@kaigallup ich glaube hier liegt ein großes Missverständnis vor:
Das Management und insbesondere die Unternehmensführung ist nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Mitarbeitern rechenschaftspflichtig, sondern den Anteilseignern oder Investoren.
Beispiel: Die deutsche Wohnen ist also unter anderem dem Norwegischen Pensionsfonds (immerhin 6,93 prozentiger Aktienanteilseigner) rechenschaftspflichtig und soll für diesen eine hohe Dividende abwerfen. Durch die steigenden Berliner Mieten (oder gar durch eine frühere Abzinsung dieser) geht es also den Norwegischen Pensionären gut!
Es ginge den Menschen definitiv schlechter ohne diese Unternehmen im Land. Ein Land welches nur gemeinwohlinteressierte Unternehmen (vermutlich in Staatshand?) innehat kann kein wohlhabendes Land sein oder bleiben.
Ich konnte mir jetzt über die letzten Tage sozusagen in Zeitlupe zusehen, wie mir der Kragen platzt.
Anfänglich habe ich noch gedacht, ich muss mich ja nicht damit befassen, wenn ein Egoist darüber jammert, wenn ihm etwas abverlangt wird, was der Gesellschaft nützt. Daher habe ich bisher keinen Beitrag zur Diskussion geleistet. Und ich bin auch eigentlich weiterhin nicht gewillt, mich hier einzubringen. Ich vermute, ich werde etwas grobere Worte verwenden als einer sachlichen Diskussion dienlich sind, aber das ist schon ok, denn ich glaube, eine sachliche Diskussion in dem Sinn, dass ich den Threadersteller von irgendwas zu überzeugen versuchen werde, wird das mangels Aussicht auf Erfolg sowieso nicht.
Zwischendurch gab es ja immer mal wieder vernünftige Beiträge auch von @lib. Kein Wunder, denn es wird ja mit quasi mathematisch bestimmbaren wirtschaftlichen Ergebnissen argumentiert. Ich stelle auch gar nicht in Abrede, dass es einem Unternehmen darum gehen muss, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Aber das hier
kann ich einfach nicht so stehen lassen!
Jeder Mensch ist der Allgemeinheit rechenschaftspflichtig, verdammt noch mal!
Und ein Manager erst recht, insbesondere hat er eine Fürsorgepflicht seinen Mitarbeitern gegenüber. Das Unternehmen sind doch die Mitarbeiter! Die Anteilseigner und Investoren sind diejenigen, die am allerwenigsten leisten. Die geben ihr Geld, aber nur leihweise, weil sie erwarten, dass sie es am Ende wieder, am besten erheblich vermehrt, zurückbekommen. Natürlich muss man denen nachweisen, dass sie ihr Geld nicht falsch angelegt haben, weil sie es sonst wieder zurücknehmen. Insofern ist es natürlich im Eigeninteresse des Unternehmens, den Investoren zu zeigen, dass ihr Kapital richtig liegt.
Aber diejenigen, um die es eigentlich geht, sind die Mitarbeiter. Für die und für die Kunden existiert das Unternehmen. Denen muss es also gut gehen. Und ich hoffe, dass das viele der Geldgeber auch so sehen.
Aber bevor ich zu weit in meine Unternehmensphilosophie abgleite, will ich darauf hinweisen, dass diese zynische und kurzsichtig egoistische Einstellung auch für einen wirtschaftlich denkenden Unternehmer schlecht ist. Was nützt es denn dem Unternehmen/den Investoren, wenn die 15 Minuten täglich eingespart worden ist, wenn dadurch einen Monat später die Firma dicht gemacht werden muss, weil alle in Quarantäne geschickt werden? Oder wenn der Wirtschaftszweig zusammenbricht, weil sich alle Branchen-Teilnehmer geweigert haben, Tests durchzuführen, und dadurch doch wieder eines dieser jämmerlichen Lockdownimitate verhängt worden ist?
Oder was nützt es dem Unternehmen, wenn seine wertvollsten Mitarbeiter abspringen, weil sie sehen, dass der Chef nur auf kurzfristige Gewinne schaut und nicht auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter?
Naja, wie gesagt: Ich musste meinen Ärger loswerden. Ich weiß, dass @lib nicht ganz so zynisch denkt, wie ich es hier impliziert habe. Das kommt ja aus ein paar seiner Antworten hier heraus. Aber diese Aussage zur Rechenschaftspflicht finde ich doch sehr abwegig.
Zum Schluss noch ein positives Zitat:
Jawohl! Aber umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn es den Menschen gut geht, geht es auch den Unternehme(r)n gut.
(Ok, ähnlich plakativ und auch angreifbar, aber deutlich besser zu vertreten als der Standpunkt, in dem Mitarbeiter nur als Ressourcen gesehen werden.)
Edit: Um nicht missverstanden zu werden, da ich von „meiner Unternehmensphilosophie“ spreche. Ich bin kein Unternehmer - man mag mich also einen unrealistischen Träumer nennen. Aber ich hatte durchaus auch Gelegenheit, meine Prinzipien in der Praxis zum Zug kommen zu lassen, insbesondere bei der Mitarbeiterführung, und ich glaube, das war jeweils nicht zum Nachteil des Unternehmens.
Zumindest ist jeder Unternehmenseigentümer und damit jeder Investor in Deutschland verpflichtet, sein Eigentum auch der Allgemeinheit dienlich zu nutzen:
Artikel 14 Grundgesetz (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Ein Unternehmen ist kein Selbstzweck und erst recht keine Beschäftigungsmaßnahme. Wenn ein Unternehmen ohne Mitarbeiter oder mit weniger Mitarbeitern mehr Gewinne erzielt, dann werden Mitarbeiter eben entlassen. Ich beurteile das ganze nur unter betriebswirtschaftlichen aber auch unter kurz- mittel- und langfristigen Gesichtspunkten.
Dass Deutschland noch in der Pandemie steckt ist NICHT Schuld der Unternehmen - das wollte ich mit diesem Thread klarmachen. Die Politik hat nicht früh oder teuer genug Impfdosen bestellt - aus welchen gründen auch immer. Ich würde behaupten die deutsche/europäische Politik war nicht egoistisch genug (wie zB kapitalistisch denkendere Staaten wie UK/USA).
Die „faire“ Haltung der EU hat ja auch nicht dazu geführt, dass der arme Teil der Welt wesentlich schneller an Impfdosen gekommen wäre - sondern hat nur den reichen/schnellbestellenden Staaten geholfen.
Wenn die EU mehr, schneller und aggressiver eingekauft hätte, mehr Impfdosen zur Verfügung gehabt hätte und DANACH diese an die dritte Welt verschenkt hätte, dann hätte man wirklich dem Kapitalismus die lange Nase gezeigt. So ist man mit seiner sozialistischen Einkaufspolitik der globale Trottel.
Nochmal: Die Unternehmen können hierfür nichts, denn sie durften ja keine eigenen Impfstoffe bestellen.
Insbesondere den Exportorientierten Unternehmen kann es herzlich egal sein, wie gut es den Menschen im Land geht.
Auch dass kann man mir im speziellen nicht vorwerfen - ich habe die Mitarbeiter ja extra aus einem Land mit geringem Impfangebot (Deutschland) auf eine Insel mit mehr Impfangebot ausgeflogen.
Diese Maßnahme hat die wertvollsten Mitarbeiter eher noch an das Unternehmen gebunden - denn eine solche Wertschätzung der Arbeitskraft ist übrigens auch gewinnsteigernd. Die Mitarbeiter sind geimpft und sorglos - so wie es sein sollte.
Die Unternehmen, denen diese zugegeben extravagante und kostenintensive Möglichkeit nicht gegeben ist, sollten (und tuen dies ja auch) nach allen Möglichkeiten versuchen die Kosten der aufgrund von Politikentscheidungen noch vorherrschenden Pandemie auf diese zurück zu übertragen.
Das BVerfG sagt dazu, dass nicht jedes Eigentum einer solchen Bindung unterliegt, sondern nur solche, die soziale Relevanz haben. Zudem muss eine solche Verpflichtung immer als Gesetz daherkommen, außerhalb der gesetzlichen Verpflichtungen gibt es keine darüberhinausgehenden Verpflichtungen für die Eigentümer.
Diese Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts teile ich.
Selbst wenn man von einer weiteren Verpflichtungen
Mir ist zudem nicht ganz klar wie das ganze bei interstaatlichen Verflechtungen aussähe - ist also zB der norwegische Staatsfonds an das Grundgesetz gebunden, weil er in Deutschland (Sozial)Wohnungen besitzt? Oder ist ein deutscher Investor daran gebunden, wenn er US-Amerikanische Unternehmensanteile besitzt, welche in Deutschland wiederum Wälder abholzt um eine Autofabrik zu bauen?
Danke für die ausführliche Antwort. Ich werde nicht näher darauf eingehen, weil ich das Gefühl hätte, mich zu wiederholen.
Daher nur soviel:
Mein Standpunkt ist weniger ein juristischer als ein, sagen wir, ethischer. Als solcher natürlich diskutierbar.
Suchen wir die Schuldigen an unserer Situation, oder suchen wir den schnellsten Weg raus?
Wenn wir sagen, die Politik ist schuld, also soll sie es lösen, dann wird’s erstens teurer und zweitens zahlen wir es am Ende sowieso selber, inklusive der Unternehmen.
Das wurde wirklich höchste Zeit. Bisher sind die Unternehmen nahezu ohne Einschränkungen durchgekommen, alles war freiwillig. Parallel mussten andere Bereiche komplett schließen (Gastro, Kultur, Schulen). Und im privaten wurde auch alles verschärft was zu verschärfen war. Endlich nähern wir uns einer solidarischen Pandemiebekämpfung an.
Ich bin allen Lesern dieses Threads dankbar. Ich wollte einmal darstellen, wie einige Unternehmer auf die Situation blicken und wo die Konsequenzen liegen. Aus den Antworten dieses zurecht aussterbenden Threads nehme ich einige für mich wichtige Lektionen mit:
[…]
2. Viele politische Entscheidungen werden philosophisch/ ethisch betrachtet. Damit habe ich in dieser Konsequenz nicht gerechnet, bin aber positiv hiervon überrascht. Statt der „wir sollten X verbessern“ wird direkt an die Wurzel gegangen und versucht grundsätzlich neue Systeme zu installieren. Diesen „Evolutionären“ empfehle ich das Buch „Theory of Bureaucracy“- nicht aus Überzeugungswillen sondern als Verständnisbuch, warum es Menschen (wie mich) gibt, die nicht an einen Systemwechsel glauben.
3. Systemkritik bei wirtschaftlichen Fragen wird schnell emotional respondiert - emotionaler als ich es erwartet habe. Dies liegt nach meinem Verständnis daran, dass der aktuelle Zustand weder das eine noch das andere ist. 70% Staatsquote - die Kapitalisten nennen es Sozialismus; die Sozialisten Neoliberalismus.
4. Der deutsche Staat versucht offenbar viel. Das wird derart positiv oder negativ gefeiert, dass ein internationaler vergleich immer aufgrund von irgendwelchen Argumenten schlechtgeredet wird. Für mich bleibt eigentlich nur eine Kerngeschichte: Deutschland versucht bei vielen die Spitze zu sein. Wenn Deutschland nicht die Nr.1 ist, wird aber lieber nach Ausreden gesucht, als nach positiven und zu übernehmenden Aspekten. Man kann lernen - ohne sich selbst kleinzuschreiben. Nicht mithilfe einer Fehlerkultur, sondern durch langfristig hermeneutisches Denken.
5. Die Hoffnungen auf die internationale positive Entwicklung Deutschlands und der EU ist (noch) groß. Als Unternehmer und sein vermögen verteidigender sehe ich vielleicht schon viele Anzeichen risikoaverser als der Durchschnittsdeutsche/Europäer. Ich werde den Abstieg der EU und USA dennoch mit Faszination in diesem Forum begleiten.
6. Dieser Thread lebt gut auch ohne jede Intervention on Threadersteller oder Moderation - und es entspannten sich interessante Richtungen. Danke allen für die Beteiligung!
Als ob irgendeine Firma ausgerechnet wegen 5€ Kosten pro Person pro Woche jetzt anfängt, Tätigkeiten zu verlagern. Das geht in den sonstigen, mit einem Arbeitsplatz im Zusammenhang stehenden Kosten komplett unter und triggert nicht einmal die Wahrnehmbarkeitsschwelle des Managements.
Aber warten wir’s doch einfach ab. Ich persönlich tue das, was ich immer tue, wenn Wirtschaftsvertreter mit „…dann verlagern wir einfach die Arbeitsplätze“ drohen: ich calle den Bluff. Es ist nämlich nahezu immer ein Bluff.
Darauf zielte ich ja ab, das sollte ein Witz sein. Der Aufhänger dieses Threads war ja ursprünglich mal, dass hochrationale Manager bei einer (zugegebenermaßen täglichen) Testpflicht ins Ausland abwandern würden.
Das glaube ich auch nicht, dass die 5 EURO oder 10 EURO pro Woche einen großen Unterschied machen wirdwerden. Zumal die Kosten ja nur temporär sind, wird das vermutlich nur in den seltensten Fällen eine Standortverlagerung nach sich ziehen.
Vielleicht wäre es aber besser, vor dem Arbeitsbeginn ein negatives Testergebnis vom Mitarbeiter zu bekommen. Und diese Kosten trägt natürlich das Unternehmen. Dann fahren weniger Infizierte im ÖNVP herum. Denn was passiert, wenn einer im Unternehmen ein positive Testergebnis erhält. Das gibt pures Chaos!
Aufgrund von Supply Chains, Wertschöpfungsketten und integrierten Prozessen würde ich vor einem globalen Lockdown von Unternehmen warnen. Sobald die Versorgung gefühlt nicht mehr sichergestellt ist, geht das Hamstern und das gegenseitige unsolidarische Verhalten richtig los. Letztes Jahr haben wir das mit dem Klopapier alle schon einmal miterleben können.
Allenfalls in Produktions- und Lieferketten bei langlebigen Investitionsgütern wie PKW, LKW etc. könnten man das ohne große Kumul- und Multiplikatoreffekte durchführen. Die machen ja auch häufiger Werksferien und die haben aktuell einen MicroChip Engpass.