LdN 214: BioNTech/Pfizer Impfstoff

Hallo zusammen,

bei eurer Interpretation der 90%igen Effektivität aufgrund der Interimsanalyse der Studie ist glaube ich etwas schief: nachdem sich bei 94 Teilnehmern der Studie COVID-19 nachweisen liess (erkenntlich anhand von Symptomen), hat das unabhängige Data Monitoring Committee die Verblindung für diese Teilnehmer aufgehoben und festgestellt, dass 90% dieser Menschen im Placebo-Arm der Studie waren.

Aus dem Studienprotokoll (https://pfe-pfizercom-d8-prod.s3.amazonaws.com/2020-11/C4591001_Clinical_Protocol_Nov2020.pdf):

‚For Phase 2/3, the VE (Vaccine Effectiveness) evaluation will be the primary objective. The VE is defined as VE = 100 × (1 – IRR), where IRR is calculated as the ratio of the first confirmed COVID-19 illness rate in the vaccine group to the corresponding illness rate in the placebo group.‘

Das sagt nichts über die Infektion aus, nur etwas über den Ausbruch der eigentlichen Krankheit - aber das war auch nicht der primaere Endpunkt der Studie, welcher ist:

‚To evaluate the efficacy of prophylactic BNT162b2 against confirmed COVID-19 occurring from 7 days after the second dose in participants without evidence of infection before vaccination‘.

Vielen Dank ansonsten für euren sensationell guten Podcast!!

Micha

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Die Interpretation, dass "90% dieser Menschen [bei denen man COVID-19 nachgewiesen hat] im Placebo-Arm der Studie waren“ ist aber meines Wissens nach auch nicht richtig wenn es um Impf-Effektivität geht.

Es handelt sich um die " proportionale Reduktion der Inzidenzrate der Zielerkrankung unter geimpften im Vergleich zu ungeimpften Personen" (hier der Wikipedia Artikel) (Der einzige Unterschied zwischen Impfstoff-Wirksamkeit und Impfstoff-Effektivität liegt im Studien-design, nicht in der Berechnung).

Dass die beiden Interpretationen nicht gleich sind, sehen wir wenn wir uns die Formel für VE (Vaccine Effectiveness) angucken (siehe z.b. Wikipedia):

Angenommen es werden 1000 Leute geimpft und 1000 Leute nicht geimpft.Wenn sich 85 Leute der nicht geimpften (Placebo) und 9 Leute der geimpften erkranken würden (also 94 insgesamt), dann hätten wir eine Impfstoff-Effektivität von (85/1000 - 9/1000)/(85/1000)*100 = 89.41 %.

Bei der Interpretation, dass X % der erkrankten in der Placebo-Gruppe waren, käme folgende Berechnung bei unserem Beispiel raus: 85/94 = 90.4%.

Dass dies kein Rundungsfehler ist, lässt sich bei einem extremeren Beispiel zeigen:

Angenommen, 50 Leute der nicht geimpften und 44 Leute der geimpften würden sich anstecken , dann hätten wir eine Impfstoff-Effektivität – also eine proportionale Reduktion der Inzidenzrate - von (50/1000 - 44/1000)/(50/1000) = 12%. In diesem Beispiel wären 50/(50 + 44) = 50.5% der erkrankten in der Placebo-Gruppe, was klar nicht der Impfeffektivität entspricht.

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Danke für die Präzisierung, dandan.

Leider kann man es immer noch nicht genau selber nachrechnen, da zur Berechnung von IRR wohl nicht einfach der Bruchteil Erkrankter genommen wird, sondern das obere bzw. untere Ende eines Konfidenzintervalls. Diese Zahlen hängen dann von der genauen Größe der beiden Gruppen und der gewählten Breite des Intervalls ab.

Vielleicht findet man diese Werte irgendwo, aber da möchte ich jetzt nicht auf die Suche gehen.

Das nur zur Erklärung, falls sich jemand wundert, wieso er beim Nachrechnen nicht auf runde Werte kommt. Daher kommt übrigens auch die Formulierung „at least 90%“.

Ich habe es auch so verstanden, dass es insgesamt um die 40.000 Studienteilnehmer gab, von denen in einem bestimmten Beobachtungszeitraum 94 an Covid-19 erkrankt sind. Von diesen 94 waren wohl 9 schon 2x geimpft. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu den teilnehmden geimpften bzw. der teilnehmenden Kontrollgruppe, ergibt sich somit eine Reduzierung der anteiligen Infektionsfälle um 90%.

Ohne es kontrolliert zu haben, vermute ich, dass die Studie nur von der Verhinderung von Covid-19, nicht aber von der Verhinderung von Infektionen spricht, darauf zurückzuführen ist, dass wahrscheinlich nicht alle 40.000 Teilnehmer alle paar Tage auf Covid-19 getestet wurden, sondern vielmehr jeder der Symptome irgendwelcher Art verspürte sich testen lassen musste.
Wenn es dann so zu 94 positiven Testergebnissen gekommen ist, von denen nur 9 zur Impfgruppe gehörten, weiß ich aber noch nichts wievilele asymptomatisch Infizierte es in beiden Gruppen gab, ob also auch die Zahl der infizierten um 90% reduziert werden konnte.

Es bedeutet aber nicht, dass man jetzt schon weiß, dass die Impfung nur die symptomatische Erkrankung verhindert.

Aber wie gesagt: Reine Vermutung ohne großes Hintergrundwissen…Aber vielleicht könnt ihr dem ja nochmal nachgehen.

Dank an die Vorkommentierenden! Auch ich bin in dem sonst hervorragenden Podcast über die Beschreibung der Studie ab Minute 38 gestolpert. Im Bezug auf die 90% Impfstoff- Wirksamkeitsrate schließe ich mich an.
Nach der näheren Durchsicht des Studienprotokolls noch ein paar Anmerkungen was nach meinem Verständnis dort beschrieben wird.

  • Primärer Endpunkt der Studie: „COVID-19 incidence per 1000 person-years of follow-up based on central laboratory or locally confirmed NAAT in participants with no serological or virological evidence (up to 7 days after receipt of the second dose) of past SARS-CoV-2 infection“
    Darauf wird getestet. Dass ist die Hauptfragestellung. COVID-19 ist die Erkrankung (also keine Menschen mit positivem PCR-Test aber ohne Symptome). Man vergleicht also das Auftreten der Erkrankung (mit PCR-Abstrich (NAAT = nucleic acid amplification test) der das Vorhandensein des Virus SARS-CoV-2 nachweist, in den beiden Studienarmen.
  • Die Studie ist in der Phase 2/3 1:1 randomisiert. Das heißt zu gleichen Teilen bekommen die Patienten die Impfung entweder mit dem Impfstoff ( BNT162b2) oder den Placeb0 (Normal saline (0.9% sodium chloride solution for injection)). Bei ca. 40.000 Studienteilnehmerinnen haben also ca. 20.000 den Impfstoff erhalten. Die Studie ist doppelt verblindet. Weder die Porbandinnen noch die Ärztinnen welche die Probandinnen untersuchen und den Verlauf dokumentieren wissen, welches Mittel verabreicht wurde.
  • „In participants with no serological or virological evidence (up to 7 days after receipt of the second dose) of past SARS-CoV-2 infection“
    Das verstehe ich so: Die Probandinnen werden in die Studie eingeschlossen. An Tag 1 wird die erste Injektion appliziert, an Tag 21 die zweite. An Tag 28 beginnt der Beobachtungszeitraum, wenn die Probandin sowohl in dem PCR Test von Tag 1 als auch 21 als auch im Antigentest von Tag 1 (Nachweis einer bereits abgelaufenen Infektion) immer negativ getestet wurden. All diese Proband*innen werden dann beobachtet. Bis zur Interimsanalyse wurden eben 94 Infektionen festgestellt. (Nach dandans Berechnung 85 in der Placebo-Gruppe und 9 in der Verumgruppe. Aber da es sich nur um eine Pressemittelung handelt und noch keine Veröffentlichung muss man sich das zum aktuellen Zeitpunkt leider so zusammenpuzzeln.)
  • Noch ein Hinweis zum Studienablauf, der das Verständnis erhöhen könnte. Die Proband*innen werden an Tag 1, Tag 21 und dann im Follow-up 1/6/12/24 Monate danach geplant untersucht. Zudem gibt es die Option für ungeplante Untersuchungen (Potential COVID-19 Illness Visit und Potential COVID-19 Convalescent Visit) . Nur beim Potential COVID-19 Illness Visit erfolgt eine PCR-Testung auf SARS-CoV-2. Ich vermute dass bei solchen Untersuchungen die 94 Infektionen aufgetreten sind (again: leider bisher nur eine Pressemeldung)

Und hier noch die Quellen:
https://www.pfizer.com/science/coronavirus

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