Kritik an Folge 265 - Corona allgemein und 2G

Lieber Philip, lieber Ulf,

seit einigen Jahren bin ich unregelmäßiger Lage-Hörer und schätze euren engagierten, qualitativ hochwertigen Journalismus. Umso schockierter bin ich über das, was ich in der aktuellen Folge 265 gehört habe. Die illiberale Haltung, die ihr zum in der ersten Hälfte der Folge behandelten Corona-Thema einnehmt, macht mich fassungslos; insbesondere in Anbetracht von Ulfs Engagement für die GFF.

Ich selbst war beruflich bedingt in Priorisierungsgruppe 3 und habe bereits Anfang Mai meine Erstimpfung erhalten, Mitte Juni die zweite. Ich habe mich für die Impfung entschieden, weil ich nach der Abwägung zweierlei Risiken für mich persönlich entschieden habe, dass eine Covid-Infektion mit schwerem Verlauf um einiges wahrscheinlicher ist als die eventuell denkbaren, heute noch unbekannten langfristigen gesundheitlichen Schädigungen durch den Impfstoff. (beides natürlich auf sehr niedrigem Niveau) Der Schutz meiner stillenden (und daher bis vor kurzem ungeimpfen) Frau und unserer Tochter spielte auch eine Rolle, nicht jedoch meine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft oder für den Verlauf der Pandemie.
Ich lehne es entschieden ab, den Impfstatus zur moralischen Frage aufzublasen und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung hineinzuinterpretieren. Und ich käme nicht im Traum auf die Idee, anderen Menschen deshalb Vorwürfe oder auch nur ein schlechtes Gewissen zu machen oder sie zur Impfung zu drängen. Genau dies scheint jedoch bei euch immer wieder durch. Wir leben in einer individualistischen Gesellschaft, in der die Rechte und das Wohl des Einzelnen grundsätzlich höher zu bewerten sind als das Wohl des Kollektivs.

Nun zu den Stellen in der Folge, an denen sich meine Kritik entzündet.

Minute 15:10
„Wer einen Kinderwunsch hat, muss sich auf jeden Fall impfen lassen“

MUSS sich, soso. Wirklich so gemeint, oder ein Versprecher (…sollte sich…)?

16:20: „das große Restrisiko falsch negativer Tests gilt weiterhin“ und „3G ist ein enormes Risiko“

Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich nehme es so wahr, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass wir ungetesteten Geimpften das höhere Risiko darstellen als die getesteten Ungeimpften. Es wäre schön, wenn ihr genau hierzu noch einmal einen Faktencheck durchführen könntet.

Bei zwei Gelegenheiten war ich schockiert über eure juristischen Maßstäbe:

Bei 22:35 fordert ihr, dass es analog dem Schwarzfahren als Straftat verfolgt werden sollte, wenn Ungeimpfte öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Bei 27:25 fordert ihr, Ungeimpftes Pflegepersonal nach tödlichen Corona-Ausbrüchen in Altenheimen wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen.

Menschen als Straftäter zu verfolgen, weil sie als ungeimpfte U-Bahn fahren? Ernsthaft?
Und wenn ich als Risikopatient im Pflegeheim sitze, dann lasse ich mich impfen und bin geschützt. Nach neueren Erkenntnissen dann eben durch regelmäßige Boosterung. Keinesfalls habe ich einen Anspruch darauf, dass direkt oder indirekt in die freie Entscheidungsfreiheit des Pflegepersonals eingegriffen wird. Diesen Menschen, deren Arbeit miserabel bezahlt und nicht wertgeschätzt wird, wollen wir jetzt auch noch die freie Entscheidung darüber verwehren, sich impfen zu lassen, oder eben nicht? Und sie vor Gericht stellen, wenn sie sich gegen die Impfung entscheiden? Das kann doch nicht euer Ernst sein!

Bei 28:35 unterstellt ihr allen erwachenen Ungeimpften, zu Verschwörungstheoretikern zu gehören: „…weil Bill Gates…“

Sicher, viele, die sich gegen die Impfung entschieden haben, sind „Schwurbler“ und Verschwörungstheoretiker, aber bei weitem nicht alle und meiner Einschätzung auch nicht die Mehrheit unter den Ungeimpften. Ist es denn wirklich so schwer vorstellbar, dass es eine große Zahl von Menschen gibt, die sich in der oben genannten Abwägung der Risiken für die andere Option entschieden haben? So zumindest erlebe ich es im privaten Umfeld.
Ganz nebenbei wird immer deutlicher, dass manche Argumente, die typischerweise von Impfskeptikern vorgebracht werden, garnicht so falsch sind, wie wir Geimpften das bisher dachten: Die Wirksamkeit der Impfstoffe lässt erschrecked schnell nach (auch für mich sehr frustrierend) und die Rolle der Geimpften als Virusträger und vor allem -überträger wurde lange unterschätzt. Vor diesem Hintergrund diese Menschen pauschal anzugreifen und in die Ecke der „Schwurbler“ zu stellen, halte ich für sehr gewagt.

Viele Grüße

Andreas Mayer

Die meisten Punkte sind hier schon vor und zurück diskutiert worden, bitte schaut mal in die anderen Gesprächsfäden. Ich schließe diesen Thread hier, weil ich einfach keine Energie habe, alle Argumente nochmals aufzuschreiben. Nur ein Beispiel, wo du einen Punkt wiederholst, der hier schon mehrfach widerlegt wurde:

Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich nehme es so wahr, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass wir ungetesteten Geimpften das höhere Risiko darstellen als die getesteten Ungeimpften. Es wäre schön, wenn ihr genau hierzu noch einmal einen Faktencheck durchführen könntet.

Natürlich ist es immer besser, wenn sich auch geimpfte Menschen testen lassen, weil nie auszuschließen ist, dass sie asymptomatisch krank sind. Das ändert aber nichts daran, dass ungeimpfte Personen das größere Risiko darstellen (höhere Viruslast, höhere Wahrscheinlichkeit einer Infektion). Du darfst ja jetzt nicht nur auf einen konkreten Kneipenbesuch mit 3G abstellen, sondern musst sehen, dass die ungeimpften Menschen den ganzen Tag durch die Gegend laufen und dabei andere Menschen infizieren können.

Neu ist nur der Punkt GFF: Selbstverständlich engagieren wir uns für den Schutz von Freiheitsrechten, deswegen haben wir beispielsweise gegen die sinnlosen Ausgangssperren geklagt, aber wir engagieren uns nicht für den Schutz von rücksichtslosem Egoismus. Ernsthaft mit Freiheit zu argumentieren, während man ohne rationalen Grund sich und vor allem seine Mitmenschen einem potentiell tödlichen Risiko aussetzt, das ist schon eine besondere Form von Zynismus. Freie Fahrt für freie Bürger, mit 100 durch die Stadt brettern - auf diesem Niveau arbeiten wir nicht.

An Andreas möchte ich noch die Bitte richten, in Zukunft fair zu zitieren - die meisten Dinge, die du kritisierst haben wir so nicht gesagt. Insofern ist das hier auch eine Strohmann-Diskussion.

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