Lage 398 - Enttäuschung und fundamentale Kritik am Verständnis von ETFs und Altersvorsorge

Hallo liebes Lage Team und Forum,

ich muss leider auch sagen, dass mich euer … Input zu ETF-Sparplänen sehr überrascht und enttäuscht hat. Auch schreibe ich hier nochmal, da ich finde die anderen Kommentare die idologische Kritik nicht ausreichend ausführen und mangelndes volkswirtschaftliches Verständnis aufzeigen.

Bei eurem sonstigen Gerechtigkeitsverständnis bin ich enttäuscht wie ihr das unkommentiert und unkritisch übernommen habt, da diese Entwicklungen keineswegs zu Gerechtigkeit beitragen, sondern Ungerechtigkeiten verschärfen.

Es kann doch nicht sein, dass unsere Lösung nun ist „Rette sich wer kann!“. Das Versprechen der Rente ist, wer gearbeitet und eingezahlt hat - dem wird auch ein würdiges Leben im Alter abgesichert. In Kurzform, die ich unten detaillierter Ausführen werde, sollte die Rente nicht vollständig durch private Aktienkäufe abgesichert werden, sondern durch vernünftige Löhne, gute Ausbildung von zukünftigen Arbeitskräften und zukunftsfähigem Unternehmertum und Umverteilungsmaßnahmen von Überreichtum. Das bedarf jedoch massive Investitionen wie es mittlerweile sogar die Industrieverbände fordern (400 - 600 Mrd. Investitionsdefizite über die nächsten 10 Jahre). Ihr verkennt außerdem …, dass große Teile der deutschen Gesellschaft zunehmend verarmen und das nicht ihr Eigenverschulden ist, sondern Politikversagen, vorrangig zu Gunsten der Reichen.

Dazu ein paar Gedanken und Punkte:

Die moralische Kritik breitflächiger Unterstützung unethischer Unternehmen wurde bereits in einem anderen Post ausführlich angebracht. Dabei ist es sehr fragwürdig, ob wir die derzeitigen Entwicklungen wirklich unterstützen wollen (selbst ESG Kriterien sind ein Witz) und ob dies volkswirtschaftlich nachhaltig ist (ökologisch sicher nicht).

Unter anderem sprecht ihr von einer „Magie“ der ETFs. Aktien sind keine Magie. Aktienausschüttungen bedeuten, dass man Geld mit der Arbeit anderer Leute verdient, die man selber nicht verrichtet hat. Geld, dass diesen Menschen zusteht die tatsächlich Wertschöpfung erbracht haben. Arbeiter die von den Rekordprofiten ihrer Unternehmen aber nichts abbegekommen, da diese es an ohnehin schon Wohlhabende und Reiche ausschütten. Geld das nicht in die Löhne, Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Innovationen fließt. Die Reallohnentwicklungen in Deutschland bleiben seit 2 Jahrzehnten auf der Strecke und das Geld fließt ab in die Taschen der Unternehmer, Reichen, und Erb:innen.

Die Verteilung auf dem Aktienmarkt ist extrem ungleich …
Außerdem verdienen viele Unternehmen mittlerweile selbst mit Anlagen und fragwürdigen Konzern- und Finanzkonstrukten Geld, anstatt mit Investitionen und Innovation (siehe Investitionsquoten).

Dazu gehört wiederum, dass sich nur ein Bruchteil der Menschen in Deutschland Aktien leisten können. 40-50% der Deutschen haben kein nennenswertes Vermögen d.h. sie können kein Geld zurücklegen und wenn, dann wird es für alltägliche und lebensnotwendige Dinge gebraucht z.B. wenn Haushaltsgeräte kaputt gehen oder das Auto repariert werden muss etc. Es ist eine Illusion zu behaupten, das alle Menschen sparen können. Der Besitz von Aktien ist tatsächlich nur unter den oberen 5-10% üblich (und wie gesagt, extrem ungleich verteilt).

Weiter zu den Löhnen: Deutschland hat mit den größten Niedriglohnsektor in Europa. Dienstleisstungen sind hier verhältnismäßig billig. Dieser wurde v.a. seit Anfang der 2000er mit der Agenda 2010 ausgebaut. Wem dient dieser Niedriglohnsektor? Vorrangig der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, was erlaubt die qualitiativ hochwertigen Industriegüter verhältnismäßig günstig herzustellen, da Löhne niedrig gehalten werden können, da die Industriearbeiter dadurch real dennoch ein gutes Einkommen haben. Bedeutet aber, dass alle im Dienstleistungssektor noch weniger verdienen müssen, bzw präkerer beschäftigt werden müssen, damit es nicht teuerer wird. Industrieunternehmen die v.a. für das Ausland produzieren, bedeutet wir proudzieren Wohlstand für das Ausland. Wir rühmen uns jedes Jahr mit dem Titel „Exportweltmeister“, was eigentlich ein Armutszeugnis ist und das Gegenteil bewirkt. 7% Exportüberüberschuss bedeutet, dass wir unseren Wohlstand in’s Ausland verfrachten anstatt diese Ressourcen und Arbeitskraft in den Wohlstandserhalt und -ausbau in Deutschland zu stecken. Dieser massive Überschuss wird außerdem seit Jahren von diversen internationalen Playern (zB dem neoliberalen IMF) stark kritisiert. Eine solche Disbalance von Export und Import destabilisiert die Weltwirtschaft und bedeutet massive Abhängigkeiten auf Grund mangelnder Binnennachfrage und finanzieller Forderungen im Ausland.

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