LdN 200 Feldmausmanagement

Zuerst einmal vielen Dank dafür, dass es die Lage gibt. Ihr seid ein Lichtblick in der Medienlandschaft.

Was mich allerdings stört, ist die oberflächliche und teilweise verharmlosende Darstellung bzw. Bewertung des letzten Themas.

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die Feldmäuse nicht das Problem sondern lediglich ein Symptom sind. Das Problem ist das System unserer Landwirtschaft.

Vereinfacht gesagt basiert Landwirtschaft in Deutschland quasi immer auf der Nutzung von Monokulturen. Man muss sich erstmal klarmachen, dass auf fast jedem Feld, das man so am Straßenrand sieht die (teilweise) genetisch gleiche Pflanze millionenfach nebeneinander steht. Wie ihr richtig bemerkt habt, sind solche Systeme dann extrem anfällig gegen jede Art von Störung z. B. auch Feldmäuse, Dürren, Überschwemmungen etc. Der Verursacher ist am Ende als derjenige der sich jetzt beschwert - die Landwirtschaft. Bei der Forstwirtschaft ist es nicht besser, aber das ist ein anderes Thema.

Die Lösung wurde ebenfalls genannt aber ggf. etwas irritierend dargestellt: Artenvielfalt.
Dabei geht es nicht darum eine einzelne Art wie den Hamster zur retten, sondern ein System zu schaffen, das durch Vielfalt ausgeglichen und anpassungfähig ist. Konzepte gibt es bereits (z. B. Permakultur, Agroforestry usw.). Sie werden in der Breite aber quasi nicht benutzt.

Hier versagt unser gesamtes System.

  • Die Landwirtschaft setzt weiter auf Chemie ein richtet auf den Böden bleibende Schäden an. Pflügen ist übrigens auch eine mittlere Katastrophe. Die Kosten, die dadurch für die jetzige und folgende Generationen entstehen werden in keiner Weise externalisiert und niemandem in Rechnung gestellt. Im Zweifel soll eben der Steuerzahler die Ernte ersetzen.

  • Die Verwaltung ist dabei wie an diesem Beispiel zu sehen vollkommen ineffizient und verliert sich in Detailregelungen. Ein Regelsystem, das wie hier quasi nur aus Ausnahmen besteht, ist weder verständlich noch anwendbar. Das ist mit Sicherheit kein Gewinn der Demokratie. Hier wurde vollkommen der Blick auf das Große Ganze verloren.
    Selbst, wenn man sich bemüht Systeme zu schaffen, die Nahrungsmittel auf eine nachhaltige Art und Weise zu erzeugen, steht einem dieser Gesetzesdschungel mehr als im Weg. Die verschiedene (EU-)Förderungen sind intransparent und haben die Preise für Lebensmittel völlig realitätsfremd gemacht.

  • Wir Verbraucher sind quasi unaufgeklärt. Den meisten reicht das gute Gefühl wenn Bio oder vom regionalen Bauern (nebenan) gekauft wird. Das entspricht aber in den wenigsten Fällen einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft. Die bittere Wahrheit ist, dass die Branche einmal neu erfunden werden muss.

Vielleicht ist der Vergleich etwas zu weit zugespitzt. Aber hier zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass das Demokratische System funktioniert, ist ungefähr so als würde man sagen: „In Deutschland gibt es keinen Rassismus“.

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Auch von mir vielen Dank für die Lage.

Mich stört bei der Bearbeitung dieses Themas in der Sendung etwas anderes als meinen Vorredner.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ihr (die beiden Moderatoren) euch je so ausgelassen über etwas lustig gemacht haben. Ich weiß nichts über dieses spezielle Problem, auch nichts über mögliche tiefere Ursachen, die mein Vorredner darstellt, daher bleibe ich im Rahmen der bestehenden Gegebenheiten. Aber ich weiß, dass derartige Probleme einfach die Lebensrealtität von Landwirten sind. Und dass darauf auch organisiert reagiert werden muss. Vielleicht gibt es auch bessere Wege, als ein gesondertes Feldmausmanagement. Aber euer Umgang mit dem Thema ist zunächst: Hihihi, da gibt es lustige kleine Mäuse, die den Bauern den Weizen wegfressen. Ich vermute, wenn es sich um Probleme einer anderer Gruppe, vielleicht sogar einer Minderheit handeln würde, wäre der Ton ein deutlich anderer gewesen.
Davon abgesehen ist es auch nicht lustig, wenn Rohstoffe für Nahrungmittel zerstört werden. Ich habe manchmal das Gefühl, die Verfügbarkeit von ausreichend Nahrung ist in den Köpfen zu selbstverständlich geworden.

Landwirte sind für mich wahrlich keine großen Sympatieträger oder Unschuldlämmer. Aber wer sich sonst so bemüht, (fast) alle Menschen mit Respekt zu behandeln, sollte auch hier keine Ausnahme machen.

Ach ja, ich musste auch etwas kichern über den Begriff „Feldmausmanagement“. Na und? Wo ist da jetzt das Problem?
Alles was ihr schreibt finde ich durchaus nachdenkenswert und die These mit dem unaufgeklärten Konsumenten trage ich glatt mit.

Sich über den Ton der beiden zu echauffieren finde ich einfach nur… echt jetzt? Die Tagesschau ist genau so, wie es hier gewünscht wird: Trocken, nüchtern, ernst, keine Komik, tragisch. Und genau deswegen schaue ich die nicht.
Die Lage dagegen ist frisch, informativ, charismatisch, frech und ehrlich. So ehrlich, dass sie auch schnell mal zurückrudern, wenn inhaltlich etwas nicht gepasst hat.

Sich über den Ton derart zu echauffieren finde ich nicht angebracht.
Aber so ist das nun mal: Wächst die Grundgesamtheit der Hörer, steigt die Chance, auf Zuhörer zu treffen, die sich in ihrer Freizeit gerne mal gekränkt fühlen. Das ist so „2015“. The year everyone was offended by everything.

Lieber Philip, lieber Ulf,

auch mir ist das Thema am Schluss etwas sauer aufgestoßen. Es hat fast den Anschein, dass solche „exotische“ Themen für euch weniger Relevanz haben als der Mietendeckel oder der US-Wahlkampf, da ihr es mehr oder weniger nur gebracht habt, um zu zeigen, mit was man sich alles beschäftigen kann. Ihr habt die Problematik ganz gut dargestellt, aber wohl aus Zeitgründen auf die größere Einordnung verzichtet, wie es Daniel im ersten Kommentar schon dargestellt hat. Die Problematik der Landwirte, in einem System festzustecken, das durch und durch unnachhaltig ist und uns irgendwann gewaltig auf die Füße fallen wird und dass sie gleichzeitig ständig neue Forderungen erfüllen müssen ist meiner Meinung nach ein tiefgreifenderes Problem als die ganzen tagespolitischen Meldungen.

Zum Thema Artenvielfalt möchte ich auch noch etwas einwerfen. Ich selber arbeite in einem Umweltministerium für den Naturschutz und sehe es ungerne, wenn der extreme Rückgang der Artenvielfalt in diesem meiner Meinung nach exzellenten Podcast nicht genug Bedeutung zugesprochen wird. Philip hat zwar dargestellt, dass eine gewisse Artenvielfalt für die Stabilität der Ökosysteme und damit auch für unsere grundlegenden Bedürfnisse wichtig ist, aber die Brisanz des Themas kam bei mir jedenfalls nicht an. Vor allem Begrifflichkeiten wie „Quietsch-Kröte“, „Flattermann“ und „Tierchen“ machten den Eindruck, dass es sich um ein kleines Problemchen neben den viel wichtigeren Problemen handelt.

Blickt man auf die Darstellung der Planetaren Grenzen von Johann Rockström, dann ist das Artensterben noch vor der Klimakrise, dem Eingriff in biochemische Kreisläufe und der Meeresversauerung das brisanteste Thema und hat Ausmaße, wie Masseaussterbeereignisse zu Zeiten der Dinosaurier. Auch bei uns ist in jeder Artengruppe ein starker Rückgang vieler Arten zu verzeichnen und selbst in den letzten 5-10 Jahren hat sich kaum etwas getan.

Gleichzeitig sehe ich das Thema auch ethisch problematisch. Zwischen den Zeilen hört man die Überzeugung, die viele Menschen teilen, dass es eine Wertehierarchie von Lebewesen gibt. Ein Mensch ist am meisten wert, dann kommt vielleicht der Elefant, danach vielleicht der Baum und am Schluss natürlich erst die verhasste Wespe. In die Bewertung fließen vor allem monetäre, emotionale und Dienstleistungsbewertungen hinein. Die Grenze wird dabei willkürlich von jedem einzelnen Menschen anders gezogen und selten wird dies genauer hinterfragt. Nach Albert Schweitzer sind wir Leben, dass leben will, inmitten von Leben, das leben will. Um wirklich nachhaltig auf der Erde mit den anderen Lebewesen leben zu können, muss hier meiner Meinung nach ein immenses Umdenken erfolgen.

Das war jetzt aus einem Impuls heraus geschrieben, ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass ihr überhaupt ein Thema aus dem Bereich Artenschutz bringt und hoffe, ihr werdet zukünftig einmal den Artenschutz noch genauer behandeln.

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Ich dachte, dass Euch das hier vielleicht mit Blick auf das Biodiversitätsthema interessieren könnte. Es geht um den Zusammenhang von Pandemien und Biodiversitätsverlust: Coronavirus pandemic linked to destruction of wildlife and world′s ecosystems | Global Ideas | DW | 14.04.2020

„By disrupting ecosystems, we have created the conditions that allow animal viruses to cross over into human populations…“

Lieber Philip, lieber Ulf,
vielen Dank das ihr mir viele Themen kritisch näher bringt, mit denen ich mich im Alltag nicht beschäftige.
Umso herzlicher habe ich gelacht als das Thema Feldmaus kam. Ich fand es menschlich erfrischend zu hören, wie unbedarft ihr das Thema eingebracht habt.
Weniger die Art wie ein Thema vorgestellt wird ist allerdings für mich wichtig, sondern das auch solche Themen überhaupt publik werden (außerhalb der fachlichen Diskussionsrunden).

Nun zum Inhalt.
Ein Thema ist sicherlich unser System der Landwirtschaft, ganz vorne dabei die fragwürdigen EU-Fördermittel die nicht den kleinen Landwirten fördern sondern die Großindustriellen.
Eine Thema ist sicherlich auch, das wir tunlichst bemüht sein sollten Biodiversität zu schützen (auch mit Feldmaus und Hamster).
Aber ein Thema wird hier auch deutlich, der Klimawandel.

Den Zusammenhang versuche ich einfach zu erläutern:
In der Landwirtschaft gab es immer mal wieder Jahre mit einem hohen Feldmausbestand und den zugehörigen Ernteeinbußen. Diesen Jahren folgte meist ein „harter“ Winter, die Böden konnten durchfrieren und die Feldmauspopulation schrumpfte auf ein für uns erträgliches Maß (ganz vereinfachte Darstellung). Heute 2020 haben wir das dritte Jahr in Folge mit einer hohen Feldmauspopulation, kalte Winter sind nicht abzusehen. In Niedersachsen geht es nicht nur um Erträge von Getreide, hier sind die Dauergrünlandflächen von den Feldmäusen weggefressen und die Neuansaat stellt sich durch die trockene Zeit auch schwierig da…

Wie so oft sehen wir erst ein Thema und eine Auswirkung, mit der wir uns intensiv beschäftigen und eine kurzfristige Lösung suchen/finden. Die wichtigen Themen wie Klimawandel, Landwirtschaft, Biodiversität etc. finden leider kaum Fürsprecher und politisch willige Personen die wirkliche Entscheidungen treffen.
Denn wenn wir jetzt dem Klimawandel begegnen, die regenerativen Energien ausbauen, wenn wir jetzt die zahlreichen Ideen für eine funktionierenden Landwirtschaft umsetzten können wir leider nicht kurzfristig Erfolge auf unser Konto verbuchen aber nachhaltig einen großen Bereich des Natur- Biodiversitäts- und Umweltschutz begegnen.

Daher vielen Dank dafür, dass dieser Punkt Eingang in die Lage der Nation gefunden hat. Denn die Feldmaus ist ein Synonym für unsere Lage.

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Ich kann mich nicht erinnern, dass ihr (die beiden Moderatoren) euch je so ausgelassen
über etwas lustig gemacht haben.

Es hat mich an den Schluss von LdN133 erinnert. Nur dass es da um Wölfe ging. Damals war es mir etwas zu viel ins Lächerliche gezogen. Ich habe das Gefühl, Ulf und Philip versuchen manchmal, für den Schluss ein etwas heitereres Thema zu finden, was ich durchaus verstehen kann. Bei den Feldmäusen hatte ich anfangs Sorge, dass es genauso wird, aber sie haben noch ganz gut die Kurve gekriegt und sind auf das wichtige Thema Biodiversität eingegangen.

Dem Startbeitrag von Daniel möchte ich mich vollinhaltlich anschließen.
Bei diesem Thema habt ihr entgegen üblicher Gepflogenheit den wesentlichen Kernpunkt leider verfehlt. Natürlich klingt „Feldmausmanagement“ erstmal nach einem typisch deutschen bierernsten eigentlich aber lächerlichen Beschäftigungsfeld für diverse Ämter und Institutionen auf verschiedensten Ebenen. Tatsächlich ist es aber ein zynischer, für die moderne Welt und ihre rücksichtslos industrialisierte Landwirtschaft typischer technokratisch verharmlosender Begriff für den Massenmord an Lebewesen, die ein System stören, das eigentlich krank ist und dringend reformiert werden muss. Landwirte, die mit genmanipulierten Monokulturen auf die Nase fallen (weil menschengemachte Feldmausüberpopulationen ihnen die Ernte wegfressen), dürfen nicht subventioniert und entschädigt werden, sondern müssten aussterben.