure Vorschläge zu den Schulen in der Pandemie. Ich habe sie niedergeschrieben und ein paar Punkte zu bedenken gegeben.
1. Idee: Hotels und deren Tagungsräume nutzen:
Das große Problem hierbei sehe ich bei der Finanzierung, Hotels möchten für die Nutzung durch die Schulen sicherlich Geld sehen. Das lässt sich nicht finanzieren bzw. wäre die Frage wer es finanziert. Zweites Problem ist der Versicherungsschutz und die Anreise zum Hotel. Hierbei könnte es Probleme geben, da kenn ich mich aber zu wenig aus.
2. Idee: Vormittags- und Nachmittagsunterricht:
Zunächst einmal ist ein typischer Schultag so aufgebaut, dass der Unterricht stark auf den Vormittag fokussiert ist. Das heißt, dass vormittags 5-6 Schulstunden und Nachmittag 2-4 Schulstunden stattfinden. Wobei 4 Schulstunden am Nachmittag die Ausnahme sein sollten. Prinzipiell würde das also funktionieren.
Das größere Problem sehe ich bei der Stundenbesetzung. Die Klassenlehrkräfte und Fachlehrkräfte sollten die Lernenden vormittags und nachmittags beschulen. Bei einem vollen Deputat sind viele Lehrkräfte schon mit vollen Vormittagen bei 28 Stunden. Dazu kommen Vor- und Nachbereitungszeit. Ich würde von mir behaupten, dass ich eine engagierte Lehrkraft bin und ich komme in normalen Wochen auf eine Arbeitszeit von über 55 Stunden.
Ich würde nicht wissen, woher ich am Nachmittag noch Zeit und Kraft nehmen sollte on top noch zu unterrichten.
Jetzt könnte man ja sagen, dass andere Lehrkräfte am Nachmittag unterrichten sollen aber da stoßen wir aufs nächste Problem. Schlicht: Welche Lehrkräfte? An unserer Schule (450 Lernende) fehlen alleine drei Lehrkräfte wegen Corona (Risikogruppe) und zwei Stellen werden nicht besetzt, weil das Schulamt spart.
3. Idee: Wechselunterricht:
Wir haben seit Anfang November ein hybrides Unterrichtsmodell für alle Klassen von 8-10 (wir haben keine Oberstufe). Die Lernenden kommen jeden zweiten Tag in die Schule. Wir arbeiten viel mit Liveunterricht, Flipped Classroom und Lernplattformen und haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Ich denke der Grund, warum hybrider Unterricht am einfachsten durchzusetzen ist, ist dass es nichts kostet bzw. nicht sehr viel. Die Lernenden waren schon vor der Pandemie zuhause gut ausgerüstet und wurden von der Schule (ohne Schulamt oder irgendwelche anderen Stellen) für den Unterricht zuhause ausgerüstet falls es Bedarf gab.
Ich denke das größte Problem ist die fehlende Flexibilität auf Schulamts-, Verwaltungs- und Ministerialebene. Diese hatten wir auch schon vor Corona, denn was Lehrkräfte von Anfang an gesagt bekommen ist, dass man Dinge selbst machen muss. Alle spielen nämlich Vorgaben nach unten weiter und schlussendlich muss die Schule selbst handeln, um handlungsfähig zu bleiben. Keiner möchte für etwas verantwortlich sein und so werden Schulen oft alleine gelassen. Die gut bekannte Verantwortungsdiffusion.
Fakt ist, dass wir ohne einen Kollegen, der sehr kompetenten Schulleitung, und mir an der Schule keinen funktionierenden Hybridunterricht umsetzen könnten. Das ist eigentlich das Traurige, wir leisten uns in Deutschland ein marodes und unterbesetztes Schulsystem und wundern uns dann, wenn in stürmischen Zeiten nichts mehr geht. Die Leidtragenden sind unsere Kinder, deren Bildung und schlussendlich deren berufliche Chancen.
Danke für eure Aufmerksamkeit, wenn ihr hier unten angekommen seid. Ich habe seit einiger Zeit das Bedürfnis gehabt mich etwas auszukotzen
Bleibt gesund
René