Hi,
in der letzten Lage hieß es, das Wachstum der Corona-Neuinfektionszahlen sei bedenklich, da es nun ja exponentiell sei.
Das habe ich in verschiedenen Varianten schon oft gehört, auch z.B. bei tagesschau.de.
Das ist aber nicht richtig, oder zumindest irreführend. „Exponentiell“ bedeutet nicht „sehr schnell“.
So lange nur wenige Menschen immun sind, gibt es entweder eine exponentielle Ausbreitung oder einen exponentiellen Abfall der Neuinfektionen. Das wäre nur in dem Extremfall nicht so, in dem die Reproduktionszahl R_t über lange Zeit hinweg exakt bei 1,0 läge.
Corona breitet sich also weiterhin exponentiell aus, nicht erst neuerdings.
Was sich tatsächlich neuerdings geändert hat, ist die Rate mit der es sich exponentiell ausbreitet. Die ist vor 2-3 Wochen recht plötzlich stark angestiegen (möglicherweise sieht man darin einen ja auch von Drosten angesprochenen Perkolationseffekt).
Das exponentielle Wachstum sieht man dann klar, wenn man die täglichen Neuinfektionen mit logarithmischer y-Achse darstellt, so wie man das z.B. bei An interactive visualization of COVID-19 | 91-DIVOC kann. Ein linearer Verlauf entspricht in dieser Darstellung dann einer exponentiellen Ausbreitung oder einem exponentiellen Abfall. In Deutschland haben wir also seit etwa Mitte Juli wieder eine exponentielle Ausbreitung.
Das ist jetzt auch keine eitle Klugscheißerei, denn daran kann man erkennen, dass wir Corona tatsächlich nur im Zeitraum April-Juni unter Kontrolle hatten, als die meisten Menschen meinem Eindruck nach noch zu recht harten persönlichen Einschnitten bereit waren.
Exponentielles Wachstum ist auch dann ein Problem, wenn die Rate relativ gering ist. Das sieht man deutlich in dem verlinkten Plot: Auch dann, wenn die Wachstumsrate vor 2-3 Wochen nicht deutlich angestiegen, sondern gleich geblieben wäre, hätten wir in ca. 2 Wochen die gleichen täglichen Neuinfektionszahlen wie heute.
Viele Grüße!