LdN 208, Röttgen als Kanzlerkandidat & Transatlantiker

Danke für den Interview-Ausschnitt mit Röttgen. Da er Kanzlerkandidat, gegen Laschet, Merz (und Söder …) und bekennender Transatlantiker ist, muss man sich nicht über seine plakative Haltung gegenüber Russland wundern. Gefreut hat mich aber sein Bekenntnis zum Dialog mit Russland.

Allerdings war die Entsprechung spiegelbildlichen Fragen zum Verhalten der USA, auch vor Trump, sehr schwach: Muss man noch erwähnen, dass der Angriff auf den Irak völkerrechtswidrig war - und dessen Konsequenzen dann ISIS/IS, Bürgerkrieg in Syrien, und Fluchtbewegung Richtung Europa waren?

Und wenn Herr Röttgen im Interview behaupten darf, dass Russland in Syrien völkerrechtswidrig gegen den IS gekämpft habe, dann würde mich Eure Einschätzung dazu interessieren. Meines Wissens war nur das (durchaus zu kritisierende) Assad-Regime die einzig befugte Autorität, um nach militärischem Beistand zu fragen. Und aus geopolitischen Gründen hat er sich natürlich für Russland entschieden. Ergo hatte - ganz im Gegenteil zu Röttgens Behautung - NUR Russland die völkerrechtliche Legitimation, militärisch gegen den IS vorzugehen.

Als bekennender Transatlantiker ist bei Röttgen auch klar, dass er in Russland (und sicherlich auch China) die Bedrohung der Welt sieht. Im Interview-Ausschnitt ist mir aber deutlich zu kurz gekommen, wie Herr Röttgen all die illegalen Angriffskriege, Putsche und „scheinbar demokratischen“ Regime-Changes der USA - mit ihrer langen Blutspur im Nahen Osten, in Mittel- und in Südamerika - rechtfertigt.

Wenn Herr Röttgen Herrn Trump nun als einen „struktuellen Fehler“ der westlichen Demokratie skizziert, dann muss man doch fragen, was mit all den frühren Verbrechen war: Der Irak-Krieg auf Basis von (geleugneten) geopolitischen Erdöl-Interessen, Willkür und erlogener WMD hat Hunderttausende Menschen das leben gekostet: Deutscher Protest von Rot-Grün und nahfolgend-alternativloses Schulterzucken der Schwarz-Gelben?! Die USA sind Experten bei verdeckten Militär-Aktionen und trotzdem man weiß, dass sie 5 Mrd US-$ in die Vor-Revolutions-Ukraine gepumpt haben (Frau „Fuck-the-EU-Nuland“ …), bekommt man den Alu-Hut augesetzt, wenn man Russland als einzigen Schuldigen für den Bürgerkrieg und die Situation auf der Krim und in der Ukraine anzweifelt. Dass es dort handfeste geopolitische Interessen für den Westen gab und gibt, ist unzweifelhaft (Sewastopol, Bodenschätze und ein „westlich aufzubauendes Land“ …).

Ich habe nur den veröffentlichten Ausschnitt gehört. Mir waren die Gegenfragen angesichts der erwartbaren Adleraugen in Richtung Russland des „Transatlantikers Röttgen“ (mit ideologischer Sehbehinderung in Richtung USA :wink: ) eindeutig zu harmlos.

Gerade weil sich Herr Röttgen offenbar das Image eines Staatspolitikers aufbaut, gegenüber den provinziellen Gegenkandidaten Laschet und Söder und dem vermutlich nicht mehrheitsfähigen „Neoliberalisten“ Merz, muss sich Herr Röttgen schon sehr kritische geopolitische Fragen gefallen lassen: Er teilt ja auch scharf in Richtung der angeblichen „Systemfeinde“ aus.

Es mag den Falken in den USA gefallen, wenn das Austeilen eines potenziellen Kanzlers einseitig bleibt. Das ist aber IMHO nicht nützlich für den Erhalt bzw. die Rückeroberung „westlicher Werte“ in Deutschland und Europa: Das dreiste Lüge breitet sich ja rasant vom rechten Rand her aus - da darf ein ein Kanzler keine transatlantischen Scheuklappen haben.

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Danke für deinen Kommentar!

Ich finde es schade, dass in eurer guten Sendung so häufig NATO-freundliche Lobbyisten zu hören sind. Und deren einseitige Meinung wird ja schon durch Tagesschau & co zur genüge verbreitet.

Philip, wenn du fragst ob man noch mit Rußland reden soll, wegen dem Mordversuch von „Putin“: sollte man dann noch mit US-Amerikanern reden, die per Rammstein-Drohnen tausende Menschen töten? Oder ist das was anderes?

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Hallo Philip, Hallo Ulf,

ich habe mir jetzt auch mal einen Account erstellt, um das Ganze zu unterstreichen. Ich erwarte von euch beiden Hosts nicht, dass ihr obskure Linksextreme oder Verschwörungstheoretiker von RT einladet. Auch sonst finde ich den Podcast sehr gut. Aber es passiert immer wieder, dass eine bestimmte Sorte Politiker eine unkritische Plattform für seine teilweise sehr undurchdachten Talking Points bekommt. Norbert Röttgen auch schon so lobpreisend vorzustellen, ohne wenigstens im Nebensatz auf gewisse Kritikpunkte oder auch auf seine laufende Kandidatur einzugehen, so hoffnungslos diese auch sein mag, ist mindestens fragwürdig.

Man muss nicht jedes Mal mit abgedroschenen Phrasen wie neoliberal rumwerfen um trotzdem erwähnen zu dürfen, dass die Atlantik-Brücke weitaus mehr ist als ein Verein, der sich bloß “für den Dialog zwischen Europa, Amerika und der Welt einsetzt” was eine arg euphemistische Umschreibung ist.

Die Unterscheidung zwischen Trump und Putin ist auch unangebracht. Zwischen erzwungenen Gebärmutterentfernungen, eingesperrten Kindern, 200 000 toten Covid-Opfern und so viel mehr ist es krass, Röttgens Aussagen durchgehen zu lassen. Um genau zu sein sogar in so weit, als dass wir bereits bei Obama die Journalismus feindlichen Maßnahmen bzw. auch das Einsperren von Kindern gesehen haben, was unter Trump nur verschlimmert und nicht erst eingeführt wurde.

Da müssen wir in Deutschland endlich mehr Nuance zeigen und auch die USA, selbst unter einem Präsidenten der Demokraten, weitaus missgünstiger betrachten. So können wir uns auch erlauben, mit so schlimmen Akteuren wie Russland entsprechend hart umzugehen.

Bei euch ist es eben immer besonders auffällig, weil solche Interviews oder Momente im Podcast in einem überraschenden Gegensatz zu euren (in meinen Augen) sonst sehr ausbalancierten und wohl recherchierten Aussagen stehen. Sonst habt ihr auch fundierte und kritischere Haltungen zu fast allem aber dann geht kriegt Röttgen so eine kuschelweiche Plattform… Verrückt.

No hard feelings though! :slight_smile: Nur eine Kritik.

Liebe Grüße
I. aus Frankfurt :slight_smile:

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Bitte das Interview möglichst bald für alle (und nicht nur für die Abonnenten) zur Verfügung stellen. Bin gerne bereit einen kleinen Beitrag zu spenden. Danke für mal drüber Nachdenken und Umsetzen.

Wir stellen unsere Inhalte ja immer nach kurzer Zeit kostenlos ins Netz.

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Ich glaube, dass sich Deutschland unter einem Kanzler Merz in eine sehr gefährliche Richtung entwickeln könnte. Diese Gefahr sehe ich bei Röttgen nicht. Ja, er ist ein überzeugter Transatlantiker, aber das ist Merkel im Grunde auch. Es würde sich also nicht viel ändern.

Der Unterschied zwischen Putin und Trump ist, dass Putin die Kontrolle über die Geheimdienste, Medien und anderen Institutionen in seinem Land hat. Es ist ausgeschlossen, dass ein russischer TV-Sender die Vergiftung von Nawalny aufklären wird. Trump hingegen kann die Kritik der US-Medien an ihm nicht verhindern und seine politischen Widersacher nicht vom Geheimdienst töten lassen. Außerdem kann er anders als Putin von seinen Bürgern abgewählt werden.

Das Reden mit Russland funktioniert nur, wenn beide Seiten daran interessiert sind. Zu behaupten, dass Nawalny in Deutschland vergiftet worden wäre, ist lächerliches Trollverhalten. Aber man kann natürlich mit Russland über andere Themen wie Syrien reden.

das war kaum auszuhalten. NR behauptet ns2 sei im kern ein projekt, das russland ermöglichen soll die ukraine vom gasimport abzuhalten, um sie damit weiter zu destabiliseren.

ich will gar nicht ausschließen, dass das ebenfalls ein motiv ist aber einfach zu unterschlagen, dass in der ukraine !massiv! und über jahre gas gestohlen wurde, das für deutschland bestimmt war, rechnung von der ukraine gegenüber russischen firmen nicht beglichen wurden, der gaspreis für verbraucher in DE durch NS2 sinkt (bzw sinken müsste :wink: ), russland seit jahrzehten zuverlässiger energieversorger für uns ist (auch während des kalten kriegs) etc.

LDN: wieviel bias soll es sein?
NR: Ja.

mir hat es im sommer schon nicht gepasst, dass ihr so schlecht über den iran gesprochen habt, als die auf die entführung ihres tankers durch briten reagiert haben. bitte weniger natolastig werden, danke!

lg jakob
(nicht russische trollfabrik, sondern familienvater aus köln)

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Das Interview war viel besser, als bei typischen öffentlich-rechtlichen mit ihrem Kuschelkurs.
Das Thema Erbschafts- und Vermögenssteuer hätte mehr Raum verdient.
Warum ist es anscheinend so wichtig, Erben von riesigen Immobilienvermögen mit entsprechend gewaltigen monatlichen Mieteinnahmen zu schonen vor einer fairen Abgabe auf das Erbe und das Vermögen?
Bei Diskussionen mit Menschen aus anderen EU Ländern gerate ich jedenfalls immer ins Schleudern beim Versuch zu erklären, warum die Mieterquote und auch die Mieten in Deutschland so hoch sind.

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Aufgabe eines Interviews ist es ja auch nicht, den Interviewpartner argumentativ platt zu machen, sondern ihm die Gelegenheit zu geben, seine Sicht darzustellen … dazu ließe sich noch eine ganze Menge sagen, und das haben wir ja auch in der Lage immer wieder getan, aber dazu war die Interview-Situation einfach nicht die richtige Gelegenheit.

Für mich kam in dem Interview genau das rüber was ich aufgrund seines Jobs auch erwartet habe.
Pro US Propaganda.

Sein Rumdrucksen zum Thema Julian Assange war für mich das Peinlichste und Schockierendste was ich seit langem von einem Politiker gehört habe. Einfach traurig. Ein Mensch mit so einem Werte- und Demokratieverständnis darf meiner Meinung nach nicht Kanzler werden.

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Aus meiner Sicht waren die Fragen im Interview gut gestellt und nachgefasst.

Ich habe Röttgen bisher nur als sehr kompetent mit für mich gut nachvollziehbaren Positionen wahrgenommen. Seine Positionierung/ seine ausweichenden Antworten in Themen Assange und next steps Klimawandel/ co2 Preis haben ihn nicht gut aussehen lassen.

Die Kommentare bzgl. NS2 hier im Kommentar sind zudem interessant. Ich hatte mich schon gefragt ob Röttgen denn wirklich der einzige sein könnte, dem es klar ist und der artikuliert, dass NS2 für DE vollkommen unnötig sei. Wenn hier o.g. Thematik in der Ukraine ggf. eine große Rolle spielt kann ich nachvollziehen dass man das nun nicht als Begründung Pro NS2 in der Öffentlichkeit breit treten möchte.