LdN 206 - Abschaffung § 218

Eine Quote gibt es tatsächlich nicht, aber auch ohne Quote sind inzwischen jeweils acht Männer und Frauen Richterinnen bzw. Richter des BVerfG.

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Das scheint mir eine unfaire Kritik an der Senatsentscheidung zu sein, die sich sehr ausführlich mit dieser Frage auseinandersetzt und dazu natürlich auch auf naturwissenschaftliche Beratung zurückgreift. Ich denke, es würde helfen, die Entscheidung wenigstens mal zu lesen :wink:

https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv088203.html

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Den Schutz des ungeborenen Lebens hat das BVG 1975 postuliert, 1993 wurde zitiert und letztlich geht‘s auf das Preußisches Landrecht zurück? Das heißt also, dass das Rechts-Tradition ist und nicht naturwissenschaftlich. Kurz destilliert: Haben wir schon früher so gesehen, darum auch jetzt.

Wer die Pflicht einer Frau, auszutragen, und zugleich behaupten, dass die Straffreiheit bei besonderer Belastung geht, hat nicht verstanden, dass eine Schwangerschaft grundsätzlich immer eine besondere Belastung sein kann. Ob und wie das belastet, ist das hohe Recht einer jeden Frau gem. Art. 1. Nur die kann entscheiden, ob die Belastung annehmbar ist. Das ist persönliches Recht. Daher ist das vom BVG gewählte Maß für die Straffreiheit eines, das nur durch Anmaßung gegen die Schwangeren in Abrede gestellt wird. Die detaillierte Auseinandersetzung gab es übrigens nicht. Das BVG hat sich von jedem Anspruch echter Wissenschaft freigemacht, in dem es sich selbst davon freisprach. Als Begründung gibt es vor allem das Zitat von 75. Dort legt der Senat fest, das es um einen Mensch gehe, der irgendwie schon individuell und unteilbar sei, und dass damit, so behauptet der Senat, das Menschsein beim Embryo schon gegeben sei und darum man das ungeborene Leben eben schützen müsse, auch wenn der Mensch noch gar nicht lebt. Nur ist die scheinbare Klarheit eben gar nicht gegeben und nur eine naive Theorie, die vor wissenschaftlicher Kritik aber keinen Bestand hat, da dort die verwendeten Begriffen und Bedeutungen viel vielschichtiger und komplexer sind als vom BVG behauptet. Eben eine naive Theorie.

Zugleich setzt es BVG keine Hürde, dass das Recht des Staates, die Beratung einzufordern nur gegeben ist, wenn der Staat auch seinen gestellten Aufgaben nachkommt. Was nach dem Raubbau am Sozialstaat als grundsätzlich fraglich, rudimentär oder ungenügend beantwortet werden muss. Siehe Adoption und Kindswohlgefährdung sowie Pflegekinder in Verbindung mit überforderten Jugendämtern.
Wenn ein Staat kaum ordentlich für das Kind sorgen kann, obwohl es seine Pflicht wäre, kann er nicht eine Beratung fordern, wo doch eventuell keine Alternative bereit steht. Dies hätte evaluiert/geprüft werden müssen.

Ich bleibe dabei, dass das BVG sich außerhalb seiner Kompetenz befindet. Es musste 1993 auf preußisches Landrecht zurückgreifen, und zeigte, wie wenig eigenständig die Rechtsprechung ist. Gleichzeitig löste es 1975 das Paradoxon des ungeborenen Lebens gar nicht auf, sondern behauptete, dass das eben schon zu schützen ist, weil es irgendwie individuell und damit menschlich sei. Daher sei jede Wissenschaft einfach nicht zuständig, obwohl es selbst die Frage mit dieser Antwort auf dem Niveau eines Grundschülers in der 5.Klasse behandelt. Erwachsen wäre es, zu entscheiden, dass das GG klar den Eintritt in das Leben explizit beschreiben müsse, da es sonst nicht sicher auslegbar ist. Schade, dass es bis heute nicht zugeben kann, dass es die Entscheiden gar nicht zu treffen hat, weil es im Kern nicht um eine Frage innerhalb des GG sondern vor dem GG geht! Was ist Leben? Das nennt man Arroganz oder Hochmut.
(Davon bin ich natürlich nicht ausgenommen, bei der umfassenden Kritik. Aber wer für und über alle Recht spricht, muss sich dann auch die Kritik von allen und durch alle gefallen lassen.)

Da das BVG dann doch die Straffreiheit festlegt, wird die gesamte Argumentation da absurdum geführt. Sie ist dann nämlich genau nichts wert, weil damit der allller größte Teil der Frauen den Abbruch bekommt, aber nur in entmündigender Art. Dies konnte das BVG nicht zeigen, daher wurde die Form gewählt, erstmal die Rechtswidrigkeit zu postulieren. Eine Verbeugung vor der alten Moral und gleichzeitig die Öffnung in die Moderne: Eine unehrliche, inkonsequente Entscheidung,

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Guten Morgen. Das sehe ich anders. Eine Curettage ist im Rahmen der Facharztausbildung ein Standardeingriff, sei es an der schwangeren und auch nicht schwangeren Gebärmutter. Das hat nichts mit der Konfession des Krankenhauses zu tun, an dem man ausgebildet wird. LG Sabine

Guten Morgen, ich möchte zu dieser Aussage ein weitere ergänzen. Die Regelung der Beratungs“pflicht“ und der 3Tage Bedenkzeit ist von 2 Seiten beleuchtbar. Man kann es als Gängelung und Einschränkung der persönlichen Freiheit sehen. Es dient aber auch dem Schutz derjenigen Frauen, die durch äußere Umstände ( Familie, soziales u/o ökonomisches Umfeld) zu einer Abtreibung gedrängt werden. Hier leistet Beratung einiges, die Möglichkeit seine persönliche Situation zu beleuchtet, eine Lösung für sich zu finden, die einem vorher nicht bewusst war und darüberhinaus auch eine Entscheidung zu treffen, mit der man auch in 10 Jahren im Rückblick noch leben kann. Wichtig ist der Gedanke, dass gerade in dieser Krisensituation Zeit nachzudenken ein wichtiger Faktor ist, den es braucht unabhängig davon, wie die schlussendlich Entscheidung ausfällt. Insofern besteht hier ein Schutzmechanismus für alle Frauen, den man wahrnehmen sollte! LG und mit bestem Dank für die lebhafte Diskussion Sabine

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Nur, damit kein Missverständniss aufkommt: hast Du allen Ernstes argumentiert, ein Kind sei bis zur Geburt und selbst danach kein Leben, da nicht unabhängig genug von der Mutter? Ich fürchte, damit begibst Du Dich auch in der Biologie in eine ziemliche Exotenposition.

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Was meinen Sie mit „angelegt zu“? Die Intention des Gesetzgebers wohl nicht. Diese war und ist, einen Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und Lebensrecht zu schaffen.

Die Regelung erfolgt auch nicht um der Frau Willen, etwa weil man der Frau nicht zutraut, zu entscheiden, was für sie das Beste ist, weil sie „zu dies, zu das, zu jenes“ ist. Die Beratung erfolgt ausdrücklich zum Schutz des Fötus (s. § 219 I 1 StGB). Und dass man x nicht zutraut, einfach darüber zu entscheiden, was das Beste für y ist, ist kein Paternalismus.

Ich vermisse in der Debatte geistige Flexibilität. Wenn man die andere Seite verstehen will, muss man den Konflikt ausgehend von ihren Prämissen durchdenken. ZB ausgehend von der Prämisse, dass auch der Fötus bestimmte Rechte hat. Wenn man die Prämissen falsch findet, muss man sie angreifen. Da steckt die Arbeit. Ausgehend von den eigenen Prämissen, der anderen Seite irgendetwas zu unterstellen (hier konkret: Bevormundung, Entmündigung, Paternalismus, Unterdrückung der Frau etc.) ist nicht weiterführend, sondern ein Strohmann. Das lese ich aber hier leider überall: ellenlange Kommentare, die die Lage als ganz glasklar darstellen, dabei aber ohne eine einzige Erwähnung des Fötus auskommen.

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Die Position, dass Männer in dieser Sache kein Mitspracherecht bzw. Entscheidungsrecht haben sollten weil sie selbst nicht betroffen sind, sofern diese Extremposition ernsthaft vertreten wird, ist meiner Ansicht nach nicht haltbar.

Die ganze Diskussion dreht sich doch um das Dilemma der Abwägung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung der Frau auf der einen, und dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes auf der anderen Seite. Mit dieser zweiten Seite der Medaille ist es eben keine reine und exklusive „Frauensache“ mehr. Es geht ja auch letztendlich um den Schutz ungeborenem weiblichen, als auch männlichen Lebens.

Zu einer Schwangerschaft braucht es auch im Jahr 2020 immer noch zwei Menschen, eine Frau und einen Mann. Der heranwachsende Fötus ist zur Hälfte auch sein Kind, das im Falle einer Abtreibung getötet wird. Ich war selbst glücklicherweise noch nie in der Situation, ich gehe aber davon aus, dass die Entscheidung auch für den Vater emotional sehr belastend ist oder sein kann und er damit eben auch betroffen ist.

Wenn wirklich nur „Menschen, die schwanger werden können“ ein aktives Mitspracherecht haben sollen, da nur sie wirklich betroffen sind, müsste der Kreis über Frauen hinaus ja auch noch weiter eingegrenzt werden. Kinderlose Frauen nach der Menopause haben weder die Erfahrung einer Schwangerschaft gemacht, noch werden sie sie jemals machen. Es gibt leider auch viele jüngere Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht schwanger werden können. Manche dieser Frauen sind vielleicht auch Richterin oder Politikerin und müssen in der Sache sogar Entscheidungen treffen. Muss diesem Personenkreis auch das Mitspracherecht abgesprochen werden?

Ich denke nein.

Die Angelegenheit ist zurecht eine Frage, zu der ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs geführt werden muss. Am Ende muss eine Position gefunden werden., die möglichst von allen getragen werden kann und allen Seiten Rechnung trägt.

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Ich möchte noch ein paar ergänzende Gedanken in die Runde werfen:

  1. Wie kommt es, dass man Schwangeren grundsätzlich nicht zutraut, die Entscheidung, die Schwangerschaft zu beenden, allein zu treffen, während man ihr anscheinend grundsätzlich zutraut, sich später um das Kind zu kümmern?

  2. Schon im Codex Hammurabi werden Frauen und ihre ungeborenen Kinder als Eigentum des Mannes betrachtet. Das widerspricht aber Artikel 3 GG. Wir haben zwar schon viel erreicht: Frauen dürfen wählen, ein eigenes Bankkonto haben, auch nach der Hochzeit arbeiten. Die Abschaffung des §218 StGB ist der nächste Schritt.

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Es sind seit den letzten Entscheidungsproblemen der SPD, die mit der Wahl einer ostdeutschen Richterin endeten, sogar 9 Richterinnen und 7 Richter.

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Ich war derjenige mit der „Extremposition“ und ich stehe auch dazu, denn es geht ja nicht um die Einzelfallentscheidung, sondern um grundlegendes Recht.

Da bin ich weiterhin dafür, dass sich die biologisch männlichen Teile der Bevölkerung heraushalten.

Bei den jeweiligen Entscheidungen im besonderen Fall nicht, da sollen um müssen sogar beide beteiligt sein. Aber schau doch einfach mal wie oft die Schwangere Person von dem zweiten Beteiligtem im Stich gelassen werden…

Auch von denen die da nicht zu ihrer Verantwortung stehen findest du genügend die in der Debatte Abtreibungen ganz vorne dabei sind.

Wenn Zweifel daran bestehen, „dass Eltern sich um ein Kind kümmern“, schaut der Staat nicht weg. Siehe zB § 1666 BGB. Warum sie pauschal in Zweifel ziehen, dass eine Frau, die sich dafür (!) entscheidet, nicht abzutreiben, sich um ihr Kind kümmert, erschließt sich auch nicht ganz. Das Argument scheint mir nur Sinn zu ergeben, wenn Abtreibung immer strafbewehrt ist.

Zu implizieren, Frau und Kind würden in Deutschland „als Eigentum des Mannes berachtet“, ist Polemik. Dass das in diesem Zusammenhang haltlos ist, zeigt sich schon daran, dass die Rechtslage bei Abtreibungen völlig unabhängig davon ist, ob die Frau verheiratet, ledig, verwitwet oder verpartnert ist und ob Ehemann, Partner, Freund, Freundin der Abtreibung zustimmen.

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Der Staat hat anscheinend keine pauschalen Zweifel, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern, aber sehr wohl, dass Schwangere, die abtreiben wollen, dies ohne Beratung entscheiden können. Denn alle, die abtreiben wollen, müssen sich beraten lassen. Aber um Kinder kümmert sich der Staat erst, wenn berechtigter Verdacht besteht, dass Eltern sich nicht gut kümmern. Der Staat kontrolliert nicht alle Eltern, ob sie sich gut um ihre Kinder kümmern.

Nein, das ziehe ich nicht pauschal in Zweifel. Aber wenn man Schwangeren nicht zutraut, sich ohne Beratung für eine Abtreibung entscheiden zu können, warum traut man ihnen dann zu, sich ohne Beratung gegen eine Abtreibung entscheiden zu können?

Abtreibung ist laut §218 StGB verboten. Sie wird nur dann nicht bestraft, wenn die Schwangere sich beraten lässt. Oder in anderen Ausnahmefällen wie z.B. medizinischer Indikation.

Das habe ich nicht impliziert. Das ist allein Ihre Interpretation.
Aber es war z.B. ein Relikt aus jenen alten Zeiten, dass die Vergewaltigung in der Ehe bis 1997 kein Straftatbestand in Deutschland war, weil nach der ursprünglichen Vorstellung die Frau das Eigentum des Mannes war, über das er verfügen durfte. Wenn damals ein Mann seine eigene Frau vergewaltigt hat und sie schwanger wurde, war das demnach keine Indikation für eine Abtreibung, weil es ja in der Ehe laut Gesetz keine Vergewaltigung gab. Seit 1997 ist das zum Glück anders. Zwischen 1993 und 1997 durften also Männer zwar in der Ehe ihre Frauen vergewaltigen, aber die Frauen durften die daraus entstandenen Schwangerschaften immerhin abbrechen, weil sie die Vergewaltigung nicht mehr als Begründung brauchten.
Es ist ein langer Weg hin zur wirklichen Gleichberechtigung und die Zwischenschritte sind teilweise absurd. Aber ein wichtiges Ziel ist die Abschaffung des §218. Alle Menschen müssen über ihren Körper selbst bestimmen dürfen. Auch diejenigen mit Uterus!

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Ich hoere die Lage aus Australien wo ich schon lange wohne as Deutsch-geborene. In den fruehen 90er Jahren musste ich mich 2 mal persoenlich mit einer Abtreibung ausseinandersetzen. Zu der Zeit waren Abtreibung im Bundesstaat Queensland total illegal jedoch von der derzeitigen (liberallen) Regierung geduldet. Ein einziger Mediziner leitetet eine Klinik wo Abtreibungen statfanden. Der Artzt wurde auch ein paarmal diesbezueglich verhaftet, aber ultimativ nicht verurteilt. Gluecklicherweise hatte ich keine persoenliche Bedanken oder Probleme mit meinen Entscheidungen jedoch musste ich fuer beide Termine durch eine Menge von Abtreibungsgegneren um an die Klinktuer zu gelingen um meinen durchgedachten Entscheidungen zu realisieren. Diese Leute waren total crazy in ihrem Anti-Abtreibungswann und es war ganz ganz unangenehm. Vor 2 Jahren wurde Abtreibung legal in Queensland, und ein Gesetzt eingebracht wo 150m run herum einer Abtribungs-bietende Klinik keine anti-Abtreibungs Proteste stattfinden duerfen. Wer sich dafuer interestiert kann durch diesen Link die Details finden Aborition law reforms Queensland Australien

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Was ist schlimm an einer emotionalen Debatte? :slight_smile:

Viele Posts haben deutlich gemacht, warum der 218 für Emotionen sorgt.

Er entmündigt Schwangere und somit symbolisch auch alle, die es werden können. Und das sind zu 99% Frauen. Natürlich ist das Diskriminierung.

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@Hufschmied es ging mir genau darum: emotionale Reaktionen nicht per se abzuwerten.

Wer fundierte Antworten zum Thema Abtreibung, aktuelle Rechtslage und Versorgungslage lesen möchte, schaut in diesen Thread von LDN:
https://talk.lagedernation.org/t/kommentar-der-doctors-for-choice-zu-lage-der-nation-podcastfolge-206/

Hier erklären die doctors for choice (Fachorganisation!) viele Punkte sehr gut!!

Wenn auch Ulfs Antwort nicht inhaltlich darauf eingeht, ist der Beitrag der Docs extrem lesenswert.

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Eine Kurretage gilt aber laut WHO mittlerweile als veraltete Methode für einen Schwangerschaftsabbruch.

Kommt drauf an in welcher Schwangerschaftswoche man sich befindet.

Doch, sogar für cis Männer sind sie schädlich!
Das sehen sie nur nicht, sonst würden sie den ganzen Mist einfach lassen.