LdN 200 Machtpolitische Entscheidungen der SPD

Hallo zusammen,

vielen Dank für die neue Lage - wie immer sehr interessant Eure Einschätzungen zu den verschiedenen Themen zu hören und von Herzen Glückwunsch zur 200ten Folge!

Eure Kommentierung der Spitzenkandidatur von Herrn Scholz bei der Bundestagswahl würde ich gerne ebenfalls kommentieren.
Ulf hat ja deutlich gemacht, dass er (ohne jetzt Herrn Scholz für eine eierlegende Wollmilchsau zu halten) diese Personalpolitische Entscheidung für klug und angemessen hält, zumindest habe ich das so verstanden.
Das Argument, dass er dafür bringt (und auch schon auf Twitter kommuniziert hat) ist ja ein vor allen Dingen ein machtpolitisches: Mit einer Spitzenkandidatur von Scholz kann die SPD besser, und anders als mit einer linkeren Spitzenkandidatin, Wechselwählerinnen von der CDU/FDP/Nichtwählerinnen/?AfD? ansprechen.
Auf Philipps Einwurf, dass dies bei erfolgreicher Zusammenarbeit mit Frau Esken und Herrn Walter-Borjans zu einer breiten inhaltlichen Aufstellung und einem interessanten Programm führen könnte, erwiederte Ulf dass er eine breite Aufstellung der SPD nicht für nötig halte (natürlich paraphrasiere ich jetzt), für die linke Politik sei dann die Linke, für die Umweltpolitik die Grünen zuständig.
Ich verstehe das Argument grundsätzlich, wenn man als Ziel ein RGR/GRR Bündnis hat, aber das ist ja (wichtig wie es mal wäre) nicht alles. Als Partei will und muss (s.u.) man ja auch für eine Politik stehen, die man als Partei richtig findet.
Das wird von Euch dann Frau Esken, und später im Gespräch den „linken SPD Mitgliedern“ zugestanden das wichtig zu finden, aber eine echte Kommentierung dessen nehmt Ihr nicht vor.

Und das ist etwas, was ich an dieser Stelle anregen wollte. In meinen Augen ist einer der größten Mehrwerte der Lage der Nation, dass Ihr die Lage eben nicht ausschließlich auf Basis von Berliner Machtpolitik bewertet (dafür kann man sehr gut den DLF Politikpodcast hören, wann immer Stefan Detjen spricht, der macht das ausschließlich) sondern Euch auch grundsätzlich inhaltlich, gesellschaftspolitisch und in der Bedeutung für die Demokratie mit den Dingen auseinandersetzt. Und natürlich ist da Machtpolitik ein Punkt, aber nicht der einzige.

Ich bin selbst Mitglied einer Partei, und habe da schon drüber nachgedacht, und ich glaube dass man ganz grundsätzlich als Partei die politischen Positionen haben sollte, von denen man glaubt dass sie die richtigen sind. Da muss man dann natürlich priorisieren was man nicht nur richtig sondern auch wichtig findet (vermutlich würde man eine Neuordnung der Feldmaus-Pflüge-Verodnung nicht ins Zentrum seines politischen Handelns stellen), aber man sollte nicht die eigene Positionierung ausschließlich machtpolitischen Interessen unterwerfen.

Und da hat die SPD mit ihren Mitgliederinnen und Mitgliedern bei der Parteivorsitzendenwahl glaube ich recht deutlich gemacht, dass den Mitgliedern linkere Positionen und Personen wichtig sind.
Das heißt in meinen Augen nicht, dass die Wahl von Herrn Scholz verkehrt ist - Frau Esken und Herrn Walter-Borjans ist das bestimmt sehr bewusst, und sie haben sich dennoch dafür entschieden. Ich würde aber prognostizieren - und mir auch wünschen - dass die SPD auch durch ihre Parteivorsitzenden versuchen wird diesen Wunsch nach einer Linken Progammatik durchaus in den Bundestagswahlkampf einzubringen.
Was zu der - in meinen Augen sehr spannenden Frage - führt wie gut der Kandidat Scholz das vertreten kann. Denn gleichzeitig dazu, dass eine Partei hinter einem Programm steht, müssen natürlich auch die entsprechenden Politiker
innen hinter dem Programm stehen - und dabei für die Wähler*innen glaubhaft

Exkurs:
Ich finde ganz grundsätzlich den Unterschied zwischen Machtpolitik und Parteibasis eine sehr spannende, bei allen Parteien. Ihr hattet ja gesagt, wenn es für RRG reicht können sich die Grünen entscheiden ob sie das oder Schwarz-Grün haben wollen. Die Parteiführung hat diese Wahl natürlich irgendwie, aber ich würde vermuten dass es wenn es für RRG reicht, dass dann die Grüne Basis Schwarz Grün nicht akzeptieren wird