Kosten der Migration für Herkunftsländer

Hallo zusammen,

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der sowohl in der allgemeinen Debatte als auch hier im Forum oft wiederholt wird: Deutschland braucht jedes Jahr eine Nettozuwanderung von 400.000 Menschen, vor allem Fachkräften.

Ich bin kein Deutscher, daher kann ich die innenpolitischen und gesellschaftlichen Folgen davon nicht bewerten. Ich möchte das Thema aber aus einer anderen Perspektive ansprechen. Ich komme selbst aus einem mittelgroßen afrikanischen Land, promoviere seit fünf Jahren in Deutschland und bin bald fertig – dann gehe ich zurück in mein Heimatland. Diese Informationen sind wichtig, um meine Kritik richtig einordnen zu können.

Wenn Deutsche davon sprechen, dass Deutschland Fachkräfte braucht, um das System aufrechtzuerhalten, wird oft verschwiegen oder nur sehr kurz erwähnt, welche Folgen die Migration für die Herkunftsländer dieser Fachkräfte hat. Ja, Deutschland hat eine alternde Bevölkerung und eine Wirtschaft, die Modernisierung braucht. Dafür werden Ärzte, Krankenpfleger, ITler, Maschinenbauer etc. benötigt. Aber diese Menschen werden in ihren Heimatländern genauso, wenn nicht sogar noch dringender gebraucht.

Es ist sogar schlimmer, weil arme Länder nur begrenzte Ressourcen haben, um diese Fachkräfte auszubilden. Wenn sie dann später abgeworben werden, stehen diese Länder vor sehr schwierigen Situationen. Auf individueller Ebene kann ich es keiner Fachkraft übel nehmen, wenn sie ihr armes Land verlässt, um sich woanders auf der Welt ein besseres Leben aufzubauen. Aber ich kann sehr wohl reiche Länder dafür kritisieren und beurteilen, dass sie ärmere Länder ausbeuten, statt ihre dysfunktionalen Systeme zu reformieren und Lösungen im eigenen Land zu finden.

Deutschland hat eine der höchsten Arzt-Raten pro Kopf. No offense, aber wenn ihr ein paar Wochen länger auf einen Termin wartet, ist das nicht das Ende der Welt. Der Arzt, der aus einem ärmeren Land abgeworben wird, wird dort dringender gebraucht. Genauso wie ITler, Maschinenbauer und andere Fachkräfte. Ärmere Länder können sich nicht entwickeln, wenn ihnen ständig ihr Humankapital genommen wird.

Jahrhundertelang haben Europäer afrikanische Länder versklavt, vergewaltigt, unterdrückt und sich dabei ziemlich gut bereichert. Jetzt, nach dem Ende des Kolonialismus, kommen die Europäer noch einmal und benutzen besagten Reichtum, um ärmere Länder erneut auszubeuten. Purer Neokolonialismus.

Bevor ich nach Deutschland kam, waren die Deutschen für mich alle gleich. Einige Zeit später habe ich angefangen, die Unterschiede zu erkennen: Egal ob Rechtsextreme, Konservative, Sozialdemokraten, Grüne etc. – die deutsche Gesellschaft ist sehr vielfältig. Ich habe in meiner Zeit hier viel gelernt und mich persönlich enorm weiterentwickelt, und dafür bin ich Deutschland sehr dankbar. Aber leider verlasse ich das Land nach fünf Jahren mit der Erkenntnis, dass die Deutschen – wenn es um die Welt außerhalb Deutschlands geht – alle gleich sind. Sie (und andere Europäer auch) sehen ärmere Länder als eine einfache Lösung für ihre jahrzehntelang ignorierten Probleme.

In Deutschland wird oft darüber gesprochen, wie die Superreichen weiterhin so leben, ohne sich um die Folgen für das Klima oder die soziale Gerechtigkeit zu kümmern. Für uns im Rest der Welt seid ihr alle die Superreichen, die sich nicht dafür interessieren, welche Folgen ihre Politik für andere Länder und Menschen hat. Ihr baut keine nachhaltigen Systeme auf, und wenn diese scheitern, löst ihr eure Probleme, indem ihr Geld darauf werft.

Um den Bezug zur Lage noch einmal herzustellen: Ich bitte euch, Philip und Ulf, wenn ihr das nächste Mal (und am besten jedes Mal) darüber sprecht, dass Deutschland Migration und Fachkräfte braucht, erwähnt bitte auch, wie schlimm das für die Herkunftsländer sein kann. Vielleicht entwickelt sich in Deutschland langsam ein Bewusstsein dafür, dass man die Probleme im Land mit inländischen Lösungen angehen sollte.

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Danke für diese wichtige Perspektive!
Das fällt wirklich fast immer unter den Tisch. Ich kann mich aber erinnern, dass @Margarete vor kurzem was dazu geschrieben hat (vor 7–10 Tagen?), ein kurzer eingeschobener Satz in einer Antwort im Migrationskontext, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies für die Herkunftsländer problematisch ist; leider habe ich den Beitrag noch nicht finden können.
Es ist auf jeden Fall sehr gut, dass du uns auf die Problematik aufmerksam machst, denn gerade durch die unglückliche Fokussierung im Wahlkampf werden wir uns wohl alle immer wieder über das Thema Migration mit unserer Umgebung austauschen. Von den fehlenden Arbeitskräften, die uns noch jahre- oder jahrzehntelang beschäftigen werden, ganz zu schweigen …

Ich fände es auch super, wenn dieser Aspekt im Podcast aufgegriffen werden würde.
Danke nochmal für die offenen Worte und den klaren Blick auf das, was wir hier in Deutschland und Europa weiterhin so treiben.

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Na ja, der Witz an Migration ist halt, dass Menschen selbst entscheiden können, wo sie für sich gute Chancen sehen und dadurch alle besser wegkommen können. Das ist kein Nullsummenspiel.
Klar ist: Es braucht Mechanismen, die dafür sorgen, dass das für alle verträglich verläuft. Dabei müssen bestehende Ungleichheiten zwischen Gemeinschaften natürlich berücksichtigt werden, statt in neokoloniale Ausbeutung zu verfallen. Und vor allem sind Menschen keine wirtschaftliche Verfügungsmasse (wie zB in einigen Golfstaaten). Daher sind die von Dir angesprochenen Punkte sehr wichtig.
Eine Migration auf Augenhöhe bietet aber allen Chancen: Menschen wie Du können sich zB außerhalb ihres Landes ggf. besser weiterbilden, da in ihrem Fach die besten Einrichtungen (oder einfach überhaupt ausreichende Bildungsressourcen) im Ausland sind, und bereichern „nebenbei“ die Aufnahmegemeinschaft. Nach ihrer Rückkehr können sie in ihrem Herkunftsland durch ihre Bildung und Erfahrungen noch mehr beitragen. Manche überweisen auch in die Heimat und ermöglichen so der Familie Bildungschancen oder sogar das nackte Überleben, nebenbei erhält der Herkunftsstaat wichtige Devisen.

Es gab mal einen UN-Migrationspakt, der von Rechtsextremen unglaublich zerrissen und verteufelt wurde. Da sind mW diese Aspekte von Migration auch eingeflossen.

(P.S.: Ich gehe davon aus, dass hier die Migration aus beruflichen und ähnlichen wirtschaftlichen Gründen gemeint ist. Bei Fluchtmigration ist natürlich vieles anders gelagert.)

Ein ziemlich klares jein von mir.

Ich bin in sehr großen Teilen bei dir was deine Kritik angeht, aber: die Geburtenraten sind kein Quickfix innerhalb von nationalen Grenzen.

Gerade Afrika hat da durchaus Probleme in die andere Richtung.

Aber man könnte mit ein bisschen Willen eine Win Win Situation basteln, schlicht indem man wie dir nicht nur einem die Ausbildung ermöglicht sondern zweien, einer geht zurück, gut ausgeblidet für sein Herkunftsland, hilft dort die Probleme zu lösen, der andere bleibt hier und hilft die Probleme hier zu lösen.

Somit wäre dann in Afrika einer wenoger der Hunger hat (und Probleme der Überbevölkerung löst) und in Deutschland einer mehr der der die Demographie hier rettet.

Allerdings hör ich dann schon wieder rechts außen von Umvolkungsplänen schwadronieren, …

Mal abgesehen davon, dass Afrika sehr vielfältig ist:
https://www.derpragmaticus.com/r/ueberbevoelkerung-ressourcen
(Habe eigentlich eine andere Quelle gesucht, u.a. zu Bangladesh – ich dachte, das wäre mal Thema in der LdN gewesen, scheint aber ein anderer Podcast gewesen zu sein …)

Edit: Gedächtnislücke gefüllt:

„Das hat mir auch der Ökonom Tillmann-Brück erklärt, den habe ich in Berlin getroffen. Er hat an der Berliner Humboldt-Uni eine Heisenberg-Professur zu wirtschaftlicher Entwicklung und Ernährungssicherheit und berät eben auch Regierungen und Organisationen zum Thema. Ich habe ihn für die Recherche dann in Berlin auch getroffen.
Wenn ich vier Kinder habe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eins dieser Kinder mir helfen kann, höher als wenn ich vielleicht nur ein Kind habe, was ist, wenn das dann auch arm ist und sich nicht um mich kümmern kann. Der Wandel in der Bevölkerungsstruktur, dass Familien weniger Kinder haben, der entsteht, wie wir sagen, endogen, also sozusagen aus den Umständen heraus. Und wenn ich mich auf meine Rentenversicherung verlassen kann, wenn ich weiß, dass es eine gute Gesundheitsversorgung gibt, wenn ich weiß, dass mein Baby nicht sterben wird, wenn es mal krank ist, dann brauche ich nicht so viel Kinder zu haben.
Und das heißt, das ist ein sehr verlässliches Muster, dass mit steigendem Wohlstand dann auch die Anzahl der Kinder in den Familien zurückgeht, sodass wenn die Rahmenbedingungen sich verbessern, die Familiengröße kleiner wird und das Bevölkerungswachstum abnimmt. Das wird ganz oft falsch verstanden und man denkt immer, die vielen Kinder in den Entwicklungsländern sind sozusagen ein Faktor, die zur Armut führen, aber es ist eher andersrum. Weil die Menschen arm sind, haben sie viele Kinder.
Menschen kriegen also eher weniger Kinder, je besser ihre Umstände sind, weil weniger Kinder sterben und wahrscheinlich auch, weil die Familien nicht auf die Kinder als Hilfen im Haushalt oder auf dem Feld angewiesen sind, ja?
Ja, diesen Zusammenhang kann man tatsächlich auch sehen in den Geburtenraten von Ländern, die mal sehr arm waren.
Welche denn?
Ja, zum Beispiel Bangladesch. Dort hatte eine Frau im Jahr 1960 im Schnitt 6,7 Kinder.
Also fast 7.
Und heute liegt der Schnitt bei unter 2 Kindern. Wow. Und gleichzeitig ist dort eben auch die Kindersterblichkeit krass runtergegangen.
Noch im Jahr 2000 sind 84 von 1000 Kindern gestorben und 2022 waren es nur noch 29.
Wow, ja, das ist richtig, richtig viel.
Ja, daran sieht man eben, wenn weniger Kinder sterben, bekommen Frauen auch weniger Kinder. In Bangladesch übrigens fand ich ganz spannend, ist dieser Erfolg gelungen durch eine landesweite Kampagne der Regierung, die die gesundheitliche Versorgung, die Situation von Frauen stark verbessert hat. Und die wirtschaftliche Entwicklung kam dann eben noch on top.
Gut, jetzt haben wir geklärt, warum Menschen, die in Armut leben, mehr Kinder bekommen. Und dann aber eben auch noch zu der Frage, ob weniger Kinder tatsächlich etwas bringen würden. Und dann erstmal ganz pragmatisch jetzt nicht, weil aktuell werden sie ja gebraucht.
Also wie du ja auch gefragt hast, die Familien sind auf die Kinder angewiesen, sowohl bei der Hilfe im Haushalt als auch auf dem Feld, aber eben auch in ihrer Rentenversorgung.
Es gibt keinen Staat sozusagen, der da eingreift und unterstützt. Sie sind aufeinander angewiesen, ja.
Ja, ganz genau. Dazu vielleicht noch mal kurz die weltweite Bevölkerungszahl. Momentan haben wir laut UN-Daten auf der Welt 8,2 Milliarden Menschen.
Und das dürfte sich aber dieses Jahrhundert noch einpendeln auf 10,2 Milliarden. Und dafür, wie wir vorhin gelernt haben, es gibt ja aktuell genug Land und Essen und das wäre bei 10,2 Milliarden, wenn man das Ernährungssystem richtig aufsetzt, eben auch so.
Okay, diese Mythen oder ich sag mal Narrative haben wir aus dem Weg geräumt.”

Von Synapsen – ein Wissenschaftspodcast: (116) Hunger in der Welt - eine Naturgewalt?, 3. Jan. 2025
https://podcasts.apple.com/de/podcast/synapsen-ein-wissenschaftspodcast/id1513168570?i=1000682494790&r=1040

Irgendwo, ich meine hier im Forum, hatte mal jemand gepostet, dass die Studienlage eigentlich so aussähe, dass die Herkunftsländer typischerweise eher profitieren. Sowohl von nach Hause geschicktem Geld als auch vom im Ausland generierten Wissen.

Allerdings halte ich das zweite Thema, das Du aufwirfst für ein kapitaleres Problem, das insbesondere unsere progressiven Parteien betrifft. Würden sie sich hier ehrlich machen, hätten sie aber, denke ich, ein noch viel größeres Akzeptanzproblem. Sobald man die Gerechtigkeits- oder Umverteilungsdebatte nicht mehr an der deutschen Grenze enden ließe, hätten wir eine ganz andere Perspektive.
Aber was wäre denn, wenn wir z.B. dem Mindestlohnempfänger sagen würden: Pass auf, wir sorgen jetzt dafür, dass bei Dir mehr übrig bleibt, in dem wir hohe Einkommen mehr belasten - heute schon keine mehrheitsfähige Position -, wir werden aber gleichzeitig die CO²-Steuer auf Milch einführen, weil auch Dein Fußabdruck zu groß ist. Wenn er das zwar im Geldbeutel irgendwie merkt, im Lebensstil aber nicht?
Oder wenn wir sogar sagen würden: Wir verteilen jetzt um von den reichsten 10%, aber global. Und damit bist Du Geber und kein Empfänger?
Auch linke Parteien betonen ja, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleiben soll. Das das aber ein Wettbewerb ist, der dazu dient uns einen ungerecht großen Anteil an den Ressourcen der Erde zu sichern, die noch dazu begrenzt sind, das sagen wir schon nicht so gerne laut. Und das dieser Wettbewerb nicht fair geführt wird und es keine vergleichbaren Startvoraussetzungen gibt, da möchten wir auch nicht so richtig gerne dran.

Aber wo soll gerade die Perspektive für ein Projekt herkommen, dass globale Ungerechtigkeiten mehr in den Fokus rückt, wenn wir uns mal anschauen, womit wir uns gerade beschäftigen müssen?

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Danke für diese Perspektive.
Ich glaube das ist einer dieser Punkte, die wirklich schwer zu besprechen sind, wenn im Diskurs immer nur zusammenfassend von „Migration“ gesprochen wird, egal ob es sich um gezielt herziehende Fachkräfte oder Geflüchtete handelt.

Viel des aktuellen Hasses richtet sich ja zumindest diskursiv primär gegen Geflüchtete, von der rechten gerne als „illegale“ oder „irreguläre“ Migration diffamiert. Und da halte ich durchaus gerne dagegen: Wir brauchen Menschen. Ohne die 6000 syrischen Ärzte, die bei uns arbeiten, sähe es in unserem Gesundheitssystem z.B. noch ein bisschen anders aus.

Dies ist natürlich ein sehr anderes Thema, als aktiv gut ausgebildete Menschen aus anderen Ländern abzuwerben. In diesem Punkt gebe ich dir völlig recht: Die z.B. Philippinen brauchen ihre Kranken- und Altenpfleger selber.
Aktiv andernorts einen Brain-Drain zu befeuern kann nicht die Lösung unserer Probleme sein.

Sich in unserer demografischen Situation aber hinzustellen und über Zuwanderung von Menschen, die ein neues zuhause dringend brauchen zu wettern, weil - Unterstellung meinerseits, aber ich glaube ich habe recht mit meiner Einschätzung - einem schlicht die Anzahl brauner Gesichter in Innenstadt/Supermarkt/Bus nicht behagt, dann werfe ich immer wieder mit Gusto in den argumentativen Ring: Wir brauchen Einwanderung. Und gute Bildungsmöglichkeiten für die, die da zu uns kommen, und deren Kinder.

EDIT: Typos

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Von Beiträgen zur Debatte wie diesem hier von @justwannasayhi ? Wir sprechen ja darüber. Und ich werde diese Argumenten das nächste unweigerliche Mal, dass ich über Migration debattiere, präsenter im Kopf haben.

Ich wünschte, solche Denkanstöße würden in der Zeit abgedruckt, statt „nur“ in einem Forum zu erscheinen, aber hey. Jedes bisschen hilft.

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Kein Quickfix, aber man kann ja auch an einem Slowfix arbeiten. Ich wette, wenn man pro Kind 20.000 oder 30.000 Euro zahlen, das Kindergeld auf 500 Euro verdoppelen und mehr kostenlose Ganztags-Kitaplätze schaffen würde, würde sich da etwas ändern. Das würde natürlich viel Geld kosten, aber ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass es in Deutschland genug Geld dafür gäbe. Aber das sind erstmal deutsche innenpolitische Herausforderungen, für die ich nicht qualifiziert oder informiert genug bin, um eine Meinung dazu zu haben.

Da wäre ich voll dabei! Was ich aber aktuell von der deutschen Politik verstehe, ist, dass Deutschland fertig ausgebildete Fachkräfte braucht, die sofort zum System beitragen können. Und ehrlich gesagt: Das Ziel ist nicht, weitere Menschen aus- oder weiterzubilden. Deutschland mangelt es nicht an deutschen Ärzten, weil deutsche Kinder keinen Bock auf ein Medizinstudium haben, sondern weil Medizinstudienplätze teuer sind und kein Bundesland Bock darauf hat– vor allem, wenn man sich ausgebildete Ärzte billiger importieren kann.

Wenn es wirklich darum ginge, eine Win-Win-Situation zu schaffen, dann wäre dein Vorschlag super! Man könnte z. B. in mehr Uni-Austauschprogramme und Stipendien investieren oder Forschungsprojekte mit ausländischen Universitäten fördern. Aber wie gesagt, das kostet mehr Geld, und ich sehe nicht die Bereitschaft in Deutschland, dies zu tun.

Dass Geld in die Heimat überwiesen wird, ist auf jeden Fall vorteilhaft für die Herkunftsländer. Aber ich habe folgende Probleme in meiner Erfahrung erlebt:

  • Das Geld geht nicht zurück in die Gesellschaft, sondern landet bei den einzelnen Familien. Gut für die Familien, aber weil das Geld, sagen wir, nicht konzentriert und zentral ist, erreicht es nicht die nötige Masse, um zu nachhaltigen Investitionen zu führen. Anekdote: Von dem Geld, das ich meiner Mutter überwiesen habe, hat sie sich ihre Wohnung schön möbliert, nur ist die Straße rund um die Wohnung immer noch fast nicht vorhanden.

  • Geld hilft dir nicht, wenn das, was du brauchst, einfach nicht vorhanden ist. Wieder eine Anekdote (sorry): In meiner Heimatstadt gibt es einen einzigen Augenarzt im Umkreis von 150 km. Die paar Male, die ich mit meiner Familie da war, war der Arzt total überfordert. Er macht seine Praxis um 7 Uhr auf und schließt erst nach 21 Uhr, weil er die ganze Region alleine versorgen muss. Da macht es keinen Unterschied, ob dir deine Kinder aus dem Ausland ein paar Hundert Euro geschickt haben – du wartest genauso auf diesen Arzt wie alle anderen hunderttausenden Einwohner in der Region.

Ich stimme dir beim Rest deines Kommentars zu, danke!

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Absolut, da stimme ich dir zu! Gegen Geflüchtete zu hetzen, vor allem wenn sie sich integrieren und zur Gesellschaft beitragen, ist inakzeptabel. Leider ist das kein rein deutsches Problem. Wir haben in meinem Heimatland auch Geflüchtete aus dem Nachbarstaat, und da hört man fast die gleiche Hetze gegen sie :frowning:

Vielleicht war „Perspektive“ schlecht gewählt. „Erfolgsaussichten“ hätte es vielleicht besser getroffen.

Dieser Austausch von Betrachtungsweisen, ist ja was, wo eigentlich großes Potential drin liegen müsste. Insbesondere, weil wir so vernetzt sind, heute.

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@vieuxrenard das wäre mal eine recherche wert, da ja Rechtsausleger immer gerne behaupten, dass die Flüchtlinge in den jeweiligen Nachbarländern besser versorgt und „willkommener“ wären als in Europa.

Dass das nicht stimmt ist ihnen bewusst, begründen doch die gleichen Leute zwei Tage später Kontrollen an den Binnengrenzen damit, dass die Nachbarn das auch machen würden. Dass der Attentäter nicht nach Bulgarien abgeschoben wurde, sondern freiwillig ausreisen sollte könnte durchaus damit zusammenhängen, dass wir das gar nicht durften, da dort seit Jahren das Asylrecht mit Füßen getreten wird.

Die Arbeits- und Wirtschaftsmigration von der Ersten und Zweiten Welt nach Deutschland hat Chancen und Herausforderungen für die Herkunftsländer der Migranten:

  1. Brain Drain: Hochqualifizierte Arbeitskräfte verlassen ihre Heimatländer, was dort zu einem Mangel an Fachkräften führen kann. Dies betrifft besonders sensible Bereiche wie das Gesundheitswesen, wo der Weggang von Ärzten und Pflegekräften die Versorgung beeinträchtigen kann.

  2. Wirtschaftliche Einbußen: Wenn Staaten in die Ausbildung ihrer Bürger investieren, verlieren sie durch Migration potenzielle wirtschaftliche Erträge. Die Abwanderung kann das Wirtschaftswachstum bremsen, da qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

  3. Positive Effekte durch Rücküberweisungen: Migranten senden oft Geld an ihre Familien in den Herkunftsländern, was dort den Konsum und die wirtschaftliche Stabilität fördern kann. Dies ist besonders in Entwicklungsländern ein wichtiger Faktor.

  4. Bildungsanreize: Die Möglichkeit zur Migration kann Menschen motivieren, höhere Qualifikationen zu erwerben, was langfristig das Bildungsniveau im Herkunftsland steigern könnte.

  5. Soziale und demografische Folgen: Die Abwanderung junger und arbeitsfähiger Menschen kann die Altersstruktur in den Herkunftsländern negativ beeinflussen und soziale Spannungen verstärken.

Danke für deine Einblicke, sehr interessant.
Wenn wir über das Thema sprechen, geht es würde ich sagen erstmal nur um Arbeitsmigration, da Migration durch Flucht diesbezüglich ja nicht gesteuert werden kann. Also das Verwerfliche wäre das gezielte Anwerben von Fachkräften in Länder, die sowieso selbst Fachkräftemangel haben.

Und wenn man dann noch wie von @Olaf.K vorgeschlagen für jeden, der hier herkommt vor Ort die Bildung von x Menschen finanziert oder Schulen baut und oder eine Person zusätzlich aufnimmt und für eine Rückkehr ausbilden, ist das eine win win Situation denke ich.
Gleichzeitig hilft es aber nicht, wenn es sehr viele gut ausgebildete Menschen gibt, aber keine Arbeitsplätze. Ich verstehe immer noch nicht, wieso westliche Firmen so wenig vor Ort investieren und vor Ort produzieren.
In dem Zuge finde ich sowas hier spannend
Home - Africa GreenTec AG

Kapitalistisch würde das ggf Sinn ergeben, halte ich aber für nicht die Realität (hoffentlich), sondern eher Ausdruck des bekannten Problems der Demographie.

Gleichzeitig ist Deutschland immerhin ein Land, das mit fast 50 Mrd jährlich an Entwicklungszusammenarbeit relativ weltweit vorne dabei ist.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sog. „Straßen in Peru“ Projekte ein echter Mehrwert sind. In Zambia wurde die Great East Road von der EU finanziert neu asphaltiert und auch Radwege und Solarbeleuchtung gebaut. Dort gab es extrem viel Rad- und Motoradverkehr, der zu sehr viel mehr Warentransport führt und Mobilität der Leute generell ermöglicht. Auch gabs viele Radläden und Werkstätten, die sich deshalb gebildet haben. Sowas ist also keinesfalls rausgeschmissenes Geld (zumal das meiste ja über Kredite läuft).

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