LdN 210 / 211: Beherbergungsverbote

Hi,

bei eurer Diskussion der Beherbergungsverbote bzw. deren Verhältnismäßigkeit lasst ihr einen Punkt aus, ohne den eine sinnvolle Einordnung eigentlich nicht möglich ist. Tatsächlich scheint mir eure Schlussfolgerung, diese Beherbergungsverbote seien nicht verhältnismäßig, nur dann so offensichtlich zwingend zu sein, wenn man diesen Punkt ignoriert.

Das ist ganz allgemein die Rolle der Mobilität bei der Ausbreitung der Pandemie.

Ein Beispiel: Wenn bei einem Superspreading-Event 10 Menschen zusammenkommen, und diese kommen alle aus dem selben Ort, dann kann dieser Cluster durch lokale Maßnahmen effektiv isoliert werden; ein einziges Gesundheitsamt kann die Kontakte verfolgen. So ähnlich wie das z.B. Anfang des Jahres bei dem Webasto-Cluster der Fall war. Wenn stattdessen die 10 Leute nach der Veranstaltung alle quer durch Deutschland nach Hause fahren ist das nicht möglich.

Das wird zum Beispiel auch in diesem Science-Artikel nochmal erklärt: https://science.sciencemag.org/content/370/6515/406

Zitat daraus: „Intercity, interregional, and international spread are also essential to sustain the pandemic, even if long-distance transmission events are rare (see the figure). Only a small number of such long-distance connections are needed to create a “small world” network in which only a few infection events can transmit the virus between any two individuals worldwide“

Trotzdem könnt ihr nun natürlich sagen, dass ein pauschales Beherbergungsverbot nicht verhältnismäßig ist, da damit auch Dinge verboten werden, die ganz sicher ungefährlich sind. So wie bei eurem Beispiel, in dem eine Familie gemeinsam mit dem Auto in die Ferienwohnung fährt.

Das alleine reicht aber nicht aus, schließlich lässt sich zu jeder Anti-Corona-Maßnahme mit genügend Phantasie ein Fall konstruieren, in dem diese nicht notwendig gewesen wäre.

Ich denke es ist also eine nuanciertere Diskussion des Problems notwendig. Gäbe es denn alternative Regelungen, die treffsicher riskante Mobilität verhindern, aber unproblematische Erlauben? Mit anderen Worten, Maßnahmen, die solche Reisen verhindern, bei denen es zu zusätzlichen riskanten Kontakten in größerer Entfernung kommt?

Ich weiß darauf keine einfache Antwort, aber genau deswegen ist es ja attraktiv zu einer einfach verständlichen Regelung zu greifen, auch wenn diese vielleicht über das Ziel hinausschießt.

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Auch Mobilität ist als solche kein Problem: Bisher gibt es praktisch keine nachgewiesenen Fälle von Infektionen in Zügen. Wenn eine Familie mit dem Auto reist hat sie eh keinen Kontakt zu Dritten.

Und die Streuung mag im Januar oder Februar mal ein Thema gewesen sein - inzwischen ist das Virus eh überall.

Das war nicht der Punkt; das Problem ist, dass lokale Maßnahmen nicht mehr greifen, wenn Menschen zwischen Regionen Mobil sind, da zusätzliche Kontakte in größerer Entfernung entstehen (können).

Anders gesagt: Wenn Kontakte über weite Entfernungen stark reduziert werden, verwandelt sich ein deutschlandweiter Ausbruch effektiv in eine Reihe paralleler lokaler Ausbrüche, die unabhängig bekämpft werden könnten (so wie das z.B. hier beschrieben und modelliert ist: Scala et al. Time, space and social interactions: exit mechanisms for the Covid-19 epidemics | Scientific Reports).

Natürlich: Wenn es einmal wirklich überall außer Kontrolle ist, ist das auch egal. Aber gerade das gilt es (galt es?) ja zu verhindern.