Hi,
in der letzten Folge kommt ihr zu dem Schluss, Trump-Wähler würden eindeutig gegen ihre eigenen Interessen stimmen, wenn sie nicht zu den oberen 1 bis 5 Prozent gehören. Ihr vermutet daher, ihre Zustimmung sei völlig irrational und daher eigentlich nur durch tribalism („Stammeszugehörigkeit“) und Manipulation durch Medien zu erklären.
Das ist aber zu kurz gedacht und verhindert einen klaren Blick auf die Verhältnisse in den USA.
Um wirklich rein beim finanziellen Eigeninteresse zu bleiben: Ein großer Teil der Amerikaner ist im Aktienmarkt investiert (etwa 55% [1]), z.B. über einen 401(k) Plan oder zur rein privaten Altersvorsorge. In Trumps vier Jahren hat sich der Aktienmarkt sehr positiv entwickelt [2]. Das ist kein kleines Detail, das sieht ja jeder am Kontostand.
Weiter zum Punkt Handel mit China: Wenn man China und die USA in einem Streit um die globale Vorherrschaft sieht, dann ist eine Verschiebung der Handelsbilanz weg von China und hin zu Vietnam ein Erfolg.
Natürlich ist es auch nicht fair, zu sagen, Menschen sollten bei einer demokratischen Wahl alleine ihrem finanziellen Eigeninteresse folgen. Dinge wie die radikale Ablehnung von Abtreibung oder die Verteidigung des Rechts auf Waffenbesitz mögen hierzulande merkwürdig wirken, machen für sich genommen aber noch kein „Stammesdenken“.
Etwas flapsig gesagt: Der Papst ist auch gegen Abteibung - und der wird es nicht von Fox News haben.
Man kann es auch von einer anderen Richtung betrachten: Vor Trumps Wahl 2016 gab es in Deutschland viel Protest gegen TTIP, besonders aus dem linken Spektrum. Wenn nun jemand gut findet, dass es wegen Trump zu diesem Abkommen nicht kam, ist das auch tribalism?
Ich bin der Letzte, der an Trump gerne irgendwelche positiven Seiten entdeckt; mir wird schlecht wenn ich ihn reden höre.
Aber es ist wirklich niemandem gedient, wenn man nicht wenigstens versucht zu verstehen, wie Leute ticken, mit denen man nicht einer Meinung ist.
Die Fähigkeit oder Unfähigkeit dazu reflektiert letztlich den eigenen Horizont, der geprägt ist von dem, was ihr tribalism nennt. Es ist deswegen nicht ganz ohne Ironie, dass ihr an der Stelle zu dieser Erklärung greift.
Viele Grüße!
PS: Sonst höre ich euren Podcast sehr gerne
[1] Most Americans Don’t Have A Real Stake In The Stock Market
[2] S&P 500 (^GSPC) Charts, Data & News - Yahoo Finance