LdN 2015: Impfstoff

Lieber Philipp,

danke für die Klarstellung wie die Impfstoff-Studie funktioniert hat und wie die Hersteller die 90% /95% Wirksamkeit berechnen.
Ich wollte nochmal anmerken, dass Philipp an einer Stelle immer noch nicht ganz korrekt war.
In der Studie wurde - wenn mein Verständnis richtig ist - nicht die Leute in den beiden Gruppen gezählt, die sich mit SARS-COV-2 infiziert haben, sondern die Leute in den beiden Gruppen, die an Corona erkrankt sind. Der Grund hierfür ist relativ klar: Letzteres ist leichter zu überprüfen weil man nicht regelmäßig die ganzen Kohorten PCR-testen muss.

Also insgesamt: Kein spektakulärer Fehler, sonder nur ein Fehler im Detail.
Aber vielleicht war ich etwas enttäuscht, weil wir hier im Forum schon nach dem ersten Beitrag uns darüber ausgetauscht hatten, wie die Studie funktioniert hat :wink:

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Ich finde diese Unterscheidung sehr wichtig, insbesondere langfristig (Stichwort: Herdenimmunität). Es ging in dieser ersten Studie nur um die Reduzierung des Krankheitsbildes. Readouts waren: 1. Wie viele Personen zeigen Symptome und werden als SARS-COV-2 Fälle bestätigt und 2. wie viele schwere Krankheitsverläufe gibt es in jeder Gruppe. Das macht Sinn, das wird erstmal das Wichtigste sein um Risikogruppen zu schützen und die Zahl der Menschen zu senken die an dieser Krankheit sterben. Also erstmal ein großartiges Resultat in beiden Studien und sie haben sich auf das Wesentliche konzentriert.

Aber es sagt wie schon oben bemerkt bisher nichts über die Infektion an sich aus. Idealerweise (möglich muss aber durch weitere Studien mit anderem Design ermittelt werden) könnte eine Infektion komplett verhindert werden. Das wäre ideal, dann können wir diese Impfung zum Aufbau einer Herdenimmunität nutzen. Wollen wir es hoffen. :slight_smile:

Es könnte rein theoretisch sein dass eine Infektion der oberen Atemwege auftritt (und Viren ausgeschieden werden), was bedeuten würde dass wir die Dunkelziffer in der geimpften Gruppe auf fast 100% erhöhen und diese asymptomatischen Personen die Krankheit trotzdem weiter verbreiten. Beides hat es bei früheren Impfstoffen gegeben, die Realität wird sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen befinden…

Meiner Meinung nach sollte man bei allem Optimismus die Bevölkerung schon jetzt auf diese Möglichkeiten vorbereiten, denn wenn ein asymptomatischer aber infektiöser Verlauf bei geimpften Personen die Norm wird, sich niemand mehr krank fühlt aber für „unverwundbar“ wird es schwer sein das zu erklären und die Verbreitung des Virus einzuschränken…

Die erwähnte Formel zur Berechnung der Wirksamkeit kann allerdings nicht stimmen.

Hier würde die Wirksamkeit mit steigender Infektionszahl (oder Erkrankungszahl, was auch immer) der geimpften Gruppe auch steigen.

Bei Wikipedia habe ich folgende Formel gefunden, die auch das richtige Ergebnis liefert:

Liebe Grüße aus München!

Ob der Impfstoff „nur“ vor Erkrankung oder auch vor Infektion schützt und ob eine geimpfte Person auch ansteckend sein kann ist anscheinend noch nicht ganz klar:

So wie ich es im MDR Corona Kompass (Folge 120) von Prof. Kekulé:

Alexander Kekulé
Sofern die Impfung so funktioniert, wie wir das hoffen, wird ein Geimpfter nicht in der Lage sein, das Virus weiterzugeben. Das wäre nur dann rein theoretisch denkbar, wenn sich das Virus im Lauf von Monaten und Jahren verändert und dann ein anderer Typ quasi entsteht. Das würden die Geimpften aber dann auch daran bemerken, dass sie selber wieder krank werden. Die würden dann Krankheitssymptome bekommen und dann wären sie natürlich auch wieder ansteckend

Dies würde meinem Verständnis nach bedeuten, dass die Impfung auch vor Infektion* schützt.
* Als Infektion bezeichnet man den Eintritt von […] Viren in einen Organismus sowie ihre Ansiedlung und Vermehrung.

Im NDR Podcast Corona Update sind die Aussagen etwas unklarer:
in Folge 64:

Christian Drosten
[…]. Man sieht im Moment eine Effizienz, einen Schutz gegen die Infektion, die beeindruckend ist. Das sind 90 Prozent. Wenn die Studie weiterläuft, kann sich diese Zahl natürlich auch korrigieren, auch durchaus nach unten. Damit muss man rechnen. Aber prinzipiell ist es eine gute Schutzwirkung, die
diese Vakzine hat. Das ist deswegen berichtenswert, weil man bei dieser Art von Impfstoffen, die eine neue Technik darstellt, gar nicht wusste, was man erwarten kann. Das ist schon sehr ermutigend.

Korinna Hennig
Noch mal zur Klarstellung: 90 Prozent heißt, neun von zehn Menschen können vor einer Infektion geschützt werden, rein rechnerisch. Sie sagen, wenn es zum Beispiel auf 70 runtergehen würde im weiteren Verlauf der Studie, wären das Sieben von Zehn. Es geht aber nicht um eine Abmilderung des Krankheitsverlaufs, sondern tatsächlich um den Schutz vor Ansteckung.

Christian Drosten
Das hat man jetzt hier statistisch ermittelt. Man hat jetzt noch nicht nach der Wirkung im Schutz vor einer schweren Erkrankung geschaut. Also diejenigen, die trotz Impfung erkranken, haben die dann vielleicht eine mildere Erkrankung? Mit so was kann man auch rechnen. Das ist jetzt noch nicht genau ermittelt worden. Das heißt aber nicht, dass dieser Impfstoff das nicht auch kann.

Korinna Hennig
Welche weiteren Fragen sind noch offen, also zum Beispiel, wie der Impfstoff bei älteren Menschen sich verhält?

Christian Drosten
Da sind wohl auch Mitglieder von Risikogruppen dabei gewesen. Aber alles, was da im Moment an
Informationen verfügbar ist, bleibt auf der Ebene einer Presseerklärung. Natürlich gibt es da auf der wissenschaftlichen Ebene noch ganz viele andere Dinge, die veröffentlicht werden, auf die man gespannt ist. Wie zum Beispiel: Wie hoch ist jetzt der Titer, wie wir sagen, also die Stärke der Antikörperbildung? Wie sieht es mit zellulärer Immunität aus? Also bilden sich auch T-Zellen? Wie sieht es aus mit einem Schutz an der Schleimhaut? Und bei denen, die sich infizieren, ist es dann vielleicht so, dass das Virus weniger repliziert? Also kann das Virus vielleicht auch vor der Weitergabe sehr gut schützen – also dieser Impfstoff? Alles das sind Detailfragen, die sicherlich im Moment auch erhoben und später auch publiziert werden. Was wir jetzt haben, das ist eine Zwischenmeldung.

In Folge 65:

Korinna Hennig
[…] Gestern gab es eine neue Erfolgsmeldung aus der
Impfstoffforschung. Der Impfstoff von Moderna, um den es da geht, ist ganz ähnlich wie der von Biontech, den wir in der vergangenen Woche vermeldet habe.[…] Stimmt
Sie das optimistisch, was den gesamten Blick auf die
Impfstoffforschung angeht?

Sandra Ciesek
Insgesamt muss ich sagen: Ich finde das eine wahnsinnige Leistung. Ich glaube, es wird bald Impfstoffe geben. Und dass die nach den Daten, die wir jetzt haben, hocheffizient sein werden. Das bestätigt mich auch noch mal, dass wir in unserer Strategie der Eindämmung, also Containment, weitermachen müssen. Solange, bis es Impfstoffe gibt, damit einfach der Schaden klein gehalten wird. Es bleiben aber viele Fragen offen, sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Pharmaunternehmen. Wir wissen nicht so richtig, wie wirken diese Vakzine bei älteren Menschen oder bei ganz kleinen Kindern? Man weiß nicht, ob man mit dem Vakzin die Übertragung stoppen kann. Werden nur schwere Verläufe unterbunden oder auch das Spreading, also wird die Übertragung auf Zweite, Dritte gestoppt wird. Und wir wissen nicht – und das ist auch ein großes Problem – wie lange hält eigentlich diese Immunantwort? Ist das nur für ein paar Wochen, Monate? Oder hält die Jahre? Und: Erst wenn Sie den Impfstoff oder Medikamente in der Fläche anwenden, können auch noch seltene Nebenwirkungen auftreten, die sie in Studien nicht entdeckt haben, weil die Teilnehmerzahl begrenzt ist. Trotzdem finde ich das wahnsinnig positiv, diese Meldung auch von Moderna. […]

(edit: Zitat zu Kekulé eingefügt

Ich finde die Aussagen von beiden Experten ziemlich klar. Nur die Moderatorin hat sich wohl etwas falsch ausgedrückt.

  1. Die Ergebnisse sind vorläufig und nur aus Pressemitteilungen entnommen.
  2. Symptomatische Infektionen werden zu ~90+% verhindert.
  3. Ob das jetzt bedeutet, dass geimpfte Menschen keine Symptome entwickeln (schwächerer Verlauf) oder sogar nicht ansteckend sind ist noch überhaupt nicht klar.
  4. Die Phase 3 ist noch nicht abgeschlossen, daher handelt es sich um vorläufige Ergebnisse.

Oder habe ich da jetzt etwas falsch verstanden?

Hallo Ruhrpottler,

nach allem was ich bislang von den Virolog:innen oder Wissenschaftsjournalist:innen so gehört habe ist, dass die Studien bislang nicht versuchen nachzuweisen, ob der Impfstoff vor der Infektion schützt, weil man hier entweder mit Antikörperstudien arbeiten müsste, deren statistische ungenauigkeit man sich nicht reinholen will, oder eben die ganze Kohorte über den Studienverlauf regelmäßig durch-PCR-en müsste - wofür man sehr viel Logistik und testkapazität bräuchte.
Aufgrunde des Studiendesigns, ist also m.W eigentlich nicht möglich eine seriöse Aussage über das Verhindern von Infektionen zu machen.

Was ich vermute was Herr Kekulé meint (ohne den Podcast gehört zu haben, ich fand die wenigen Podcasts von ihm die ich gehört habe nicht so vielsagend), ist das allgemeine Verständnis von der Wirkweise dieser Impfstoffe ist, dass sie Infektion verhindern.
Dazu gibt es aber m.W. (noch?) keine Daten

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Dank fürs Aufgreifen in der letzten Folge! Kleiner Nachtrag: Der Impfstoff von Oxford-AstraZeneca wurde mit einem anderen Studiendesign getestet: Dort wurden alle Studienteilnehmer wöchentlich per qPCR getestet, deshalb haben sie auch asymptomatische Fälle gefunden und deshalb ist die Wirksamkeit mit ~70% auch etwas geringer ausgefallen. Leider wurde nicht so wirklich in den Medien diskutiert dass diese Studie mit denen von Moderna und Pfizer/Biontech überhaupt nicht vergleichbar sind…

Der Impfstoff von Oxford/AstraZeneca senkt also tatsächlich nachweislich die Infektiösität und die Infizierten zeigen auch eine geringere Viruslast!

Für die anderen beiden Impfstoffe gibt es weiterhin keinerlei Daten zu den asymptomatischen Fällen…