Hallo!
Spätestens seit der Abstimmung am vergangenen Freitag, aber auch schon seit Veröffentlichung des bei der BDG beschlossenen Wahlprogramms der Grünen frage ich mich, was denn nun eigentlich die Position der Partei zum Asyl ist. Ich hole ein wenig aus.
2023 wurden EU-weit 1.048.830 Asylanträge gestellten. 55.605 davon in Österreich , und 329.035 in Deutschland. Auf eine Million Einwohner entfielen damit in Österreich 6.107 Anträge, in Deutschland 3.900. Österreich liegt damit an der europäischen Spitzengruppe. Griechenland und Bulgarien wurden noch mehr Anträge gestellt – relativ zur Einwohnerzahl.
Asylbewerber sind in Deutschland im Regelfall sicher vor Abschiebungen oder Rückführung in ihr Heimatland, selbst, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird. Denn nach deutscher Definition gibt es ja kaum sichere Herkunftsländer. Die Grünen sind iaR dagegen, Länder zu solchen zu erklären. Menschen, denen in Deutschland kein Asyl gewehrt wird, können meistens trotzdem bleiben, nämlich dann, wenn ihnen subsidiärer Schutz gewährt wird, weil ihnen im Heimatland die Todesstrafe, Folter oder ein bewaffneter Konflikt drohen (BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Subsidiärer Schutz)
Die Zahl der Asylbewerber an den deutschen Grenzen zu reduzieren - ja überhaupt das Kontrollieren der Grenzen - findet im deutschen Bundestag bislang keine Mehrheit. Es wird auf EU Recht, Schengen und europäische Solidarität verwiesen, und auf eine Kettenreaktion, die Deutschland auslösen könnte, wenn es einseitig Asylbewerber zurückweise. In Tschechien wurden (pro Mio. Einwohner) 2023 104, in der Slowakei 68, und in Orbans Ungarn sogar nur 3 Asylanträge gestellt. Europäische Kompromisse erscheinen schwierig. Dublin ist ohnehin offenkundig außer Kraft.
Eine EU-Lösung für die Asylfrage soll ab 2026 GEAS liefern, das Gemeinsame Europäische Asylsystem. Bloß: die Grünen, die auf Nachfrage immer wieder auf diese europäische GEAS-Lösung verweisen, haben auf EU-Ebene gegen GEAS gestimmt (Europa-Grüne stimmten gegen Asylreform: Realos in Deutschland sind verärgert über ihre Kollegen).
Es scheint, die Grünen sind gegen fast alles, was irgendwie zur Aufnahme von weniger Asylbewerbern führt. Mehr noch: es soll sogar der Familiennachzug für jene erleichtert werden, die subsidiären Schutz erhalten – was sie mMn plausiben begründen. Aber Abschiebungen sieht man generell kritisch.
All das wird mit humanistischen Werten erklärt. Das ist legitim. Viele Institutionen basieren auf diesen Werten. Obdachlosenunterkünfte, die Tafeln, Ambulanzen in Krankenhäusern, die auch behandeln, ohne nach der Versicherung zu fragen. Und doch begrenzen diese Institutionen ihre Leistungen. Eine Obdachlosenunterkunft hat eine bestimmte Anzahl verfügbarer Schlafplätze. Die Tafeln versorgen nicht jeden gratis mit Lebensmitteln, sondern Bedürftige. Krankenhäuser bieten nicht jede medizinische Leistung kostenfrei, sondern fragen vor größeren Maßnahmen dann vielleicht doch nach der Versicherung.
Die Städte und Gemeinden in Deutschland, die Polizeien und Sozialbehörden können ebenfalls nicht ohne Limit Leistungen für Asylbewerber erbringen. Der Städte und Gemeindebund hat im September 2024 mitgeteilt: „Deutschland hat in den vergangenen Jahren rund 1,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und zusätzlich mehr als 600.000 Asylsuchende aus anderen Staaten aufgenommen. Städte und Gemeinden tragen die Hauptlast bei Unterbringung, Versorgung und Integration. Die Kapazitäten in den Kommunen sind vielerorts ausgeschöpft und die Städte und Gemeinden sind an ihrer Belastungsgrenze. Wir brauchen dringend eine Begrenzung der Zuwanderung, um uns um die Menschen mit Bleibeperspektive zu kümmern, die bereits in Deutschland sind.” (Beschlüsse rasch umsetzen – Kommunen einbinden | DStGB)
Es mag ja sein, dass die Begrenzung der Aufnahme von Asylbewerbern schon im Grundsatz unvereinbar mit dem Grünen Programm ist. Legitim. Der Zustrom an Asylbewerbern geht aktuell zurück. Das kommt der Position der Grünen entgegen, ohne Begrenzungen auszukommen. Allgemein gilt aber doch schon rein denklogisch, dass unbegrenzter Zuzug auch unbegrenzte Aufnahmefähigkeit erfordert.
Es scheint, als sei die Parteiführung nicht daran interessiert, auf der sachpolitischen Ebene asylpolitische Entscheidungen überhaupt auf einer andere Weise als durch Demonstrationen gegen Rechts zu diskutieren. Drei Stunden lang war die Debatte zum Zustrombegrenzungsgesetz am 31.1. im Bundestag unterbrochen, und die Parteien links der AfD diskutierten Kompromisse, um zu verhindern, dass die CDU ihren Entwurf mit Stimmen der AfD beschloss. Kompromisse waren nicht möglich, so die Grünen, und so auch die SPD. Mag sein. Aber es wäre schön zu wissen, was genau denn eigentlich nicht mehrheitsfähig war.