Kritik an Verteidigungsministerin Christine Lambrecht

Die Tage musste ich an die Einschätzung der Lage direkt nach der Wahl denken. Da wurde in der Lage der Wechsel an die Spitze des BMVG sehr skeptisch gesehen. Da waren die 5000 Helme zur Verteidigung der Ukraine, der Helikopterflug bei Instagram und jetzt „Mitten in Europa tobt ein Krieg. … Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön.“ Wie lang wird es bis zur Kabinettsumbildung dauern und welche Funktion wird Frau Lambrecht übernehmen?

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Ich muss ehrlich sagen, dass das wieder so ein Skandal ist, der maßlos aufgeblasen wird.

War es eine schlechte Idee, dieses Video zu machen? Absolut.
Was das Wording und die Prioritätensetzung schlecht? Absolut.

Sollte eine Politikerin dafür medial gekreuzigt werden, bis hin zu Rücktrittsforderungen? Absolut nicht.

Politiker sind Menschen und keine Maschinen. Sie machen Fehler. Wenn es in Richtung „moralisch-strafrechtliche Fehler“ geht, also Korruption, Vorteilsannahme usw., bin ich absolut für sofortige Rücktrittsforderungen und Krisensitzungen. Wenn es hingegen um schlichte massive Fehleinschätzungen geht sollte man doch bitte mal auf dem Boden bleiben.

Sollte man als Minister nach einer Jahrhundertflut den lange gebuchten Urlaub antreten? Besser nicht. Aber sollte man dafür zurücktreten müssen? Meines Erachtens auch nicht.

Die Gesellschaft verliert meines Erachtens massiv die Maßstäbe, an denen Politiker gemessen werden. CDU-Politiker, die klare Korruption betreiben (Maskenaffäre, Aserbaidschan-Affäre, Schwarzgeld-Affäre) werden hinterher noch Ehrenvorsitzende, aber wenn eine Außenministerin privat ein dummes, unprofessionelles und unüberlegtes Video veröffentlicht, dann muss sie zurücktreten…

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Sie hat sich ja auch mittlerweile entschuldigt. :laughing:

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Im Allgemeinen stimme ich dir zu. In diesem speziellen Fall kann ich aber nicht folgen.

Dieses Video von Frau Lambrecht ist nur erklärbar, wenn man annimmt, dass die Verteidigungsminsterin gedanklich unendlich weit von den Aufgaben ihres Amtes entfernt ist. Es ist ja nicht nur „Krieg in Europa“ im Sinne des Goethe-Zitats „… wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinander schlagen.“. Nein, es ist ein Krieg, der uns verdammt viel angeht. Eine Eskalation bis hin zum Weltenbrand ist im Bereich des Möglichen. Aber auch unterhalb des Weltuntergangs gibt es in diesem Konflikt viel zu verlieren bzw. zu gewinnen.

Wie ist dann dieses Video zu erklären? Könnte man sich vorstellen, dass am Ende des Jahres 2008 ein Peer Steinbrück (seinerzeit Finanzminister, der zusammen mit Merkel das Geld der Bürger bei den Banken für „sicher“ erklärt hatte) mit einem Video daherkommt a la „Boah, was ein Jahr! Börsen, Banken, Wirtschaft - alles ging den Bach runter. Aber interessante Menschen habe ich kennengelernt - von Herzen Danke dafür.“? Nein, das kann ich mir zumindest nicht vorstellen. Denn Steinbrück saß in unzähligen Krisensitzungen, diskutierte die Lage mit seinen Ministerkollegen, Beratern, „Wirtschaftskapitänen“, etc. pp. Kurzum: es war unmöglich, dass er das Jahr 2008 durchlebt, ohne sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst zu sein.

Wie ist es dann zu erklären, dass Frau Lambrecht so ein Video veröffentlicht? Ich kann mir das nur so vorstellen, dass sie diesen lästigen Krieg an irgendein Fachreferat und den verantwortlichen Staatssekretär wegdelegiert hat und ihr Ministerium derweil so freundlich-desinteressiert weiterführt wie das z. B. Frau Klöckner vorgeführt hat. Letztere hatte jedoch das Glück, dass während ihrer Amtszeit Europa nicht die größte Nahrungsmittelknappheit seit 1945 durchlebt hat. Frau Lambrecht dagegen führt als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt die Streitkräfte des größten EU-Mitglieds und der weltweit viertgrößten Volkwirtschaft an, während in Europa der größte Krieg seit 1945 tobt.

Weg mit ihr! Und hinfort mit dieser elenden Schlafwandlerei in der aktuellen Krise. Die Lage ist ernst. Es wäre dringend geboten, dass die Bundesregierung ein entsprechendes Verhalten an den Tag legt.

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Naja, ich wage zu bezweifeln, dass Frau Lambrecht hier die maßgebliche Bremserin ist.
Das Nein zu Kampfpanzerlieferungen kommt schließlich aus den Chef-Etagen der SPD, da steht leider die gesamte SPD-Führungsriege hinter. Also hinter der Position, dass Deutschland keine „Alleingänge“ machen sollte (anders gesagt: dass Deutschland keine Führungsrolle übernimmt…).

Ich stimme dir daher zu, dass ich mir auch einen Wandel der Ukraine-Politik zu mehr Mut wünschen würde. Wenn wir der Ukraine jetzt keine Kampfpanzer liefern, um für die Frühjahresoffensive der Russen gewappnet zu sein, wird das viele unschuldigen Ukrainern das Leben kosten - denn die Russen werden mit modernen Kampfpanzern kommen… aber der Wechsel der Verteidigungsministerin wird rein gar nichts ändern, so lange die SPD-Führung weiterhin untätig bleiben will.

Mir geht es gar nicht um eine bestimmte Maßnahme, die ich mir erhoffe. Ich bin aber baff erstaunt, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass jemand in führender Position (und das ist Frau Lambrecht qua Amt nunmal - ihr unterstehen auch die „Atombomber“ aus Büchel) die aktuelle Lage scheinbar nicht ernst nimmt. Oder ihr nicht bewusst ist, dass ihr eine wichtige Rolle zukommt.

Wenn diese Krise schief geht, können viele Millionen Menschen sterben. Und die Amtsträger in Deutschland sind mit verantwortlich, für ein ein gutes Ende zu sorgen. Wir sind nicht das Fürstentum Luxembourg, wo alle nur zuschauen könne, was „die Großen“ machen.

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Das Problem bei Frau Lambrecht sehe ich nicht in einer einzelnen Aussage oder einem einzelnen Video sondern in der Summe dessen, was sie sich leistet und dem inzwischen doch recht offensichtlichen Bild, was dadurch gezeichnet wird.

Als „Newcomnerin“ im Verteidigungsministerium setzt sie erstmal große Teile der Belegschaft und damit Erfahrungsträger vor die Tür. In manchen Fällen kann sowas Sinn machen, aber es wird dann sehr schnell deutlich, dass das eher eine Machtdemonstration ist, wie wenig sie im Thema ist und wie wenig Interesse sie hat, sich mit der Materie auseinander zu setzen. Da wären ihre Frage, ob sie sich denn jetzt wirklich die Dienstgrade ihres Gegenübers merken müsse. Ihr Auftritt in Mali mit hohen Absätzen. Der Heli Flug mit dem Selfi ihres Sohnes. Alles Dinge, die Respekt gegenüber dem Amt und den Soldaten, die sie vertritt, vermissen lassen. Die Präsentation der 5000 Helme. Die teils widersprüchlichen Begründungen, warum Deutschland dies und das nicht liefern kann. Die Neujahrsansprache. Gerade in so einer Krise wäre es von entscheidender Bedeutung gewesen, gute Kommunikation nach innen (eigenes Land, eigenes Ministerium) und außen (Ukraine, NATO-Verbündete) vorzunehmen.

Ihre inhaltlichen Verfehlungen will ich mir gar nicht anmaßen zu bewerten, aber ihre Innen- und Außendarstellung war einfach unterirdisch. Ich bin sicher, Frau Lambrecht ist eine gute Politikerin. Aber keine gute Verteidigungsministerin. Und wie hier schon erwähnt, wäre es jetzt extrem wichtig, die beste Person auf diesen Posten zu setzen, die wir zu bieten haben. Ich hätte volles Verständnis dafür, wenn sie sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlt, aber wenig Verständnis dafür, dass man das Problem aus parteitaktischen (?) Gründen aussitzt.

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Frau Faeser wird - vermutlich mit Recht - das Gegenteil vorgeworfen, also dass sie weiterhin die CDU-geprägten Köpfe im Innenministerium belassen hat, die jetzt scheinbar einen sehr negativen Einfluss auf sie ausüben. Die hat sich leider von der Hoffnungsträgerin in’s komplette Gegenteil verkehrt. Quasi wie Schily vor ihr, vom 68er-RAF-Anwalt zum Innenpolitik-Hardliner.

Hier zeigt sich wieder, dass es einfach ausgesprochen schwierig ist, es „richtig“ zu machen. Wirft man die konservativen Köpfe der Vorgängerregierungen raus, kommt der Vorwurf, dass man Kompetenz aus politischen Gründen rauswerfen würde, lässt man sie drin, kommt der Vorwurf, dass eine effektive Politikänderung, wie sie der Wähler mit der Wahl der neuen Regierung klar gefordert hat, nicht umsetzt wird. Und dass die unter CDU-Führung im Verteidigungs- wie Innenministerium installierten Köpfe problematisch sein dürfte, ist glaube ich unbestritten.

Dem würde ich zustimmen. Das misslungene Silvester-Video alleine hätte vielleicht nicht die massive Kritik hervorgerufen, wenn ihr Stuhl nicht wegen anderen Problemen in der Außendarstellung bereits am Wanken wäre.

Also ich will die Lambrecht als Verteidigungsministerin auch nicht verteidigen - hier gilt das gleiche wie bei Anne Spiegel, das Krisenmanagement und die Außendarstellung sind definitiv eine Katastrophe, aber die Frage ist, ob das die Kernkompetenzen einer Ministerin sein sollte. Von einer professionellen Partei wie der SPD erwarte ich eher, dass man seinen Ministern die entsprechenden PR-Berater zur Seite stellt… die Minister selbst sollten in der Sachpolitik überzeugen, die Außendarstellung sollten eh Experten dafür machen.

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Es gehört auch zum Minster-Dasein, dass man auch eine (internationale) Außenwirkung hat. Sowohl in Bildform als auch mit der Wortwahl. Als Verteidigungsministerin in diesen Zeiten umso mehr. Beides könnte nicht katastrophaler sein. Alleine diese Aussage aus dem Video: „Mitten in Europa tobt ein Krieg & damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen. Dafür sage ich herzliches Dankeschön!

Und es ist nicht ihr erster Fauxpas, sondern nur ein weiterer, der an ihrer Eignung zweifeln lässt und eventuell der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Hier noch andere Beispiele:

  • 5000 Helme an die Ukraine
  • Helikopter-Flug mit ihrem Sohn
  • Die fehlende Munition, die am „Geld“ lag
    Das alles passiert im Hintergrund des Angriffkriegs von Russland und der Zeitwende. Da darf man sich schon fragen, ob sie für den Job geeignet ist, auch weil der Amtsantritt auch holprig war.

Meine These ist, dass gerade nach einer Alternative gesucht wird. Ich denke, dass sie für Scholz nicht mehr haltbar ist.

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Vielleicht auch ein gedanklich-strukturelles Problem. War es nicht Scharping, der parallel zum Kosovo-Krieg Fotos von sich im Pool in der Boulevard-Zeitung platzierte? Damals führte auch so eine Instinktlosigkeit zum Rücktritt. Wobei das damals in vielerlei Dingen andere Zeiten waren, siehe Einkaufschip oder missglückter Polizeizugriff.

Egal wie schlecht eine Ministerin in der Außendarstellung ist: es ist meines Erachtens unmöglich ein Video wie das von Frau Lambrecht aufzunehmen, wenn sie das Jahr über auch nur ansatzweise ihren Job so asugeübt hätte, wie man das angesichts der Lage erwarten kann.

Ihr würde dann nämlich was anderes einfallen, als „besondere Eindrücke, interessante Menschen“.

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Dazu habe ich mal ein eigenes Thema eröffnet, weil ich das Gefühl habe, dass dieses Thema medial sehr einseitig berichtet wird.

Ansonsten stimme ich zu, dass die Kritik am Neujahrsvideo vielleicht deshalb so - m.E. unverhältnismäßig - massiv ist, weil dieses Video der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Daher: Hier hat sich eine Menge vorher angestaute Unzufriedenheit mit der Ministerin entladen.

Wenn Nancy Faeser als Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl in Hessen antritt, könnte das Innenministerium - mit dem Christine Lambrecht angeblich schon länger liebäugelt - als „gesichtswahrender“ Ausweg in Frage kommen und die SPD davor bewahren, gleich zwei neue Ministerinnenposten besetzen zu müssen. Lambrecht hat dies zwar bereits dementiert und wäre ja auch keine unbeschädigte Kandidatin, aber möglicherweise ändert die erneuerte Kritik etwas an der Wahrscheinlichkeit eines Ministeriumswechsels.

Wird hier nicht etwas übertrieben?

Klar, Frau Lambrecht ist definitiv eine Meisterin der Fettnäpfchen. Andererseits ist sie bereits so unbeliebt, dass sie wahrscheinlich auch ein Kind küssen könnte und jemand würde ihr unterstellen potenziell COVID 19 zu verbreiten.

Das Video war ungelenk, aber die Intention war klar.

Den Ukrainekrieg und weitere Krisen herausstellen,
Anregen selbst im Schlimmsten das Positive zu sehen.

Im Übrigen sollte man auch realistisch mit der Macht eines Politikers umgehen. Es ist bekannt, dass die Bundeswehr wegen ihres desolaten Zustands schwere Bauchschmerzen damit hat überhaupt Material abzugeben. Was gäbe es nur für einen Aufschrei unter den Soldaten wenn sie die hohen Militärs vor den Kopf stieße und einfach bestimmt, welche Waffen abzugeben seien.

Und dass das Wehrbeschaffungsamt wegen Überregulierung und Verantwortungsunfreude (wie auch viele andere Bereiche des öffentlichen Dienstes) große Probleme hat signifikante Beschaffungen in kurzer Frist zu organisieren, dürfte niemanden überraschen. Zu erwarten, dass so etwas einfach gelöst wird, nachdem sich dieses Monster über Jahre entwickelt hat, ist etwas viel verlangt.

Daran versagen ja auch andere Minister, wie Habeck (Windkraft-Ausbau) oder Geywitz (Wohnungsbau), ohne dass deren Rücktritt gefordert wird.

Update: der Beitrag ist natürlich nicht als Antwort auf @Daniel_K gemeint sondern eher in Richtung von @Guenter oder @MarkusS

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Sagen wir mal so: Frau Lambrecht hat sicher andere Ministerien im Kopf gehabt bei der Regierungsbildung und nicht um das Verteidigungsministerium gebettelt.

Auch wenn Politiker ja in unserer Vorstellung alles können und mit Begeisterung machen, würde ich da ein Quentchen Menschlichkeit nicht außer Acht lassen.
So einen Verein wie die Bundewehr muss man auch erstmal verstehen lernen, wie ich aus eigener langjähriger Erfahrung weiß.

Naja, das ist ein generelles Problem des Verteidigungsministeriums. Es ist eigentlich nie der Wunschkandidat, die Verteidigungsminister waren die letzten Jahrzehnte immer Wackelkandidaten. Scharping, Guttenberg, Von der Layen, Strauß… gibt es eigentlich irgend ein Ministerium, deren Minister so regelmäßig zurückgetreten sind? Auch wechseln die Verteidigungsminister gerne in andere Ministerien, weil diese offensichtlich als höherwertiger erachtet werden (z.B. de Maizière in’s Innenministerium, Jung in’s Arbeitsministerium).

Ich glaube einfach, niemand will diesen Job wirklich machen - bei der Ministerien-Schacherei in den Koalitionsverhandlungen ist das Verteidigungsministerium quasi die Niete. Das liegt eben auch daran, dass dieses Ministerium durch die militärische Prägung strukturell so anders ist als die typischen zivilen Ministerien.

Die ständige Besetzung des Verteidigungsminister-Postens mit Menschen, die keine tiefergreifende militärische Erfahrung haben, wird daher auch gerne als Abwertung dieses Ministeriums gedeutet. Ein Reserveoffizier wie Wörner ist quasi schon die Spitze an Kompetenz, teilweise werden auch Männer, die nicht mal den Wehrdienst abgeleistet haben, zum Verteidigungsminister gemacht (Rühe, Stoltenberg, Struck, Rupert Scholz und noch andere…).

Natürlich wäre auch das andere Extrem problematisch, wenn Verteidigungsminister immer aus den Reihen der Ex-Generäle kämen und immer einen Hintergrund mindestens als Stabsoffizier hätten (wie in den USA relativ üblich). Aber jemanden als Verteidigungsminister zu haben, der zumindest mal Offizier war und weiß, wie der Dienst des Soldaten tatsächlich aussieht, wäre schon ein Gewinn.

In diesem Sinne sehe ich hier auch vor allem strukturelle Probleme, die durch massive Fettnäpfe wie das Silvester-Video von Frau Lambrecht noch verstärkt werden.

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Bin ich dabei. Jemand, der zumindest als Truppenoffizier etwas tiefere Einblicke in die Strukturen und Denkweisen der Bundeswehr und Soldaten hat, hat es da sicher einfacher, auch was die Akzeptanz innerhalb der Truppe angeht.
Bissl Sachkompetenz schadet nie, und nur anlesen ist machmal schwierig.