Hallo miteinander,
vielen Dank für Euren Diskurs zu den Monopol-Plattformen! Mit der Betonung auf die Monopoleigenschaft habt Ihr meiner Meinung nach schon genau in die richtige Richtung sowohl des Ursprungs des Problems, als auch in Richtung eines (IMHO) praktikablen Lösungsansatzes gezeigt.
Mal vorne weg: Wenn man das Monopol von Facebook kritisiert, dann sollte man sich die Mühe machen, die „Monopolisierungs-Geneigtheit“ aller digitaler Themen anzusehen.
Denn was wir bei FB sehen, ist meiner festen Überzeugung nach „nur“ eine konsequente Fortentwicklung der Monopolneigung aller Geschäftsmodelle zusammen, die mit Informationen als Ware handeln.
Die ganz analoge Zeit bis in die zweite Hälfte des jetzten Jahrhunderts will ich mal außen vor lassen. Wobei der Begriff Herrschaftswissen, der in Monopolen steckt, natürlich immer eine wesentliche gesellschaftliche Bedeutung hatte. Nach meinem Verständnis wurde doch Demokratie und Gewaltenteilung genau dazu erfunden, zu verhindern, dass sich Autokraten so viel Herrschaftswissen aneignen, dass sie willkürlich gegen die Interessen agieren können, die das Herrschaftswissen nicht hatten. So betrachtet ist Trump dann auch kein Zufall sondern folgerichtige Konsequenz eines Rückfalls in die Monopolisierung von Herrschaftswissen, aber da will ich noch nicht hin …
Kritisch für die Marktwirtschaft wurde die Entwicklung von „Wissen und Wissensinfrastruktur als Produkt“ mit der Digitalisierung: Während man bei AT&T und IBM deren Monopol-Positionen inkl. Monopol-Missbrauch aktiv sanktioniert hat, hat man bereits bei Microsoft trotz nachweislichem Machtmissbrauch bei DOS und Windows die Zügel genauso schleifen lassen, wie in dem (damals!) unbedeutend aber stets autokratischen Digital-Biotop von Apple. Wir erinnern uns bei der Gelegenheit, dass Apple seinerzeit von Microsoft(!) gerettet werden musste, damit Microsoft ein halbwegs glaubhafter Konkurrent erhalten bleibt. Der damalige Hass von Microsoft auf „Freie Software“ bestand auch darin, dass Microsoft Freie Software nicht auf die marktwirtschaftlich ruinöse Ebene bekommt, auf der sie sie mit ihrem genau so platt machen konnte, wie alle anderen ehemaligen Wettbewerber (Digital Research, Novell, Lotus, auch-selbstverschuldet-IBM, Netscape, u.v.m.).
Während die Marktwirtschaft gemeinhin den Wettbewerb zum Nutzen des Kunden predigt und auch das Kartellrecht zur Verhinderung von Monopolen vorsieht, hat man eben jenes Kartellrecht im digitalen Umfeld „seit Microsoft“ nicht nur nicht angepasst, um Machtmissbrauch in der Digitalwirtschaft zu verhindern. Man hat gleichzeitig auch Monopolrechte - hier insbesondere das Urheberrecht und Privilegien bei den Geschäftsgeheimnissen (Quellcoe-„Verheimlichung“ …) auch so verlottern lassen, dass man ab einer gewissen Marktposition den Wettbewerb killen konnte. Beleg für ist, dass VCs offen kommunizieren, nur in Geschäftsmodelle zu investieren, die ausreichend glaubhaft Lock-In-Zwange bei den Kunden erzeugen, um so quasi-Monopole und damit die Lizenz zum Geld drucken zu bekommen.
Und da sind wir dann bei den sozialen Plattformen: Ohne angepasste Monopol-Gesetze haben wir zugeschaut, wie diese Lock-Ins dazu geführt haben. dass wir heute nicht nur das Duopol von Apple und Microsoft im Desktop-Umfeld haben, sondern auch, wie Amazon, Google und Facebook Quasi-Monopole über die Mechanismen des Überwachungskapitalismus (S. Zuboff) errichten konnten. Auch Microsoft ist auf den Zug der Cloudifizierung aufgesprungen und muss deshalb Freie Software und Linux auch nicht mehr verdammen, sondern kann sie als Mittel zur Errichtung von Dienste-Lock-Ins ihrer Bestandskunden benutzen (Azure, Office 365, …).
Um das zusammen zu fassen: Meiner Überzeugung nach haben im Westen ein massives Wettbewerbs-Defizit dadurch entstehen lassen, dass wir heute realitätsfremde Regelungen im Immaterialgüterrecht +/- unverändert in die digitale Zeit übernommen haben.
Ich denke schon, dass es sinnvoll ist, dass man Erfindern und Schöpfern zeitlich befristete Monopole als Vergütung ihrer Arbeit gewähren soll. Nur sind die Zeitfenster undifferenziert und vollkommen aus der Zeit gefallen. Bei IT-Hard und Software dürfen Monopolrechte nicht bis Jahrzehnte nach dem Tod des Autoren den weiteren technologischen Fortschritt behindern!
In dem Maße, in dem wir von Monopolrechten bevormundet und von beweisbarem Hintergurndwissen abgeschnitten werden, sind wir uns über die Konsequenzen unserer Handlungen gesamthaft bewusst. Das Klicken auf einen Link führt bekanntlich nicht nur uns zu einer Information, sondern auch die Vermittler zu Informationen über uns, über deren Tragweite wir nur allgemeine Warnungen hören.
Faktisch sind wir ohnmächtig und gezwungen, Dritten (Herstellern von proprietärer Hard- und Software) blind zu vertrauen, was deren Systeme tun und was sie nicht tun! Über die Monopolrechte werden wir auch digital enteignet: Das smarte Handy, Auto, Haus, wird auch nach dem Übergang in unser Eigentum noch von der monopolgeschützten Hard- und Software gesteuert, von der wir nur glauben dürfen, dass sie uns gegenüber loyal handelt.
Selbst unabhängige Experten dürfen wir nicht beauftragen, mal nachzusehen und zu beweisen, was die Hard- und Software neben den zugesagten Eigenschaften noch alles kann und tut. Wir brauchen „gute Hacker“, die uns Einblicke in die Realitäten hinter den Fassaden verschaffen. Und nicht grundlos werden diese Hacker an den Rand der Legalität verbannt - weil sie die Wissensmonopole in Frage stellen.
Aus meiner Sicht schließt sich da auch der Kreis von GAFAM, Trump, Fake News und der massiven Verunsicherung der Bevölkerung: Wir werden zunehmend gezwungen, unbekannten Dritten auf ihren alternativlos-verdongelten Plattformen zu glauben, was sie uns versprechen. Und wir können dort nur tun, was uns gestattet wird. Die Eigentümer setzen (wie ihr ja auch kritisiert) ihr eigenes Recht unabhängig vom Werte- und Rechtssystem ihrer Kunden durch. Bei GAFAM & Co. läuft das am Ende auf angelsächsisches und bei chinesischen Unternehmen auf chinesisches Recht hinaus. In beiden Systemen sehe ich die die Kunden aber zu Konsumenten und die Bürger zu „Unsouveränen“ degradiert.
Als Lösung kann der Staat die Zügel nicht in die Hand nehmen. Man stelle sich Herrn Trump mit der digitalen Allmacht von GAFAM vor: Ein autokratisches Spiegelbild Chinas oder Russlands
Eine friedliche Lösung kann IMHO darin liegen, das digitale Herrschaftswissen so zu schwächen, dass Lügen und Betrug zumindest sicher nachweisbar werden. Und dazu müssen wir meiner Meinung nach an die Monopolrechte ran, die wie eine Mauer vor dem Herrschaftswissen unserer Zeit stehen. Der Diesel-Skandal wäre früher aufdeckbar gewesen, wenn wir der Quellcode der Bosch-Steuerungen z.B. 5 Jahre nach Markteintritt von Amtswegen offen gelegt hätten. In diesem Zeitraum muss sich eine solche Software auch auszahlen. Denn unser Interesse, nicht langfristig über Software und IT-Architekturen betrogen und bevormundet zu werden, muss dem Entlohnungsinteresse der Erfinder und deren Vermarkter in Einklang gebracht werden.
Herr Voss ist letztes Jahr mit der Urheberrechtsreform genau in die entgegen gesetzte Richtung gegangen, indem er unzeitgemäßes Monopolrecht aus der analogen Zeit einfach in unsere digitale Gegenwart hat fortschreiben lassen. Nicht nur, dass er damit der Monopolrechte-Wirtschaft wirtschaftlich überflüssige Geschenke gemacht und gleichzeitig Bürger bei einer modernen, Ende-zu-Ende Kommunikation behindert hat: Er hat es eben auch versäumt, die Schutzfristen dem Schutzgegenstand entsprechend anzupassen.
Es mag auch heute noch ok sein, wenn das Urheberrecht an einem Roman erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors endet. Bei IT-Hard- und Software wirken Jahrzehntelange Monopol- und Geheimhaltungsrechte entmündigend.
Die von Euch kritisierte Ermächtigung von Plattformen wie Facebook sehe ich als Konsequenz der Entmündigung der Bürger, die sich in dem Maße in die Gesellschaft ausdehnt, in dem diese monopolisierten Infrastrukturen und Geräte uns allgegenwärtig begleiten, informieren und „beraten“.
Für mich liegt eine nachhaltige Lösung darin, die Monopolrechte so anzupassen, dass Betrug kurze Beine bekommt und dass Datenstrukturen interoperabel werden: Digitale Geheimnisse müssen wenige Jahre nach Markteinführung offen und „Stand der Technik“ werden, auf den alle anderen aufsatteln können. Das ist der Gedanke, der Patenten zugrunde liegt und auf den sollte man sich wieder besinnen: Versionsverwaltungen sind erfunden und es spricht IMO nichts dagegen, das digitale Urheberrecht der Software eines IoT-Gerätes daran zu knüpfen, dass der dazu notwendige Quellcode von Beginn an beim Patent- und Markenamt hinterlegt, dort vom Hersteller weiter aktuell gehalten wird und nach einer Maximal-Dauer oder beim erklärten End of Life veröffentlicht und zur Public Comain erklärt wird. Dann kann man auch nach grober Fahrlässigkeit oder Backdoors suchen - was die Hersteller zur prinzipiellen Loyalität mit ihren Kunden veranlassen könnte.
Auch könnte man Hardware-Hersteller zur Bereitstellung vollständiger und offener Schnittstellen ihrer Produkte verpflichten und den Auslieferungszustand von Hard- und Software-Kombinationen nur in der Form erlauben, dass proprietäre Betriebssysteme nur als virtuelle Instanzen mitgeliefert werden. Dadurch kann der Wettbewerb auf der Ebene der Hardware gestärkt werden und der Lock-In z.B. bei Apple oder zukünftiger IoT und IIoT-Hardware geschwächt werden.
Und zurück zu den sozialen Monopolplattformen: Was spricht dagegen, dass jede Plattform auch jenseits von umständlichem HTML- sowie bevormundendem App-Interface digitale Schnittstellen zur Verfügung zu stellen hat, die das vollständige Dienste-Angebot auch für die Nutzer und in deren Auftrag auch für Wettbewerber öffnet? Ein Open Source Client für Facebook, über den wegen der offenen Schnittstelle auf die ganze FB-Funktionalität zugegriffen werden kann - inkl. Löschung und Migration -, nimmt Facebook ein Stück weit den Schrecken.
Der Konsument muss wieder tatsächlich Kunde und der Bürger wieder Souverän werden, damit mir auch im Digitalen Raum Aufklärung und Demokratie hin bekommen! My 2ct …
Ups, ganz schön lang geworden, sorry …