LdN 211 Geheimdienste sollen Trojaner bekommen

Liebes Lage-Team,
vielen Dank erst einmal für eure vielen guten Beträge!
Zu dem, in dieser Folge besprochenen Kapitel über die Befugnisse der „Geheimdienste“ möchte ich jedoch folgende Kritik loswerden.
Zunächst einmal sollte auf das wording geachtet werden. In der BRD gibt es keine Geheimdienste, sondern lediglich Nachrichtendienste. Unter Geheimdiensten versteht man Dienste mit polizeilichen Exekutivbefugnissen im engeren Sinne, d.h. dass sie insbesondere auch Zwangsmaßnahmen durchsetzen, wie Verhöre und Verhaftungen oder auch körperliche Gewalt. Daher können Dienste, wie etwa die Stasi oder gewisse russische Dienste so bezeichnet werden (vgl. Tiergartenmord). Entsprechende Exekutivbefugnisse im engeren Sinne haben deutsche Dienste gerade nicht, weshalb man sie auch nicht begrifflich in einen Topf mit den vorgenannten werfen sollte. Die deutschen Dienste sind Nachrichtendienste.
Wie der Name schon sagt, beschaffen sie speziell festgelegte Arten von Nachrichten und zwar (wie auch in anderen rechtsstaatlichen Nationen) mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Dazu gehören jeher auch gewisse heimliche Mittel, ansonsten wären die Dienste normale Nachrichtenagenturen und man bräuchte sie nicht wirklich neben den privaten Nachrichtenagenturen. Die Bedarfsträger in den Bundes- und Landesregierungen sehen jedoch offensichtlich einen Bedarf an solchen Nachrichten, um bei ihren z.T. weitreichenden Entscheidungen auf Basis auch solcher Erkenntnisse entscheiden zu können.
Durch die Befugnis zur Q-TKÜ wird in erster Linie darauf reagiert, dass sich insbesondere die Kommunikation mehr und mehr in den digitalen Raum verlagert. Das heißt nicht, dass jeder Bürger eine Überwachung befürchten muss. Entsprechende Maßnahmen sind an strenge rechtliche Voraussetzungen geknüpft. Wer sich nicht gerade im Umfeld staatsgefährdender Gruppierungen umtreibt, ist für den Verfassungsschutz nicht von Interesse.
Natürlich besteht im Rahmen jeder zugesprochenen Befugnis die Möglichkeit des Missbrauchs, weshalb eine wirksame Kontrolle wichtig ist. Das diese im Rahmen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit schwerer auszugestalten ist liegt m.E. in der Natur der Sache. Wichtig ist doch daher, dass insbesondere die handelnden Mitarbeitenden der Dienste zu den Grundwerten der Verfassung stehen. Durch die umfangreiche Sicherheitsüberprüfung ist dies sicherlich in einem höheren Maße sichergestellt als bspw bei der Polizei. Missbrauchsfälle, wie sie Ulf beschreibt dürften m.E. eher theoretischer Natur sein und zeugen von einem grundsätzlichen Misstrauen gegen solche Dienste. Ob ein solch generelles Misstrauen heute noch ggü. deutschen Diensten gerechtfertigt ist wage ich zu bezweifeln.

Du kannst doch nicht ernsthaft von uns verlangen, dass wir diesen Schlapphut-Euphemismus mitmachen. Immerhin sprechen wir ja nicht Grundrechtsverletzungsbehörden, was auch nicht falsch wäre: Die deutschen Geheimdienste greifen massenhaft in Grundrechte ein, und ihr Ertrag ist … sagen wir es freundlich: nicht messbar. Wenn man sich anschaut, wer so alles rechtswidrig überwacht wird und wie viele Nazis finanziert werden, dann ist der Ertrag für die Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland vermutlich negativ.

Natürlich besteht im Rahmen jeder zugesprochenen Befugnis die Möglichkeit des Missbrauchs, weshalb eine wirksame Kontrolle wichtig ist. Das diese im Rahmen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit schwerer auszugestalten ist liegt m.E. in der Natur der Sache.

Nein, das wäre ganz einfach, wenn man es nur wollte: Alle Maßnahmen müssten schriftlich dokumentiert und einer externen Kontrollstelle vorgelegt werden, zudem müsste der Bundesdatenschutzbeauftragte vorbehaltlos in alle Akten und Systeme schauen dürfen. Und die Ausnahme von der Rechtsweggarantie gehört gestrichen, damit eine gerichtliche Kontrolle möglich wird.

Schlapphut-Euphemismus hin oder her, ich denke schon, dass die Bilanz der Sicherheitsdienste und damit auch des Verfassungsschutzes nicht ganz so desaströs aussieht wie hier beschrieben. Es wurden in den letzten Jahren wohl so einige Terroranschläge verhindert, vermutlich hatte auch der Verfassungsschutz seinen Anteil daran.

Nichtsdestotrotz gab und gibt es vermutlich immer noch eine gewisse Blindheit auf dem rechten Auge. Auch deswegen sollten wir über erweiterte Kontrollmechanismen für unsere Nachrichtendienste nachdenken.

Das wird immer wieder kolportiert, aber sobald Journalisten mal nachfragen, fällt den Sicherheitsbehörden dazu nur ein: kein Kommentar.

Abgesehen davon muss man sich ja die Frage stellen, warum ausgerechnet die Schlapphütte auch noch für Terrorabwehr zuständig sein sollen. Eine Konzentration der Zuständigkeit bei der Polizei würde ja nicht dazu führen, dass mit einem Mal nicht mehr in Sachen Terrorismus ermittelt würde. Im Zweifel wäre die Abwehr des Terrorismus sogar effektiver, weil die Zuständigkeit nicht mehr zwischen mehreren Behörden zersplittert wäre.

Ich habe häufig den Eindruck, dass die Entscheidungshoheit über die Antwort bei Anfragen verschiedener Natur, sei es eine journalistische oder eine parlamentarische, Personen obligt, die selber zu wenig Sicherheit in dem jeweiligen Bereich aufweisen und an Stelle einer klaren Antwort das sichere „kein Kommentar“ wählen.

Im Hinblick auf einen funktionieren Kontrollapparat bin ich voll bei @vieuxrenard. Wo bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben regelmäßig ein Richtervorbehalt besteht, sollte ein gleichwertiges Äquivalent bei der Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben bestehen. Gleichwertig insbesondere was die Unabhängigkeit betrifft. Der hohe geheimhaltungsgrad der Inormationen mit denen die Nachrichtendienste arbeiten, sollte aber auch berücksichtigt werden.

Mit einer funktionierenden Regelung i.S. Kontrolle, stünde m.E. auch der Durchführung von QTKÜ nicht entgegen. Die Kommunikation verlagert sich vom gewöhnlichen Telefonat zunehmend auf Messanger. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, ist diese Befugnis notwendig. Ist Missbrauch durch Regelungen hinreichend ausgeschlossen eigentlich auch vertretbar.

Vorweg möchte ich ein richtig großes Dankeschön für das Aufgreifen dieser Thematik aussprechen! Nach dem Podcast wollte ich dazu gleich mehr recherchieren und schnell merkte ich, diese Novelle bisher sehr wenig mediale Reichweite erlangte, deshalb bitte weiter solche Themen aufgreifen.
Ich denke, das liegt z.T. auch am angesprochenen Kompetenz-Wirrwarr, danach wirken Informationen hinsichtlich Befugnisse von Sicherheitsbehörden sehr schnell verwirrend und viel zu technisch. Was das alles für gesellschaftliche Auswirkungen hat, oder welche politischen Hintergründe, geht dann häufig eher unter.

Hier noch meine weiteren Gedanken und Fragen dazu:

Die Bundesregierung schreibt: „Zur verbesserten Bekämpfung des Rechtsextremismus ist außerdem die erweiterte Beobachtung auch von Einzelpersonen vorgesehen - dies als Reaktion auf das Phänomen isolierter Einzeltäter - wie beispielsweise in Halle oder Hanau.“ Frage: was bedeutet die erweiterte Beobachtung von Einzeltätern? Und, hat das der Vs nicht auch vorher schon so gemacht? Fasst diese Befugnis überhaupt das „Phänomen des isolierten Einzeltäters“ richtig? Und, was heißt es, wenn der VS immer noch von Einzeltätern spricht, obwohl sich diese selbst als Teil eines sozialen Zusammenhangs sehen?

Die politische Reaktion auf die Gefahr des Rechtsextremismus und damit auch z.T. Rechtsterrorismus ist eine Extremismus-Studie und eine VS-Gesetzesnovelle. Die Studie, wie ihr ja schon im Podcast gesagt habt, wird in diesem Rahmen nicht viele neue Erkenntnisse bringen und die Novelle ist massiv gefährlich. Die eigenen braunen Flecken im VS werden wenn überhaupt nur durch die „Verschärfung“ des SÜG berührt. Ich möchte fast sagen, es ist eine Art Aktionismus, aber gleichzeitig ist irgendwie klar, dass dahinter ein bewusst ausbleibender politischer Wille steht.

Wenn bereits polizeiliche Möglichkeiten zur TKÜ bestehen, dann sollten andere Präventionsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, wie z.B. das komplexe Thema der Kontrolle von Plattformen. Was hier passiert ist schon wieder eine Ausweitung von Überwachungs-Maßnahmen kurzfristig legitimiert durch Terrorismus und Sicherheit, die bestehen bleiben werden.