L426 Rüstungsausgaben "verschlafen"

Fast in jeder Episode bekräftigt ihr, dass Deutschland bei den Militärausgaben in den letzten Jahrzenhten geschlafen habe und es sich unter dem amerikanischen Schutzschild gut gehen ließ. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als die Abrüstung noch ein Ziel war. Wir haben in Gorleben gegen Nachrüstung demonstriert. Die allegemeine Überzeugung war, dass die Amerikaner Deutschlanfd als Raketenabschussrampe benutzen, um der damalige Sowjetunion voraus zu sein im Ernstfall. Dass „die Russen“ mit Panzern und Bodentruppen nach Deutschland einmarschieren würden, war aus unserer Sicht die Angst der Weltkriegsgeneration, aber diese Art der Kriegsführung hielten wir für passé.
Abrüstungspolitik und die wirtschaftliche Annäherung an Russland war eine von großen Teilen des Volkes gewünschte Politik und hat nichts mit Verschlafen zu tun. Abrüstung war ein gesetztes Ziel.
Dass im Nachhinein die alte Weltkriegsgeneration wohl recht behalten hat, führt den Abrüstungsgedanken nicht grundsätzlich ad absurdum. (Ich bin mir ziemlich sicher, dass zukünftige Geschichtsbücher die momentane Super-Aufrüstung sehr kritisch und als eine Folge von Versäumnissen auf politischer Ebene, nicht auf Rüstungsebene sehen werden). Vor allem aber halte ich die implizite Schlussfolgerung aus dem Ukrainekrieg, „die Russen“ würden auch in Deutschland mit Panzern und Bodentruppen einmarschieren, für sehr kurzsichtig. Ich will die russische Gefahr nicht relativieren, aber sie sieht anders aus.
Hier wünsche ich mir eine differenziertere Betrachtungsweise in der Lage und weniger ständiges „in dieselbe Kerbe hauen“.

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Stimmt. Und der Kapitalismus wird da nicht gut weg kommen. Dennoch sehe ich nicht, dass nun Leute für mehr Unabhängigkeit bei der Energieversorgung auf die Straße gehen, eher das Gegenteil. Die zukünftigen Geschichtsbücher werden also eher ein gesellschaftliches als ein politisches Problem ausmachen.
Und da fällt mir dann erschreckend auf, dass auch damals die Proteste vor allem von linken Denkschulen angetrieben wurden, die damals schon von DDR-Kadern unterwandert waren. Kann es sein, dass das, wofür wir demonstrieren meist das ist, was Russland nützt?

Ich komme vermutlich aus einer ähnlichen Generation wie Du. Beim Nato-Doppelschluss war ich, glaube ich, gerade volljährlich und habe aus Überzeugung Kriegsdienst verweigert.

Du hast Recht: Wir haben da nix verschlafen. Es war eine bewusste Entscheidung der zuständigen Generationen.

Und hat diese Entscheidung hat sich rückblickend als Fehlentscheidung bzw. Irrtum herausgestellt.

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Bitte etwas konkreter. So vage, wie das ist könnte man schlicht festellen, dass aufgrund der unfäfigkeit der BRD Geheimdienste die halbe BRD unterwandert war. Zu mal der, in dem fragwürden KPD verbot und den Radikalenerlassen, gifpelnde Antikommunismus jetzt auch nicht gerade dazu beigetragen hat eine unabhängige linke aufzubauen, obwohl selbst Leute wie Abendroth auch innerhalb der linken stark in der Kritik standen. Und schließlich waren nicht mal die MdBs der CDU Stasi Geld all zu abgeneigt :wink:

Exakt, daher Frieden schaffen mit Lenkflugwaffen :wink:

Welche denn ? Die Brandtsche Außenpolitik, hat mit dem kohlschen Deutsch-europa genauso wenig zu tun, wie mit dem neoliberal-wandelnden Handeln, des Korruptionsnetzwerkes Merkel-Schröder. Jetzt alles in einen Topf zu werfen, weil den verschiedenen Akteuren, der verschiedenen Perioden im Alter die Ambigutitätstoleranz so sehr abhanden gekommen ist, dass sie nur noch „Diplomatie“ sagen können, erscheint mir doch etwas unnötig. Gerade bei Brandt gings eben nicht nur um Russland, sondern auch unsere jetzigen Verbündeten. Wer weiß ob die CDU die Oder-Neiße Grenze jemals akzeptiert hätte.

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Die Demonstrationen gingen vor allem von der Friedensbewegung DFU aus, deren Kürzel damals gerne als „die Freunde Ulbrichts“ gedeutet wurde. Allerdings las ich gerade, dass der Appell an die Regierung zusammen mit den Grünen erstellt wurde, die ja eher der DDR-Opppsition zugeneigt waren.

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Abrüstung funktioniert eben nur, wenn ALLE mitmachen. Sobald ein Land wie Russland sich entscheidet aufzurüsten und damit aggressiv andere Staaten zu bedrohen oder anzugreifen, hat man aus meiner Sicht 2 Möglichkeiten:

  1. konventionelle Aufrüstung
  2. glaubhafte atomare Abschreckung.

Beides haben wir nicht. Das ist das Problem.

Nein, aber es war eine Irrtum, zu glauben, zutiefst bösartige Feinde wird es nie wieder geben. Und es war ein Irrtum, zu glauben, Putin sei nicht zutiefst böse.

Und es war ein Fehler, die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr zu unterminieren (und der Bevölkerung dies als „Friedensdividende“ zu verkaufen). Der NATO-Doppelbeschluss, gegen den ich selbst als junger Mann demonstriert habe, hat sich rückblickend als richtig herausgestellt.

Ich bin beiden Fehlern bzw. Irrtümern selbst aufgesessen.

Man hätte eine Friedensdividende auch einfahren können, ohne die Verteidigungsfähigkeit aufzugeben.
Niemand verlang heute, dass wir 654.825 = 486.825 (BW) + 168.000 (NVA) Soldaten haben sollten. (Zahlen 1989.)

Das hätte aber echte Reformen benötigt, die auch schwer mit dem Beamtenrecht zu vereinbaren wären. Wenn man die Truppenzahl halbiert, die Stabsoffiziere aber nicht entlassen kann, dann hat man ein Problem. (Durchschnittsalter US-Armee: 27 Jahre, Deutschland: 31 Jahre)

Aber es hilft ja nichts, jetzt den verpassten Chancen der 90er Jahre hinterherzuweinen…

Alter US-Armee: https://www.bundestag.de/resource/blob/678962/a9bf8081eb3e4f22b0eb139801f7d0a7/WD-2-142-19-pdf.pdf
Alter BW: bundeswehr-journal Durchschnittsalter der Soldaten steigt weiter an - bundeswehr-journal
Truppenstärke BW: Personalbestand der Bundeswehr bis 2024 | Statista
Truppenstärke NVA: Von der Nationalen Volksarmee zur Bundeswehr | Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Naja ganz im Blindflug hat sich Deutschland jetzt nicht bewegt. Deutschland war zu Beginn schon sehr stark engagiert im Aufbau des internationalen Rechtssystems, hätte man das konsequent weiterverfolgt und auch auf die Wirtschaftspolitik ausgeweitet, wäre man jetzt nicht so abhängig von US Machtprojektion. Das gilt auch für die deutsche EU Politik. Entsprechend ist das Problem auch nicht die Abrüstung der Bundeswehr, sondern das man sich Konsequent geweigert hat euopäische Integration in der Sicherhitspolitik voran zu treiben. FCAS bspw. steht schon wieder fast vor dem aus. Neben diversen anderen Problem ist es grundsätzlich mehr als verständlich, dass Frankreich die Hand über FCAS hält und nicht bereit ist seine strategische Autonomie zu gefährden für ein unzuverlässiges Deutschland. Zu mal grundsätzlich natürlich auch wenig Interesse besteht, die durch deutsche Exportüberschüsse vorran getrieben Deindustrialisierung in Frankreich noch weiter zu bestärken. Die Aufrüstung einer autonomen Bundeswehr ist und bleibt grundsätzlich ein Desaster, dass es jetzt notwendig ist, sollte das nicht verdecken.
Viele von den Problemen liegen in der mangelnden Fähigkeit, sich konkret zu verpflichten bzw. stets auf balancing aus zu sein, je nach dem wie man es lesen will. Man ignoriert, Europäische Bedenken im Bezug auf die russiche Abhängigkeit, zur eigenen Exportförderung, pocht aber im Binnenmarkt auf die eigenen Schuldenregelungen; man baut Eurofighter im europäischen Konsortium, blockiert, dann aber den Export durchs UK, obwohl die eigene Waffenindustrie vollständig abhängig von Exporten ist und jetzt drängt man beim FCAS auf amerikanische Komponenten, um FCAS als Trägersystem für US Nuklearwaffen zu haben. Sollte FCAS jetzt nichts werden, werden die Britten Deutschland bestimmt nicht in das Tempest/GCAP projekt rein lassen aufgrund der Eurofighter Erfahrung. Selbst im jetzigen Koalitionsvertrag, wird das strategisch so wichtige Raumfahrtprogramm jetzt zum bayrischen Prestigeprojekt mit retrofuture Zielen, wie Hyperloop und deutschen Mondmissionen. Wenn der Kartoffelacker mal akzeptieren könnte, dass er nicht das Zentrum Europas ist, hätten wir diese ganzen Probleme nicht.

Ich weiß nicht inwiefern, dass zur Betrachtung wirklich hilft. Was mich eher interessieren würde, aber nirgends wirklich auftaucht ist die Frage russicher Staatlichkeit, als Ausgangspunkt für russische Außenpolitk. Russland ist ein extrem anarchronistsicher Staat, die Umbennung kann kaum verdecken, dass sich hier ein alterümliches Großreich als ein föderativer Nationalstaat tarnt. Entsprechend anarchronistisch Ist deren Außenpolitik. Mich verlässt hier das Gefühl nicht, dass das Problem eigentlich darin leigt, dass man mit Russland und Putin so verhandelt hat als würde es der selben Logik folgen, wie ein morderner Nationalstaat. Daher ist das Gefasel von legitimen Sicherheitsinteressen auch so albern. Die inneren Wiedersprüche von Großreichen, führen zwangsläufig zu einer Verschränkung von Innen und Außenpolitk, noch viel mehr als ein reiner Systemkonflikt zwischen Demokratie und Autokratie.
Russland ist, da nicht der einzige Staat, China und der Iran fallen direkt ins Auge, aber Russland ist schon in dem Sinne besonders, dass es weder den ideologischen Überbau des iranischen Regimes (auch wenn es sich gerade in die Richtung bewegt), noch das genuine Interesse an einer Binnenentwicklung hat, wie China. Ich weiß das ist seeehr verallgemeinernd, mich lässt nur der Gedanke nicht so ganz los

@ThomasAnderson So witzig, wie wenig verwunderlich, das grundsätzliche Problem in Deutschland, egal worum es geht sind immer die Beamten.

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In den 80ern hab ich meine 15 Monate als Funker gedient, stand also sozusagen auf der anderen Seite. Mittlerweile hab ich Respekt für die Friedensbewegung von damals. Wandel durch Handel hat ja lange funktioniert.

Meiner Meinung nach sind wir erst später falsch abgebogen.

Ich kann mich noch an die Diskussion vor 20 Jahren erinnern, als Landesverteidigung nicht mehr schick war, und wir stattdessen eine Interventionsarmee haben wollten. Spezialkräfte für die Sicherung der Handelswege, Troubleshooter für Mali und Afghanistan, all das Zeugs, was die coolen Kids hatten. Wenn man sich heute die Verteidigungspolitischen Richtlinien durchliest, die 2003 unter dem damaligen Verteidigungsminister Struck erarbeitet wurden:

Die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen
Angriff als allein strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr ent-
spricht nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen.
Die nur für diesen Zweck bereitgehaltenen Fähigkeiten werden nicht
länger benötigt.

Das war damals modern, weil in dem Bild für jeden was dabei war. Geld sparen, kein Antagonismus zu Moskau (da war Putin schon ein paar Jahre in Amt und Krieg), aber trotzdem coole Bilder von harten Kerlen am Hindukusch, das haben damals alle unterschrieben. Und so haben wir eine funktionierende Armee durch eine Armee-Simulation ersetzt.