Lieber Ulf, lieber Philip,
wir sind fünf Lehrer:innen an einer Schule in Berlin, die seit Jahren digitale Tools für Unterricht und Kollaboration nutzen. Schon lange wünschen wir uns eine digitale schulische Plattform, die über eine reine Cloudlösung hinausgeht.
Wir freuen uns sehr, dass ihr im Podcast das Thema Schule besprochen habt. Wir fanden die Kritikpunkte sehr wichtig und freuen uns, dass die Probleme, die wir gerade sehr intensiv im Alltag erleben, öffentlich gemacht werden.
Nichts desto trotz stört uns die Aussage, die Schulen hätten sich während des Lockdowns nicht vorbereitet, weil die Öffentlichkeit dieses Versäumnis bei den Lehrer:innen im Vordergrund sieht. Deswegen würden wir gerne diesen Kanal benutzen, um unsere Situation zu verdeutlichen.
An unserer Schule arbeiten und lernen etwa 100 Lehrer:innen und ca. 1000 Schüler:innen. Neben dem Unterricht, der Klassenleitung, den Verwaltungsaufgaben, der Betreuung von Schüler:innen in der Quarantäne und der Sorge um die eigene Gesundheit im Präsenzbetrieb haben wir Fünf in den letzten Wochen auf eigene Initiative eine Lernplattform an unserer Schule installiert, Nutzungsvereinbarungen dazu mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt und alle Schüler:innen und Lehrer:innen unserer Schule mit selbst erstellten Fortbildungsmaterialien in der Praxis geschult.
Wir haben uns für einen „Softwaregiganten“ entschieden, denn wir wollten kein Patchwork aus verschiedenen und zudem instabilen Lösungen. Dafür fehlt uns die Zeit. Der Berliner Lernraum hatte sich in der erste Lockdownphase als nicht zeitgemäß sowie unzuverlässig erwiesen und damit eher als Belastung im Schulalltag.
Alleine in Berlin gibt es 800 Schulen und in Sachen Digitalisierung läuft es seit Jahren genauso wie bundesweit auch: von allen Schulen wird erwartet, dass die Lehrkräfte nebenbei das Rad neu erfinden, insgesamt 800 Mal. In der Wirtschaft hätte ein Unternehmen mit dem gleichen Ansatz schon vor Jahren Insolvenz anmelden müssen. Immer wieder hören wir das gleiche: “hätten die Schulen sich nur gekümmert.” Es fehlt nicht an dem Engagement der Lehrkräfte oder Schulen: es fehlt an Koordinierung, es fehlt an Fortbildung, es fehlt an Einheitlichkeit. Der derzeitige Flickenteppich ist die Folge der veralteten, unentschlossenen Bildungspolitik, nicht der Pädagogik.
In der gesamten Stadt gibt es keine Instanz, keine Person, keine Behörde, die die Aufgabe hätte, Lösungen zu suchen oder Beratung anzubieten. Der Arbeitsauftrag der Datenschutzbeauftragten, liegt darin, Probleme zu finden und den Schulen aufzuzeigen, was alles nicht geht, was nicht in Ordnung ist und was nicht datenschutzkonform ist. Es geht so weit, dass nicht einmal die selbst entwickelten Lösungen (Lernraum Berlin bzw. HPI Schulcloud) von den Datenschutzbeauftragten empfohlen werden. Die HPI Schulcloud – in eurem Beitrag als Alternative zu den Softwaregiganten genannt, wurde an wenigen Exzellenzschulen entwickelt und stand dadurch Jahrelang kaum einer Schule zur Verfügung - die Bewerbung unserer Schule für HPI wurde abgewiesen, da wir den Status der Exzellenzschule nicht erfüllen.
Wir fühlen uns von der Politik allein gelassen – und da reden wir nicht nur von der Bundes- wie Landesregierung, sondern auch von der Gewerkschaft, die sich bis jetzt kaum konstruktiv zur Digitalisierung an Schulen in Zeiten von Corona geäußert hat. Gleichzeitig sind wir sehr stolz auf uns, weil wir aus eigener Kraft eine digitale Lösung für uns gefunden haben – der Bedarf an der Schule ist enorm und die Plattform wird stark genutzt. Wir sind bereit für einen eventuell weiteren Lockdown und die Betreuung von Schüler:innen beim Lernen zu Hause.
Dass wir diese Aussage jetzt treffen können, liegt nur an der Eigeninitiative einer kleinen Gruppe von Lehrer:innen und einem Softwaregiganten, der die beste praktikable Lösung angeboten hat: zuverlässig verfügbar, vielfältig nutzbar, kostenfrei. Die Ermäßigungsstunden, die uns für dieses Projekt von Senatsseite zugestanden wurden, entsprachen nicht mal ein Zehntel der Zeit, die wir alleine am Wochenende dafür investiert haben. Wenn die Digitalisierung an den Schulen scheitert, dann liegt es nicht an den Lehrern, sondern daran, dass für diese Aufgabe keine Ressourcen, keine Zeit, keine Entlastung, keine Expertise und keine technische Betreuung zur Verfügung gestellt wird. Dafür weist jeder darauf hin, was nicht geht, aber niemand übernimmt Verantwortung und handelt.
Vielen Dank für den Platz für unsere Äußerung
Fünf selbständige Digitalisierer aus Berlin