Krankenhauszuzahlung für Ungeimpfte

Es gibt in der 4. Coronawelle eine verstärkte öffentliche Wahrnehmung, dass die Inanspruchnahme von Freiheitsrechten durch eine Minderheit mehr und mehr in Schieflage geraten gegenüber legitimen Ansprüchen der Bevölkerungsmehrheit.
Es gibt aber schon heute im Gesundheitssystem Bereiche, in denen die Erwartungen der Solidargemeinschaft an das Verhalten Einzelner durch monetäre Anreize kanalisiert werden. Hierzu zwei Beispiele:
Krankenkassen zahlen die medizinisch notwendigen Kosten für eine kieferorthopädischen Behandlung. Diese Maßnahmen ziehen sich oft über Jahre und sind teuer. Deshalb kommt es immer wieder zu Durststrecken. Um solche Motivationskrisen zu überwinden, müssen die Eltern über die gesamte Behandlungsdauer 20% der Kosten selbst zahlen. Diese Beträge werden nach Abschluss der Behandlung erstattet, wenn die Behandlung ordnungsgemäß abgeschlossen, der Behandlungserfolg also durch die Mitwirkung von Kindern und Eltern gesichert werden konnte.
Ein ähnlicher Anreiz zur Erhörung des Kassenanteils gibt es bei der Versorgung mit Zahnersatz. Der Kassenzuschuss erhöht sich, wenn eine regelmäßige zahnärztliche Behandlung nachgewiesen werden kann. Wer nicht zum Zahnarzt geht, bekommt im Falle von prothetischen Versorgungen weniger von der Kasse erstattet.
Wer eine Coronaimpfung ohne medizinischen Gründe verweigert und wegen Corona stationär behandelt werden muss, sollte sich daher an den Krankenhauskosten beteiligen. Die Krankenhausbehandlungen wegen Corona für Ungeimpfte sind teuer und in den meisten Fällen unnötig. Insofern ist der wirtschaftliche Schaden für die Allgemeinheit hoch.
Der wirtschaftliche Anreiz muss daher ebenfalls hoch sein. Dabei habe ich an einen Geldbetrag zwischen 500 und 5.000 € pro Krankenhausaufenthalt gedacht. Die Ausgestaltung der Kostenbeteiligung könnte etwa an den Beatmungstagen festgemacht werden, die heute schon an die Krankenkassen digital gemeldet werden.
Mit der Entlassung sollte das Krankenhaus den Hinweis für eine Auffrischungsimpfung (gemäß aktueller Stiko-Empfehlung) in den Datensatz schreiben. Wer sich dann trotz Auffrischungsempfehlung nicht hat boostern lassen, erhält die Zuzahlungsrechnung von der Krankenkasse. Wer sich nachimpfen lässt, bekommt keine Rechnung.
Im Grunde sollte ja aus jedem Impfverweigerer nach Krankhausaufenthalt ein Impfbefürworter*in werden. Die Zuzahlungsandrohung motiviert eine solche nachholende Impfentscheidung in finanzieller Hinsicht.
Diese Verfahren bietet Vorteile auf mehreren Ebenen

  • Die Sanktionsandrohung ist einschneidend, kann aber durch eigene Einsicht wieder geheilt werden.
  • Die in den Krankenhäusern Tätigen könnten diese Kostenbeteiligung als kleine moralische Entlastung verbuchen.
  • Das Verfahren erbringt eine signifikante Entlastung des Solidarsystems, so dass sich die minimalen Zusatzaufwände sicher rechtfertigen ließen.
  • Es gibt ein etabliertes digitales Meldeverfahren zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, das über eine Updatemechanismus verfügt, so dass eine solche Umsetzung rasch erfolgen könnte.
    Monetäre Anreize haben sich im Gesundheitssystems in einigen Bereichen bereits bewährt, nämlich immer dann, wenn die Mitwirkung der Patient*innen für den Heilerfolg eine hohe Bedeutung hat und relativ einfach geleistet werden kann. Unsolidarisches Verhalten sollte angesichts der überragenden gesellschaftlichen Bedeutung der Coronaschutzimpfung nicht weiter umsonst sein.
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Amerikanische Verhältnisse in Deutschland? Bitte nicht.

Klar möchte man gerne Impfverweigerern an den Geldbeutel. Was kommt dann noch?

  • Schifahren: hohes Risiko, wer sich dabei ein Bein bricht soll blechen. Weiss doch jeder, dass bei Schifahrern ein hohes Beinbrechrisiko besteht
  • Als Fußgänger bei Rot über die Ampel - Unfall: bitte schön selber bezahlen, bei Rot geht man nicht über die Ampel!

Nee, auch wenn nicht Impfen dumm ist: so geht’s nicht.

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Ach, das gute alte Slippery-Slope-Argument?

Das hat der Threadstarter doch schon elegant mit dem Hinweis darauf entkräftet, dass es derartige Konstruktionen von Selbstbeteiligung mit erzieherischem Hintergrund längst gibt - und zwar seit Jahrzehnten (das Kieferorthopäden-Ding kenne ich aus meiner Jugend schon, und das ist ne Weile her).

Wenn es stimmen würde, dass eine derartige Maßnahme eine gefährliche, unaufhaltsame, richtungsweisende Rutsche in den Abgrund der „amerikanischen Verhältnisse“ wäre - dann hätten wir sie längst!

Die Frage ist, ob diese monetären Maßnahmen tatsächlich bewirken, dass sich Impfverweigerer am Ende auch tatsächlich vom Impfen überzeugen lass. Die meisten von denen glauben ja, dass sie bei bester Gesundheit seien und ihr Körper das schon alleine bewältigt, geschweige denn von denen, die leugnen, dass es das Virus überhaupt gibt. Diese Leute sind sich des Risikos überhaupt nicht bewusst und sagen dann leichtfertig „Und wenn’s mich dann trifft - dann ist es so.“ Im Alltag spürbarere Maßnahmen wie 2G und eine Impfpflicht halte ich für weitaus sinnvoller.

Ich würde die Änderung des Krankenkassenbeitrags nicht davon abhängig machen, ob man im Krankenhaus landet oder nicht; das ist reines Glücksspiel mit einer ziemlich hohen Erfolgswahrscheinlichkeit. Sinnvoller fände ich entweder einen Zusatzbeitrag / Risikoaufschlag für Ungeimpfte oder noch besser einen Beitragsrabatt für Geimpfte. Die Krankenkasse ist eine Solidargemeinschaft. Wer sich dem Solidarprinzip entzieht, sollte das ausgleichen müssen.

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Ich kann diese Vergleiche einer „nicht Impfung“ mit Ski fahren, rauchen oder sonstigen risikobehafteten Verhalten allmählich nicht mehr hören. Ein gebrochenes Bein ist nun mal nicht ansteckend. Wenn man sich aber mit Corona infiziert kann man andere anstecken. Bspw. Kinder oder andere die sich nicht geimpft werden können. Bei einem schweren Verlauf werden dann wochenlang Intensivbetten belegt, so dass bspw. andere dringende OPs verschoben werden müssen. Schlimmstenfalls steckt man jemand an der daran verstirbt.

Und es gibt im übrigen einen monetären Anreiz als Fußgänger nicht bei rot über die Ampel zu gehen. Siehe Bußgeldkatalog.

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Da gibt es genug Berufsgruppen und „Besserverdiener“ die sich entziehen. Das Argument ist in diesem Zusammenhang wohl nicht Maßgeblich.
Wenn das System Krankenkasse aber restrukturiert wird, dann …….

Möglichweise habe ich mich missverständlich ausgedrückt…

Ich wollte mitnichten dieses riskante Verhalten mit nicht Impfen vergleichen.

Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass es zu den großen Freiheiten meines Lebens hier in Deutschland gehört, dass ich mir noch nie Gedanken darüber machen musste, dass ich aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit mich urplötzlich verschulden muss, um Krankenhausrechnungen zu bezahlen.

Ich finde das geradezu unglaublich, dass das geht. Und man darf dieses unglaubliche Privileg auch dann genießen, wenn man seinen Krankenhausaufenthalt selbst verschuldet. Das möchte ich niemanden wegnehmen - warum auch immer.

Andererseits war der ursprüngliche Vorschlag ja auch nicht, einen Impfverweigerer ALLES zahlen zu lassen - es war die Rede von einer erhöhten Beteiligung (eine Beteiligung wird ohnehin fällig). Vielleicht habe ich das auch etwas in den falschen Hals bekommen, beim erneuten Lesen kam mir der Vorschlag nicht mehr ganz so indiskutabel vor.

Grundsätzlich sind Zuzahlungen ein gutes Steuerungsinstrument. Das wissen wir aus dem Versicherungssektor. Es kommt aber natürlich auf die Höhe an. Bei Dimensionen von 500 - 5.000 EUR würde sich sicherlich die Gerechtigkeitsfrage stellen, da ärmere deutlich härter getroffen würden. Dabei sind es vielleicht eher ärmere oder weniger gebildete Menschen, die eher auf Impfmythen hereinfallen. Wir haben nicht ohne Grund ein Solidarsystem, das eben einsteht, wenn man einen Versicherungsfall (Krankheit) erleidet. Dafür zahlen ja auch (mit Ausnahme von u.a. Beamten und Politikern!) alle in dieses System ein. Zudem öffnet das Zuzahlungsinstrument dann auch Tür und Tor für weitere vermeidbare Krankheitsbilder. Das Gesundheitssystem wird dann in gute und schlechte Bürger unterteilt, sodass auch wieder die Ärmeren benachteiligt sind, weil sie sich statistisch ungesünder verhalten (und früher sterben).

Mir wird bei dieser Argumentation nicht ganz deutlich, welches Verhalten denn durch die Kostenbeteiligung eigentlich genau sanktioniert werden sol.
Geht es um die bloße Tatsache, dass Ungeimpfte andere anstecken können? Eine solche Ansteckung ist aber ja - wenn auch in weit geringerem Maße - auch durch Geimpfte möglich. Zudem ist ein Ungeimpfter ja nicht per se eine Gefahr für andere, sondern nur für den Zeitraum der eigenen Infektiosität. Ob er dann auch tatsächlich andere Personen infiziert, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die sich im Einzelfall wohl nur selten retrospektiv feststellen lassen werden. Kurzum: Allein aufgrund einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung, ohne den Nachweis einer tatsächlichen Gefährdung anderer sehe ich keinerlei rechtliche Grundlage für eine solche Maßnahme.
Ein zweiter möglicher Ansatzpunkt für eine Sanktionierung wäre, dass Ungeimpfte ein sehr viel höheres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs haben. Allerdings gilt das nicht für alle Ungeimpften. Zudem ist nur das relative Risiko höher als bei einer geimpften Person mit den gleichen Merkmalen (Alter, Vorerkrankungen, Allgemeinzustand). Dann aber ist der Fall genau so gelagert wie das Verhalten eines Rauchers oder Skifahrers, der durch sein vermeidbares individuelles Verhalten ebenfalls das relative Risiko einer medizinischen Behandlung im Vergleich zu einer anderen Person mit denselben Merkmalen drastisch erhöht. Dann würde sich schon die Frage stellen, warum dieses selbstschädigende Verhalten in dem einen Fall sanktioniert werden soll und in dem anderen nicht.

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Nicht zu vergessen dass die Arbeiten (Knochenjob) die diese Personen ausführen oft auch höhere Unfallrisiken und höheren Verschleiß bedeuten die sie benachteiligen.

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Die Rücknahme der Beschränkungen wird ja zwangsläufig zu einer Überlastung der intensivbetten führen.
Hier hat der TO Ricardo das Argument gebracht, dass es ja bei der Kieferorthopädie bereits eine politische Hemmschwelle in Form von Zuzahlungen gibt, eventuell auf eine entsprechende Behandlung zu verzichten oder sie möglichst kurz und günstig zu halten.
Eine entsprechende Regelung könnte dazu führen, dass ein Impfverweigerer Wege sucht, vielleicht doch nicht im Intensivbett zu landen, sei es dass er stillschweigend zu Hause erstickt oder sich impfen lässt.

Wo das Beispiel hakt: unser Gesundheitssystem sieht in einer kieferorthopädischen Behandlung eine vorwiegend schönheitsoperative Behandlung, das ist bei Corona nicht gegeben.

Das wäre mir jetzt neu das unser Gesundheitssystem im größeren Maße Kosten für schönheitsoperative Behandlung übernimmt. Bei kieferorthopädischen Behandlungen geht es doch um die Funktionalität des Gebisses. Ästhetische Veränderungen sind da eher der Nebeneffekt.

Ja, du hast recht. Bis 18 Jahre wird es bezahlt - der Eigenanteil erst nach Abschluss.
Danach wird der medizinische Erfolg als geringwertig angesehen :thinking:

Sehr gut dargestellt, so sehe ich das auch.
Erste Hürde: Rosiko tritt erst ein, wenn Ungeimpfte sich infizieren - wo und bei wem auch immer.
Zweite Hürde: ich kenne einige verantwortungsvolle Ungeimpfte, die sich alle 2 Tage testen. Geht von denen ein höheres Infektionsrisiko aus als von Geimpften, die sich infizieren und ungetestet vielleicht viele Kontakte haben?
Auch den Aspekt der Bildungsferne / Sprachbarriere bei vielen Ungeimpften ist ein wichtiges Thema. Die bekäme man aber tatsächlich ggf. über finanzielle Anreize „gepackt“ - wenn sie die Information denn erreicht und sie vorausschauend denken (Fragezeichen daran).

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Ich finde diesen Vorschlag sehr gut, da er tatsächlich Menschen, die sich gegen eine Impfung entscheiden (ich lehne „Impfmuffel“ als Begriff ab, da er diese Entscheidung verharmlost), ernst nimmt und zweitens dem Ziel der Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen näher kommt.

Ich würde sogar weitergehen und vorschlagen, dass für Covid-Patienten nur ein bestimmter Prozentsatz von Betten in den Krankenhäusern reserviert wird und diese bei Kapazitätsmangel vorzugsmäßig an Geimpfte vergeben wird.

Bei einer solchen Regelung würden wir uns nicht auf eine Diskussion zum Thema Impfpflicht einlassen, die nicht zielführend ist, sondern würden unserem Gesellschaftsvertrag näher kommen – solidarischem Verhalten kommt unser solidarisches Gesundheitssystem zugute, geplante OPs müssten nicht verschoben werden etc. – Menschen, die sich selbst gewählt unsolidarisch verhalten, würden auf dieses System nicht mehr zurückgreifen können.

@MatthiasW wer soll diese Entscheidungen treffen? Dann wäre die Triage in Krankenhäusern an der Tagesordnung. So eine Entscheidung möchte ich niemandem ohne Not zumuten.

Ich habe auch keine Lösung wie man den Impfmuffeln bei kommen kann, aber nach meiner Wahrnehmung sind das Menschen die in ihren Berufen Verantwortung tragen. Die durchaus den Intellekt haben sich Informationen zu beschaffen und die Materie zu begreifen. Siehe dazu auch: