Landesverteidigung: Abschreckung durch Unbesiegbarkeit

Seit vielen Jahren denke ich an eine andere Art der militärischen Verteidigung. Anlässlich des russischen Überfalls möchte ich meine Überlegungen doch mal in eine Diskussion bringen, und zwar hier, wo einfach viele kluge Leute zugange sind.

Vorab: ich bin kein Fachmann und meine Vorstellungen sind noch nicht wirklich weit gediehen, weil eben Gegenmeinungen fehlen. Ich hoffe, dass die Leute, die sich an dem Thema beteiligen wollen, ggf. Denkfehler aufdecken und möglicherweise gute Ideen beitragen.

Wenn sich aktuell die ukrainische Verteidigung zunehmend auf den Untergrundkampf verlegen würde, hätte sie mE. Chancen, die Russen aufzuhalten und auf längere Sicht zu zermürben.

Das würde heissen: eine schon mitten im Krieg befindliche Verteidigung wäre durch eine improvisierte Umorganisation von der quasi offenen Feldschlacht zu einem Guerillakrieg gegen eine hochgerüstete Übermacht erfolgreich.

Warum dann nicht von vorherein die offene Feldschlacht auslassen und mit einer bestens organisierten Untergrundarmee die Angreifer mit einer blutigen Nase heimschicken?

Man stelle sich vor, man könnte mit dem Bruchteil der heutigen Verteidigungsetats die besten Fachleute auf allen relevanten Gebieten (Ingenieure, Strategen, Psychologen, Programmierer, KI-Leute, Logistiker, Architekten, Waffenexperten usw.) auf das Ziel einer optimalen dezentralen Verteidigung ansetzen.

Die folgenden Stichpunkte ohne Konjunktiv, der Einfachheit halber.

• Es besteht allgemeine Wehrpflicht, für alle Erwachsenen.
• Je nach Neigung und Konstitution Ausbildung an den Spezialwaffen oder in der Logistik oder für leichtere Hilfsdienste.
• Ausbildung für gezielte Sabotage, Fallenstellen usw.
• Jede Person ist Reservist.
• Dezentrale Kampfgruppen mit zentraler Kommunikation.
• Waffenlager dezentral mit entsprechender Sicherung.
• Waffenlager innerhalb von 15 Minuten erreichbar für an den Waffen Ausgebildete.
• Regelmässige Übungen für Alle, mit einem Vorschlagswesen für Verbesserungen.
• Keine Panzer, keine Kampfflugzeuge, keine Grenzsicherung (keine offene Feldschlacht).
• Ein Angriffskrieg ist unmöglich.
• Die Regierung veröffentlicht das ganze Konzept. Mögliche Angreifer sollen sehen, was auf sie zukommt. Kein anderes Land muss Angst vor dieser „Armee“ haben. Jedes Land kann das Konzept übernehmen.
• Ergebnis von allem: Das Land ist unbesiegbar, der Frieden wahrscheinlicher.

Weil:
• Selbst ein kleines Land hat mehr VerteidigerInnen als eine grosse Angriffsarmee Soldaten hat.
• Jede VerteidigerIn kennt jeden Winkel in ihrem Bereich, Angreifer kennen selbst bei bester Aufklärung nur einen Bruchteil davon.
• Psychologischer Vorteil für die Verteidiger durch eingeübten Zusammenhalt.
• Psychologischer Vorteil durch moralische Sicherheit, das Richtige zu tun (Selbstverteidigung).

Was spricht gegen eine radikal defensive Landesverteidigung?
• Konservative Militärs kennen nur die Schlacht.
• Sie halten Untergrundkrieg für unsoldatisch.
• Konservative Politiker können sich den Umbau nicht vorstellen.
• Friedensverwöhnte Bürger halten sich lieber heraus, zahlen lieber eine teure Armee.

Um trotz dieser Ausrichtung noch friedenssichernde Einsätze irgendwo auf der Welt zu leisten, stellt man herkömmlich Einsatztruppen zusammen (10 000), die eben nicht für einen Angriff reichen.

Was haltet ihr davon?

Mir fällt erstmal eines ein, aber das ist wirklich nur das erste: Ist das nicht ungefähr das, was Afghanistan jedesmal mehr oder minder getan hat, als die ein oder andere Großmacht dort einmarschiert ist?
Es war auch jedesmal erfolgreich, hat die Großmächte aber nicht, wie von dir prophezeit, vom Einmarsch abgehalten. Man mag dagegenhalten, dass es bei Afghanistan nicht mit Ansage und nicht so organisiert war.

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Das ist grundsätzlich eine erfolgversprechende Strategie, deshalb wird sie ja auch immer eingesetzt, wenn der offene Kampf verloren ist.

ABER:

Damit man damit beginnen kann, muss man dem Angreifer das Feld überlassen. Bei deinem Vorschlag des sofortigen Guerillakampfes würde man dem Angreifer Tür und Tor in die Sphären der Rechtsetzung und Verwaltung öffnen. Zwar kannst du dich verteidigen, währenddessen leidet aber das Volk und der Herrschaft. Gleichzeitig kann der Angreifer sich frei bedienen und alles mögliche für die Zukunft nachhaltig kaputtwirtschaften. Langfristig ist das teurer, als direkt die Stirn zu bieten und hier möglichst viel herauszuholen. Auch für die Moral der eigenen Leute.

Niemand weiß, ob es Putin gelingen wird, hier einen militärischen Sieg davonzutragen. Wahrscheinlich? Ja. Aber wir haben gelernt, dass man sich heutzutage sehr sehr gut täuschen kann. Und auch ein Putin kann sich nur vorbereiten, wenn die Sanktionen dann aber härter einschlagen und das Gebilde von innen beginnt zu wackeln, weil er die Komplexität wie jeder Mensch schlicht nicht in ihrer Gesamtheit erfassen kann - dann wars das vielleicht mit Krieg und Zar Putin, bevor es überhaupt richtig begonnen hat.

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Die Grundidee klingt gut, aber wirkt nur gegen einen Angreifer der das Land besetzen und besetzt halten will.

Nach eigenem verkünden will ja Putin „nur“ die militärische Macht der Ukraine zerschlagen und nicht das Land dauerhaft besetzen.

Das er höchstwahrscheinlich eine Marionettenregierung einsetzen will ist ja bislang nur eine Vermutung mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Aber spätestens dann ist es ja vorbei mit dem Guerillakampf gegen einen Besatzer.

Das die Bevölkerung der Ukraine nicht so einfach eine Marionette Moskaus akzeptieren wird ist ein anderes Kapitel.

Ich denke also um die Abschreckung möglichst hoch zu halten sollte man schon noch eine konventionelle Armee haben die zur Feldschlacht ziehen kann. Allerdings kann die deutlich kleiner/billiger ausfallen wenn man gleichzeitig weite Teile der Bevölkerung im Guerillakampf ausbildet.

Also ein Mix aus beidem denke ich hatte die Größte Wirkung bei der Abschreckung und die Verkleinerung macht die Defensive Einstellung deutlich.

Aber man sieht ja auch jetzt schon Recht schön, dass die ukrainische Armee gar nicht auf Sieg kämpft, sondern „nur“ auf Durchhalten und die Rechnung für Putin möglichst hoch gestalten.

Hallo Ich habe ein paar Gedanken die ich zu diesem Vorschlag äußern würde.

Im allgemeinen kann Ich verstehen welcher Logik die vorgetragene Idee entspringt, die Erfahrung das Partisanenkriege nicht zu gewinnen sind und auch das große Länder Gefahr laufen kleine Kriege verlieren ist in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg in diversen kriegerischen Auseinandersetzungen (Vietnam, Sowjets/Amis in Afghanistan) klar erkennbar gewesen.
Ich sehe jedoch einige Schwierigkeiten in einer dezentralen Guerilla-Armee, welche einzig auf die Landesverteilung beschränkt ist.

  1. Deutschland ist ein Teil der Nato, dies hat weitreichende Folgen. In ein militärisches Verteidigungsbündnis integriert zu sein welches über Nuklearwaffen verfügt schützt uns vor jedweder Form konventionell militärischer Aggression. Eine konventionelle Auseinandersetzung mit einem Land in Deutschlands Nähe ist schlichtweg unrealistisch, da dies einen Atomkrieg auslösen täte. Deutschland ist als Nato Mitglied dazu verpflichtet ein gewisses militärisches Etat zu haben und beim greifen von §5 anderen Nato Ländern Beistand zu leisten was sich mit einer dezentralisierten reinen Verteidigungsarmee als nicht Möglich erweist. Die Umsetzung eines solchen Modellprojekts würde folglich einen Nato Austritt voraussetzen was nicht im Interesse nationaler Sicherheit liegen kann.

  2. Auch wenn Ich persönlich mich eventuell für eine allgemeine Verpflichtung zum Wehr/Zivildienst aussprechen würde, wurde Ich in anderen Diskussionen bereits darauf hingewiesen, dass die allgemeine Wehrpflicht eine elementare Einschränkung der Freiheitsrechte darstellen würde und nur (wenn überhaupt) im Falle einer langanhaltenden realistischen Bedrohung zu rechtfertigen wäre. Ich halte diesen Fakt für den wichtigsten!

  3. Man stelle sich vor in einer Gesellschaft zu leben in der ein jeder/eine jede an der Waffe, zum Fallenstellen, Sabotieren von Versorgungseinrichtungen oder sonstigen Guerilla Kriegstaktiken ausgebildet ist. Israelische Verhältnisse bloß um deutlich verstärkt, ich glaube es hätte diverse negative gesellschaftliche/soziale Auswirkungen jede/n Bürger/in zu einem allzeit bereiten Guerilla-Krieger zu erziehen, es bringt ein unrealistisches Konstrukt von Gefahr und ständiger Wehrbereitschaft in die Köpfe der Gesellschaft, erzieht uns zu Menschen die bestens darin geschult sind hinterlistig den anderen zu Schaden. (Ich halte die Militärtaktik des Guerillakriegs für nicht allgemein verwerflich, bloß die Anerziehung dieser Taktiken eine Gesamtbevölkerung betreffend)

  4. Luftüberlegenheit und Raketenabwehr halte Ich für militärische Mittel auf die nicht verzichtet werden kann. Bombardements aus der Luft müssen abgewehrt werden können sind allerdings wie oben angeführt ein unrealistisches Szenario aufgrund der Nato Mitgliedschaft Deutschlands.

Trotz der angeführten Gegenargumente halte Ich es für eine sinnvolle Debatte über mehr dezentralisierte Strukturen innerhalb der BW nachzudenken. Dies bietet sich vielleicht auch im Rahmen der Debatte um eine neu Strukturierung der BW an. Den totalen Abbau einer Berufsarmee halte Ich jedoch für nicht angemessen.

LG

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@rlinner Ich bin ebensowenig Experte, kann aber zum Zwecke des von Dir geforderten Argumente-Schärfens ein paar Gedanken zu der Idee der „dezentralisierten Armee“ anbringen :slight_smile: :

Erst einmal erinnert mich vieles an das System der Schweiz mit Reservisten und dezentral gelagerten Waffen. Ähnliche Ideen findet man wohl auch in vielen anderen Ländern. Nicht zuletzt auch im Second Amendment der USA.

Ein wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht, dass Kombattant*innen immer klar als solche zu erkennen sein. müssen. Ich bin absolut kein Experte in internationalem Recht, aber soweit ich verstehe, bewegt sich, wer als Partisan in Zivilkleidung kämpft, außerhalb der Genfer Konvention. Mit potentiell üblen Konsequenzen im Fall, dass man gefangengenommen wird.

Allgemein habe ich die Sorge, dass die Idee der dezentralen Verteidigung ein wenig nach totalem Krieg riecht und schreckliche Konsequenzen für alle hätte: Wenn jede und jeder Bewohner potentieller Kampfteilnehmer wären, dann wären auch alle potentielle Feinde. Zivilist*innen geraden quasi per default ins Fadenkreuz. Der Zweck einer Berufsarmee ist auch, im Krisgsfall das legitime Ziel zu sein, so dass die Zivilbevölkerung nicht angegriffen wird.

Etwas anders betrachtet fürchte ich auch, dass eine derart dezentralisierte Armee, die vor allem aus hochmotivierten Laien besteht, sich auch enthemmen und sich einfacher zu Vergehen (Mishandlung von Kriegsgefangenen, etc.) hinreisen lassen könnte.

In eine ähnliche Richtung geht das Argument, dass Kriege im Idealfall nicht auf dem Schlachtfeld beendet werden sollten, sondern am Verhandlungstisch. Dazu ist es aber nötig, dass eine Seite einen Waffenstillstand erklären und auch garantieren kann. Bei vielen dezentralen Kampfgruppen, die nicht aus Berufssoldat*innen bestehen, habe ich da so meine Zweifel, ob nicht doch noch ein paar Leute einfach weitermachen wollen.

Zuletzt erscheint mir es auch militärisch problematisch, so ganz ohne Panzer, Kampfflugzeuge, Schiffe etc. einen Krieg führen und gleichzeitig Infrastruktur und ein Staatswesen aufrecht zu erhalten wollen. Hat eine Seite völlige Lufthoheit, so ist es ziemlich einfach, das Parlament, Kraftwerke, Brücken, Funkmasten, Fabriken, Häfen, Ministerien, Polizeistationen, etc. zu bombardieren und per Helikopter 200 Soldaten einzufliegen, die mal eben den Kanzler und die Verteidigungsministerin in Arrest nehmen.

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Artikel 44 des Zusatzprotokoll
zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949
über den Schutz der Opfer
internationaler bewaffneter Konflikte besagt in Absatz 3:

Blockzitat

Um den Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen von Feindseligkeiten zu verstärken, sind die Kombattanten verpflichtet, sich von der Zivilbevölkerung
zu unterscheiden, solange sie an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zur
Vorbereitung eines Angriffs beteiligt sind. Da es jedoch in bewaffneten Konflikten
Situationen gibt, in denen sich ein bewaffneter Kombattant wegen der Art der Feindseligkeiten nicht von der Zivilbevölkerung unterscheiden kann, behält der den Kombattantenstatus, vorausgesetzt, dass er in solchen Fällen
a) während jedes militärischen Einsatzes seine Waffen offen trägt und
b) während eines militärischen Aufmarsches vor Beginn eines Angriffs, an dem
er teilnehmen soll, seine Waffen so lange offen trägt, wie er für den Gegner
sichtbar ist.
Handlungen, die den in diesem Absatz genannten Voraussetzungen entsprechen,
gelten nicht als heimtückisch im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 Buchstabe c.

Weiter heißt es sinngemäß, dass ein jeder von gegnerischer Seite gefangengenommene bei nicht-Einhaltung obiger „Erkennungspflicht“ seinen Status des Kriegsgefangenen verliert.

Ich sehe diesen Auszug als Unterfütterung der Aussage von @cors.

PS: Ich hoffe ich habe das Blockzitat richtig verwendet, ich habe es heute zum ersten Mal ausprobiert.

Quelle: SR 0.518.521 (admin.ch)

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Das ist der springende Punkt: Die Defensivstrategie muss so kommuniziert werden, dass es gar nicht zum Angriff kommt.

Aber erst dann, wenn es tatsächiich zu einem Einmarsch kommt. Aber wie gesagt, genau das zu verhindern ist das Ziel.

Frei bedienen kann er sich insofern nicht, als der Angreifer ja ständig von Scharfschützen/Anschlägen bedroht ist. Der Schaden durch Kaputtwirtschaften dürfte aber eher niedriger sein als der Schaden durch einen offenen Krieg.

Das ist nur die Option für eine mindestens gleichstarke Verteidiger-Armee. Daraus könnte ein relativ früher Waffenstillstand zustandekommen.

M.E. würde der Rückzug der ukrainischen Armee in den Häuserkampf jetzt diese Wahrscheinlichkeit stark erhöhen. Sonst kann es doch nur sein, dass die ukrainischen Soldaten da draussen aufgerieben werden.

Genau. Eine Marionettenregierung kann aber nicht ohne Besatzungsarmee sein, vor allem nicht in der Situation der Ukraine bei
diesem entschlossenen Widerstand. Der Guerillakrieg würde dan so lange fortgeführt wie die Russen im Land sind.

Wie oben gesagt, eine „kleine“ Armee ist eher Kanonenfutter. Sie kann den Vormarsch verzögern, aber zu sehr hohen Kosten (Tote und Gefangene die für den Untergrundkampf fehlen).

Wie in meinem Thema gesagt, müsste und könnte die konventionelle Kampftruppe (für Friedensmissionen oder Terrorbekämpfung) so klein sein, dass auf eigenem Territorium gar nicht im Feld eingesetzt werden würde. Abschreckung und gleichzeitig Angriffsunfähigkeit wären damit dokumentiert.

Das „Gleichgewicht des Schreckens“ ist nicht so stabil, wie das die Befürworter glauben. Es hält zwar von einem konventionellen Angriff ab, aber der Schritt zum Nuklearkrieg ist nicht so weit, wie das Putin gerade ins Spiel bringt. Deswegen ja auch diese Idee der „Unbesiegbarkeit“ zu einem sehr kleinen Preis. Die NATO ist auch keine Ewigkeitseinrichtung, bzw, sie könnte nach dem Muster umgebaut werden.

Hat bei uns gegolten bis vor 10 Jahren, war kein verfassungsrechtliches Problem, wird jetzt wieder ernsthaft ins Gespräch gebracht. Hat auch viele Vorteile, wie hier im Forum an anderer Stelle schon jemand geschrieben hat, sinngemäss, dass die überproportionale „rechte“ Gesinnung in der BW verdünnt wird durch Wehrpflichtige, und dass Wehrdienst/Sozialdienst durchaus persönlichkeitsbildend wirkt.

Stimmt, hatte ich aber auch nicht ausgeschlossen.

Teil 1

Teil 2

Das war auch meine erste Inspiration. Ich weiss nichts Genaues darüber, aber von der Ferne sieht es eher aus wie eine gemütliche Tradition. Das müsste eben sehr professionalisiert und technisch auf dem höchstmöglichen Stand gebracht werden.

Eine professionelle Ausrüstung wäre ja schon eine Uniformierung als Kombattant. Wie zu Zeiten der früheren Wehrpflichtigen-BW wäre nur ein kleinerer Teil der Jahrgänge an der Waffe ausgebildet und dann Reservisten. Die übrigen wären für die Logistik und soziale Betreuung ausgebildet. Damit wäre der Unterschied zu damals nur die radikal defensive Ausrichtung.

Wie gesagt, nur gut ausgebildete Kämpfer, entsprechend auch keine vermehrte Gefahr von Missbrauch.

Ja. Aber ich glaube, die Gefahr eines bewaffneten Konflikts für ein Land mit defensiver Ausrichtung wäre viel kleiner, sollte sogar nahe Null sein.

Meine Idee ist schon irgendwie kontraintuitiv (vielleicht auch, weil wir moderne Armeen einfach nicht anders kennen). ABER, du darfst nicht vergessen, 200 000 Soldaten und 2 Mio. Reservisten sind über das Land verteilt und bilden keine Zielscheibe wie Kampfverbände im Feld. Jede wichtige Einrichtung könnte mit Scharfschützen und Panzerabwehrwaffen und Luftabwehr so belegt sein, dass ein Angriff jederzeit ein Risiko wäre.

Danke für das Zitat. War mir so auch nicht geläufig. (Ist ja schon gruselig, wie das Grausamste verhandelt wird wie ein Arbeitsvertrag). Aber, da ja nur die Angreifer dieser Regel unterliegen wäre zu fragen, ob Untergrundkämpfer überhaupt Angreifer sein können, wenn doch von vornherein und in jedem Fall die Invasoren die Angreifer sind. Jede Aktion der Verteidiger ist per se defensiv, mit welchen Mitteln auch immer. Angreifer müssen zu jeder Zeit mit Gegenwehr rechnen. Sie können die Opfer vermeiden, wenn sie sich zurückziehen.

Zum Schluss Danke für eure Antworten, vor allem für den sachlichen Ton.

Danke zurück! Vielleicht noch ein paar Gedanken:

  • Liegt der Idee nicht die unrealistische Annahme zugrunde, dass die Bevölkerung eines Landes homogen ist? In letzter Konsequenz bedeutet das ja z.B., dass die Mehrheit in Südtirol, wenn sie das will, sich zu Österreich zugehörig erklären kann. Oder die Mehrheit in Ostsachsen kann einen Austritt aus der BRD und der EU erwingen. Regionale Autonomie ist ein wichtiges Thema, aber die Mittel sollten immer rechtstaatliche sein (Verhandlungen, Abstimmungen, Kompromisse, von allen akzeptierte Regeln - siehe etwa Schottland) und eine Änderung der Grenzen durch Zwang/Gewalt durch eine lokalen Mehrheit sollte nie denkbar sein.
  • Dann frage ich mich, ob dieses System nicht ein Land aufweicht in einfach zu besetzende ländliche Regionen und quasi uneroberbare Städte, die man zwar nicht einnehmen, aber abschneiden kann. So kann ein Aggressor Stück für Stück das Hinterland wegsnacken, ohne mit ernsthafter Gegenwehr rechnen zu müssen und seinerseits verlustreiche Kämpfe vermeiden. Nach ein paar Monaten bleiben Städte mit einer bis an die Zähne bewaffneten Verteidigungsarmee, die im permanenten Ausnahmezustand ausgehungert wird.

Wenn man eine Armee fordert, die selbst im Inland zu keinerlei Offensiven fähig ist, dann könnte man es doch auch gleich mit Brecht halten und gar keine Armee aufstellen. Eine nicht völlig ernst gemeinte Modifikation wäre:

  • Es gibt keine Armee.
  • Wenn eine Invasion passiert, dann werden Regierung, Parlament, Gerichte und wichtige Institutionen (vielleicht auch Medien?) unmittelbar ins Ausland evakuiert. Die Pläne dafür liegen jederzeit in der Schublade und sind innerhalb von Stunden umsetzbar.
  • Diese Auslandsregierung arbeitet digital weiter.
  • Es wird kein einziger Schuss abgefeuert, aber es gibt automatisch einen Generalstreik und international vorher vereinbarte Sanktionen gegen den Agressor.

@rlinner
Ich bin da bei @Nick_Linden. Mir fallen als Beispiele für „erfolgreiche“ Gurilla- bzw. Partisanen-Kriege nur Länder ein, denen es danach extrem schlecht ging, also Afghanistan, Vietnam usw.
So eine Taktik ist einfach extrem destruktiv für Wirtschaft und Kultur eines Landes. Außerdem leben die Menschen in ständiger Angst, können sich nichts aufbauen und werden eventuell sogar vom Besatzer zum Zwangsdienst verpflichtet, wenn sie z.B. gute ITler oder Ärzte sind.

Es gibt natürlich Staaten ohne Militär, hier eine Liste von Wikipedia:
Liste von Staaten ohne Militär - wikipedia.de
aber in den meisten dieser Länder übernimmt die Polizei die Grenzsicherung und/oder es eine Schutzmacht.

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Abschließend würde Ich zu dem von @rlinner ins Gespräch gebrachten Vorschlag sagen, dass er zwar durchaus auf sinnvollen Argumenten fußt allerdings meiner Einschätzung nach folgende elementare Lücken enthält, die mich dazu verleiten ihm eine gewisse Realitätsferne nahezulegen:

  1. Sozioökonomische Komponenten werden in der Argumentation völlig hinten angestellt.
    Ein solches System aufzuziehen wäre mit einem gesamtwirtschaftlichen Umbau oder einem ökonomischen Kamikaze gleichzusetzen und die gesellschaftlichen Folgen wären ohne Frage verheerend. Die bereitgestellten 100 Mrd. für die BW dieses Jahr reichen nicht einmal um eine Infrastruktur für die Wiedereinführung der Wehrpflicht aufzubauen, von den astronomischen Höhen die folglich oben diskutierter Vorschlag kosten würde ganz zu schweigen.

  2. Eine ganz elementare Frage ist für mich persönlich: Zu welchem Zweck??
    Wir sind Mitglied der NATO, haben keine Grenze zu einem uns auch nur ansatzweise feindlich gesinnten Land, fast alle Länder an die wir grenzen sind ebenfalls Mitglieder des unsrigen Verteidigungsbündnisses. Wir sind durch das Abschreckungspotenzial der Nuklearmächte USA, UK und Frankreich bisher vor militärischen Konflikts geschützt. Wir brauchen schlichtweg kein Volk aus 80 Millionen Guerilla-Kämpfern inmitten von Europa zu sein.

  3. Die Idee ist zum Scheitern verurteilt aufgrund ihres Absolutheitsanspruchs und vor allem aufgrund ihrer drastischen Härte in einer Situation, die eben diese Härte und Totalität nicht im geringsten benötigt. Lasst uns die BW besser ausstatten und gerne auch neu ausrichten, lasst uns dezentrale Elemente in sie integrieren und uns auch darüber streiten wie Kriegsführung heutzutage aussehen sollte, und wie sie sich effizient gestalten lässt sollten wir sie, was ich selbstverständlich nicht hoffe, brauchen. Aber Deutschland zur Guerilla-Nation umbauen? Auf keinen Fall!

Das wäre es ja nur, wenn tatsächlich eine Invasion zustande käme. Ich gehe davon aus, dass sich auf diese Weise auch ein kleineres Land gegen jeden Angriff versichern könnte, eben durch die Abschreckung die ein nicht zu gewinnender Untergrundkrieg gegen jede Begehrlichkeit von aussen darstellen würde. Als Beispiel könnte man ja Ukraine/Russland jetzt nehmen. Hätte die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit anstatt einer konventionellen Armee diese Art der Verteidigungt implementiert, wäre m.E. Russland noch nicht einmal in die Krim einmarschiert, und jetzt gäbe es auch keinen Krieg. Abgesehen davon, dass die Ukraine dann gar nicht auf die Idee gekommen wäre, der NATO beitreten zu wollen. Und sehr viel Geld wäre auch gespart worden.

Du gehst davon aus, dass trotz einer solchen Strategie jeder der gerade Lust hat mit einer Armee über die Grenze käme, weil dort noch keine Gegenwehr ist. Das ist eben der falsche Schluss. Die Abschreckung durch Atomwaffen funktioniert ja auch, nur ist sie schrecklich weil nicht sehr stabil, wie Putin jetzt raunt, und weil sie irrtumsanfällig ist (siehe der falsche Alarm, den ein sowjetischer Offizier gerade noch erkannte und zufällig die halbe Welt rettete).

Diese Schrecklichkeit glaube ich ist 1000 mal ein Grund, völlig neu nachzudenken.

Das wäre aber kein Staat ohne Militär. Dieses Militär wäre hochprofessionell geführt (von den besten Leuten geplant und optimiert) und viel effizienter und viel billiger als eine konventionelle Armee.

Trifft alles nicht zu. Warum Umbau? Kamikaze??? Welche gesellschaftlichen Folgen, gar verheerende? Die Rüstungsindustrie hätte viel weniger Aufträge (keine Panzer, keine schweren Geschütze, entsprechende Gegen-Lobby), das wäre eine winzige ökonomische Folge.

Ganz einfach: die Abschreckung durch Atomwaffen überflüssig zu machen, das horrende Wettrüsten bis ins Weltall zu stoppen, den immensen Verbrauch von Ressourcen für schwere Rüstung zu stoppen, die Angst vor Krieg (ist jetzt doch da) zu nehmen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Und so wichtig wie die Abschreckung selbst ist die Offenbarung der eigenen Unfähigkeit, einen Angriffskrieg zu führen. Man könnte dazu Inspektoren anderer Länder einladen, um das zu beweisen. Das ist doch Friedenssicherung wie es nicht besser ginge.

So sieht es jetzt aus. Und gerade hat Putin die „Zeitenwende“ herbeigeführt, so wenig vorhergesehen wie der Fall der Mauer. Die Stabilität, die du hier meinst ist eben nicht stabil. Was ist, wenn 2024 ein verrückter Republikaner (Peter Thiel?) Präsident in USA wird? Dann ist doch schon vieles in Frage gestellt.

Hast du Zahlen. Warum soll das so viel kosten? Die zusätzlichen Kasernen? Für die vorgestellte Strategie bräuchte man nur Kasernen für die kleine Eingreiftruppe, falls man die aufstellen will, also viel weniger als jetzt in Betrieb sind.

Wie gesagt, ich bin keine Waffenexperte, aber Panzerfäuste sind sehr viel billiger als Panzer, und Präzisionsgewehre sind billiger als schwere Geschütze und Luftabwehrkanonen sehr viel billiger als Kampfflugzeuge, die Infrastruktur eben auch viel billiger als die konventionelle.

Ich glaube du hast die Idee noch nicht verstanden. Wir reden von völlig verschiedenen Voraussetzungen.

Da bin ich anderer Meinung. Ich halte inzwischen das Beharren auf den „Sicherheitsgarantien“, die Russland immer als Grund nennt, für vorgeschoben, denn Russland hat letztendlich immer noch Atomwaffen. Und die sind ihre Lebensversicherung, wie bei den anderen Atommächten auch.
Das sich Russland von der Nato bedroht fühlt, ist also eigentlich unbegründet.

Ich denke eher, das es Russland genau um das geht, was jetzt auf dem Tisch liegt, nämlich einen EU-Beitritt der Ukraine und damit eine Chance auf wirtschaftlichen Aufschwung. Denn dadurch, dass Russen und Ukrainer sich so nahe stehen, zumindest bisher, kriegen sie auch viel von einander mit.

Ich denke daher Putin und andere Eliten in Russland, wollen nicht eine Art „BRD-DDR-Situation“ zwischen der Ukraine und ihnen haben, bei der die Russen immer sehen, wie gut es der Ukraine mit der EU geht, während Russland wirtschaftlich stagniert. Das könnte z.B. auch zu einer verstärkten Abwanderung aus Russland in die Ukraine führen.

Es ist zwar nicht gesagt, dass durch einen EU-Beitritt die Ukraine zwingend einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, aber durchaus möglich.

So nehmen Russland und die pro-russischen Seperatisten in Luhansk ja auch den Verfall der Industrie in Kauf, wie man an dem Beispiel dieses ehemaligen Lokomotiven-Werkes sehen kann (Quelle: Wikipedia):

Viele Maschinen wurden 2015 geplündert;[5] der übrig bleibende Betrieb stellt mit einem kleinen Bruchteil der Beschäftigten Haustechnikwaren her nebst einigen Reparaturaufträgen.[6]

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Das ist die Analyse der Situation jetzt mit der bekannten Vorgeschichte. Da bin ich im Wesentlichen deiner Meinung. Ich hatte aber die fiktive Abschreckungssituation als Idee, die meiner Meinung nach Russen und jede andere Macht von einer Invasion abgehalten hätte.

Was mir gerade noch zu dem Thema einfällt: Es gibt ja radikal pazifistische Strategien (ausgeklügelter gewaltloser Widerstand gegen Besatzungsmächte) die sogar funktionieren würden, allerdings glaube ich, dass sie in der Praxis daran scheitern würden, dass eben irgendwie 80% einer Landesbevölkerung (oder der Menschheit) keine Pazifisten sind und also der Widerstand letztenendes zwangsläufig gewalttätig umschlagen würde.

Der Gedanke verfängt langsam :slight_smile:
Da Russland davon ausging, dass sie die Ukraine im Handstreich einnehmen könnten, haben sie es einfach probiert.
Du sagst nun, dass die Abschreckung eines Häuserkampfes Putin womöglich anders hätte handeln lassen.
Das Problem dieses Kriegs ist ja, dass es Putin nicht um Bodenschätze o.ä. geht (jedenfalls nicht in erster Linie), Kosten/Nutzen-Rechnung also relativ ist.
Die Frage ist also: hätte er sich einfach besser vorbereitet, z.B. keine Panzer, die ohne Sprit liegen bleiben, stattdessen Städte umzingelt und ausgehungert (wie Charkiw), gleich zu Beginn mehr Raketen und Drohnen eingesetzt oder es tatsächlich gelassen?
Bei irrational handelnden Machthabern birgt das schon ein gewisses Risiko.

Putin ist ein rationaler Stratege, aber sein Motiv, das sich über die Jahre offensichtlich radikalisiert hat, ist ganz irrational (völkisch, sendungsbewusst würde ich sagen).

Als Stratege muss er den Krieg gewinnen, andernfalls ist sein Lebenswerk wie er es wohl sieht, zunichte. Und sehr wichtig, er darf vor seinen Anhängern nicht das Gesicht verlieren. Er muss also siegessicher sein. Wenn also die Ukraine defensiv so hochgerüstet wäre, wüsste Putin genau wieviele ausgebildete Kämpfer gegen sich hätte, welche Waffen sie haben und welche Strategie. Aber auch mit der besten militärischen Aufklärung kennen seine Soldaten nur eien winzigen Ausschnit des Netzwerks der Verteidigung, während eben die Verteidiger 100%ige Ortskenntnis haben. Dieses Wissen um die Aussichtslosigkeit macht die Abschreckung. Atomwaffen wirken ja auch nur, wenn potentielle Feinde wissen, dass sie vorhanden sind und wieviele Sprengköpfe wo stationiert sind.

Für jetzt hoffe ich, dass sich der Fuchs so sehr verrechnet hat, dass er sich sein Grab geschaufelt hat. Es könnte doch etwas Ähnliches kommen wie der 20. Juli 44, nur dass es diesmal besser ausgeht. Ich sehe Risse in Putins System. Wenn sich die Unzufriedenen (in Militär und engstem Kreis um Putin) immer mehr aus der Deckung wagen, könnte Putin stürzen.

Ist das so?
Ich hatte bereits hier darauf hingewisen, dass an der „Ent-Nazifizierung“ der Ostukraine wohl doch etwas drann sein kann.

Mit Entnazifizierung bezieht er sich auf die ukrainische Regierung denke ich. Nazis gibt es ja praktisch überall mehr oder weniger. So gesehen könnte jeder überall einmarschieren um Nazis zu vertreiben. Das völkische Element in Putins Erklärungen ist offenbar und ich höre es auch nicht anders von denen die Putin genau beobachten.

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Da bin ich mir eben unsicher. Ich glaube Russland sieht eben viele der im östlichen Teil der Ukraine lebenden Menschen als Russen an, und wenn die Berichte stimmen gibt es tatsächlich Nazi-Gruppen in diesen Bereichen die diese Russen terrorisieren und sogar umbringen. Und Russland sieht es als seine Pflicht an diesen Russen zu helfen. Deswegen hat man wohl auch vor dem EU Menschengerichtshof schon vor geraumer Zeit Anklage erhoben:

https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/egmr-strassburg-russland-ukraine-klage-diskriminierung-bevoelkerung

Und wenn die ukrainische Regierung trotz der Beschwerden und Anklagen nicht handelt, ist es dann falsch anzunehmen dass die Regierung zumindest stillschweigend die Taten dieser Nazigruppen akzeptiert? Weil es in die eigene Agenda passt?

Wie gesagt ist das für mich auch alles neue Information, spannend dass das in der westlichen Öffentlihkeit kaum bis gar nicht thematisiert wurde. Und ich habe mir bei weitem noch keine abschliessende Meinung gebildet.

Und noch einmal, nur um es ganz klar zu machen: Dies ist absolut kein Grund für diesen Krieg. Ich dachte die zivilisierte Welt, zu der ich auch Russland zähle, hätte erkannt das Krieg keine Lösung für Probleme ist und nur Leid und neue Probleme schafft.